Kindesmisshandlungs-Prozess am Landgericht Zweibrücken „Meine Mutter soll in der Hölle schmoren“

Zweibrücken · Laut Anklage jahrzehntelang gequälte Tochter sagt im Prozess am Landgericht Zweibrücken Prozess per Video-Schaltung aus.

 Justitia muss am Landgericht Zweibrücken über einen besonders erschütternd wirkenden Fall urteilen (Symbolbild).

Justitia muss am Landgericht Zweibrücken über einen besonders erschütternd wirkenden Fall urteilen (Symbolbild).

Foto: dpa/Peter Steffen

Nein, eine Konfrontation mit ihrer Mutter wollte die junge Frau auf jeden Fall vermeiden. Zwar will die heute 35-jährige Tochter aussagen, möchte dies aber besser aus der Ferne tun. Was sie die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken bereits am zweiten Verhandlungstag über ihren Nebenklagevertreter hatte wissen lassen. Er hatte deshalb eine audiovisuelle Vernehmung der jungen Frau beantragt, die unter einer in der Kindheit von häuslicher Gewalt ausgelösten Persönlichkeitsstörung leide und in einer Therapieeinrichtung lebe. „Ein Aufeinandertreffen mit der Mutter würde ihren Zustand verschlechtern“, erklärte der Rechtsanwalt damals.

Staatsanwalt Martin Kiefer hatte der 59-Jährigen zum Prozessauftakt zur Last gelegt, mehrere ihrer sechs Kinder (drei Mädchen und drei Jungen) im Zeitraum 1989 bis 2011 gemeinsam mit ihrem 2018 verstorbenen Ehemann gequält zu haben. Er warf der Frau Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Zudem muss sich die 59-Jährige wegen Betrugs verantworten. Denn sie soll – ebenfalls gemeinsam mit ihrem Ehemann – zwei ihrer Töchter veranlasst haben, sich gegenüber Gutachtern des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz wie schwer behinderte Kinder zu verhalten und Windeln zu tragen, um das Pflegegeld kassieren zu können. Durch die unberechtigten Bezüge, mit denen das arbeitslose Ehepaar seinen Lebensunterhalt bestritten hatte, soll der Krankenkasse ein Schaden von insgesamt 50 000 Euro entstanden sein.

Auch die am Donnerstag per Video-Schalte gehörte Tochter hatte damals nach eigenen Angaben zu jenen Kindern gehört, die für die MDK-Mitarbeiter eine Behinderte „spielen“ mussten. Sie berichtete dem Gericht: „Ich lag in einem Pflegebett und hatte Pampers an. Dabei musste ich meinen Körper ruckartig bewegen.“

Auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters Michael Schubert antwortete die 35-Jährige: „Nie wieder gehe ich zurück zu meiner Mutter, sie soll in der Hölle schmoren!“ Sie habe nach wie vor Angst vor ihr. Sie sei als Kind damals Tag und Nacht eingesperrt gewesen. Sie habe das Haus nur verlassen dürfen, um Alkohol für ihre Eltern einzukaufen. Und immer wieder sei sie im Alter von „sieben oder acht Jahren“ von ihren Eltern mit Stöcken verprügelt worden – abwechselnd vom Vater und von der Mutter. Meistens sei es bei blauen Flecken und Striemen geblieben. Einmal waren ihr dabei auch Arm- und Handknochen gebrochen worden. Die Eltern hätten die Verletzungen im Krankenhaus seinerzeit damit erklärt, sie sei mit dem Fahrrad gestürzt.

Weiter berichtete die 35-Jährige, dass es nur Büchsensuppen zu essen gegeben habe, die sie hätte auf dem Boden sitzend einnehmen müssen. Die Eltern hingegen hätten sich meistens Pizza oder Döner kommen lassen. Es gab auch andere Unterschiede: So hätten die Kinder – im Gegensatz zu ihren Eltern – immer in kaltem Wasser baden müssen.

Sie habe nie eine Schule besucht, erzählte die 35-Jährige. Ihre Eltern hätten einen Antrag gestellt, damit sie ausgeschult wird. Daraufhin sei sie für nicht schulfähig erklärt worden. „Meine größeren Geschwister haben mir im Laufe der Jahre das Schreiben beigebracht“, gab die 35-Jährige zu Protokoll.

Die Tochter bestätigte während der Video-Schalte auch den Anklagevorwurf, dass die Stöcke, mit denen sie und ihre Geschwister verprügelt wurden, Namen wie „kleiner Bruder“, „großer Bruder“ und „Knochenstock“ trugen, die ihnen der Vater gegeben habe. Nach ihrer Erinnerung seien ohne Ausnahme alle Kinder regelmäßig gezüchtigt worden – oft aus nichtigem Anlass. Ihre Mutter sei aber nie vom Vater geschlagen worden, sagte die 35-Jährige. Und sie fügte hinzu: „Wenn Besuch kam, spielten sie die liebsten Eltern von der Welt.“

Fortgesetzt wird die Verhandlung diesen Montag, 9.30 Uhr, im Landgericht.

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