Kronzeuge sagt vorm Landgericht Zweibrücken aus Drogen-Großdealer beendeten ihre Gespräche mit Hitler-Gruß

Zweibrücken · Auch zahlreiche Nazi-Tattoos entsprängen aber nicht rechtsextremer Gesinnung, erklärte der Kronzeuge dem Landgericht Zweibrücken.

 Das Landgericht führt derzeit vier Verfahren zu der Dealerbande.

Das Landgericht führt derzeit vier Verfahren zu der Dealerbande.

Foto: Rainer Ulm

Provokation oder Programm? Bei den in der vergangenen Woche im Landgericht Zweibrücken fortgesetzten vier großen Drogenbanden-Prozesse wurde unter anderem und zum wiederholten Mal der inzwischen 36 Jahre alte Kronzeuge der Staatsanwaltschaft gehört – diesmal in einer Art Fragestunde.

Dabei kamen vor der Ersten Großen Strafkammer auch seine Tätowierungen zur Sprache – vor allem die beiden Tattoos an seinen Oberarmen, in die er sich die Zahlen „18“ und „88“ hatte ritzen lassen. Was es damit auf sich habe, fragte die Vorsitzende Richterin Susanne Thomas. Diese Zahlen stünden für die Abkürzung „AH“ beziehungsweise „HH“, also für den ersten und den achten beziehungsweise zwei Mal für den achten Buchstaben im lateinischen Alphabet, erläuterte der 36-Jährige. Sie seien Synonyme für die Initialen Adolf Hitlers beziehungsweise die Abkürzung für den Gruß „Heil Hitler!“. Nein, ein Zeichen für eine rechte Gesinnung sei diese Körperbemalung nicht, beteuerte der 36-Jährige, der wieder von mehreren Spezialeinsatzkräften begleitet und beschützt wurde.

Die Tattoos seien nichts weiter als „eine Provokation“ gewesen, entgegnete der Südwestpfälzer, der bis zu seiner Verhaftung als Intensivpfleger in einer großen saarländischen Klinik gearbeitet hatte, auf eine entsprechende Frage. Das gelte wohl auch für einige andere mutmaßliche Bandenmitglieder, die sich hatten Hakenkreuze oder SS-Runen stechen lassen.

Er habe sich die beiden Hitler-Tattoos im vergangenen Jahr „wegmachen“ lassen, gab der 36-Jährige zu Protokoll. Allerdings blieb er dem Gericht die Antwort auf die Frage schuldig, warum mehrere mutmaßliche Bandenmitglieder, darunter welche mit Migrationshintergrund, ihre damals von den Ermittlern über längere Zeit mitverfolgten Chats und mitgehörten Telefongespräche dann ausgerechnet mit dem Gruß „Heil Hitler!“ beendeten.

Der Umstand einer möglicherweise rechtsextremen Verstrickung des Kronzeugen war auch für die Verteidiger von Belang, die immer wieder versuchten, die Glaubwürdigkeit des 36-Jährigen, der ihre Mandanten teils schwer belastete, zu erschüttern. So ging es in der Befragung mehrfach um die Zeitpunkte, wann genau er die Betäubungsmittel an wen geliefert oder von wem bekommen und wann er wem das Drogengeld übergeben haben will. Und tatsächlich förderte die teils verhörmäßige Befragung einige Ungereimtheiten bezüglich der zeitlichen Einordnung zutage. So musste der 36-Jährige ein, zwei Aussagen bezüglich der damaligen Abläufe der Drogengeschäfte korrigieren, die er in seinen ersten Vernehmungen nach seiner Festnahme im November 2020 gemacht hatte. Was allerdings am eigentlichen Tatbestand nichts änderte.

In den vier parallel laufenden Verfahren müssen sich im Landgericht Zweibrücken seit April 2021 elf Männer wegen des Vorwurfs bandenmäßigen Drogenhandels verantworten, die sich laut Anklage Mitte 2018 zusammengeschlossen und bis November 2020 in über 100 Fällen im je zweistelligen Kilogramm-Bereich Betäubungsmittel im Millionen-Wert umgeschlagen haben sollen. Dabei sollen sie Marihuana, Amphetamin, Kokain und Haschisch bei Lieferanten im Rhein-Main-Gebiet oder übers Internet erworben und in der Südwestpfalz und Saarpfalz, konkret auch in Zweibrücken und Pirmasens, gewinnbringend weiterverkauft haben.

Den Ermittlern kam zugute, dass es französischen Sicherheitsbehörden im Jahr 2020 gelungen war, den vornehmlich von Kriminellen genutzten und vermeintlich abhörsicheren Kurznachrichtendienst Encrochat zu hacken und die Daten zu entschlüsseln (wir berichteten). Die Prozesse werden fortgesetzt.

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