Drogenbande-Prozesse am Landgericht Zweibrücken Drogen auf dem Elektro-Roller geliefert

Zweibrücken · Das Landgericht Zweibrücken hat die drei Hauptverhandlungen gegen neun Männer fortgesetzt, die in großem Stil mit Rauschgift gehandelt haben sollen.

Und wieder hat ein Zeuge mehrere mutmaßliche Mitglieder einer Drogenhändlerbande schwer belastet.

Vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken berichtete der 33-Jährige, der sich demnächst selber wegen mehrerer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten muss, sich aber auf freiem Fuß befindet, kiloweise Drogen – überwiegend Marihuana und Amphetamin – an einige der Angeklagten geliefert oder bei ihnen zur Weitergabe an mehrere Unterhändler und Endabnehmer abgeholt zu haben: „Ich habe schon mal einige Pakete von A nach B gebracht.“ Meist in Kaiserslautern und Umgebung – auch nach Hochspeyer und Weilerbach.

Einige der Angeklagten kenne er bereits seit seiner Kindheit, sei mit ihnen sogar befreundet gewesen und durch sie ins Rauschgiftgeschäft geraten, antwortete der 33-Jährige auf eine entsprechende Frage der Vorsitzenden Richterin Susanne Thomas.

Bei einem der Angeklagten habe er Schulden gehabt, die er durch seinen Lieferservice und den Weiterverkauf „auf Kommissionsbasis“ abgearbeitet habe. Die Höhe der Bezahlung sei abhängig davon gewesen, „wie viele Drogen ich transportieren musste“.

Entlohnt worden sei er aber auch mit Naturalien: „Wenn ich etwas für sie erledigt habe, habe ich ab und zu auch Drogen bekommen.“

An die ersten dieser Lieferungen könne er sich allerdings nicht mehr genau erinnern: „Ich war bekifft.“ Später sei er als Auslieferer „schon morgens zugedröhnt“ gewesen: „Ich war Dauerkonsument.“ Das Rauschgift habe er aus einer Garage in Kaiserslautern geholt, wo es gebunkert war, und die Drogen dann mit seinem Elektro-Roller ausgefahren. Auch habe er den Lagerbestand des Bunkers immer mal wieder aufgefüllt: „Ich hatte einen Schlüssel dazu.“ Hier seien „größere Mengen zwischen 10 und 20 Kilogramm“ gehortet gewesen. Rauschgift-Pakete seien ihm auch von den Angeklagten übergeben worden – so „von dem kleinen Marokkaner“.

Die Liste seiner Kunden, die er mit Drogen versorgte, fanden die Ermittler später auf seinem Handy, das er den Kriminalbeamten übergeben hatte. „Ich hatte einen bestimmten Kreis, an den ich geliefert habe“, erläuterte der 33-Jährige. Die Liste sei aber „immer wieder erneuert“ worden.

Staatsanwältin Karin Ephan und Staatsanwalt Christian Horras hatten den bislang überwiegend in Kaiserslautern und Umgebung lebenden 23- bis 35-jährigen Männern zu Beginn der drei parallel laufenden Prozesse mit jeweils zwei, drei und vier Angeklagten vorgeworfen, sich Mitte 2018 zusammengeschlossen und bis November 2020 gewerbsmäßig als Mitglieder einer Bande in über 100 Fällen im zweistelligen Kilogramm-Bereich mit Betäubungsmitteln gehandelt und Drogen im Wert von mehreren Millionen Euro umgeschlagen zu haben. Dabei sollen sie zunächst Rauschgifte wie Marihuana, Amphetamin, Kokain und Haschisch bei Lieferanten im Rhein-Main-Gebiet oder übers Internet erworben und schließlich in Zweibrücken, in der Südwest- und in der Saarpfalz gewinnbringend weiterverkauft haben.

Den Ermittlern kam zugute, dass es französischen Sicherheitsbehörden im Jahr 2020 gelungen war, den vornehmlich von Kriminellen genutzten und vermeintlich abhörsicheren Kurznachrichtendienst Encrochat zu hacken und die Daten zu entschlüsseln. Die Chatverläufe deutscher Nutzer wurden dann über das Europäische Polizeiamt (Europol) an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt. Es gab hunderte Festnahmen.

Gegen die Verwendung der ihrer Ansicht nach rechtswidrig gewonnenen Daten liefen die Verteidiger seit Beginn des Zweibrücker Verfahrens Sturm, verlangten ein Verwertungsverbot. Bislang ohne Erfolg. Ihre Anträge wurden allesamt von der Strafkammer zurückgewiesen (wir berichteten).

Gleichwohl ließ der Verteidiger eines der Angeklagten, der Frankfurter Rechtsanwalt Oliver Wallasch, auch in der jüngsten Sitzungswoche nicht locker. Er beantragte im Hinblick auf ein mögliches Beweismittelverwertungsverbot in einer sogenannten „Gegenvorstellung“ die Vorladung der im Fall Encrochat Verantwortlichen von BKA, Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und Europol.

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