Landgericht Zweibrücken Beschuldigter in Prozess ist gleich doppelt krank

Zweibrücken/Pirmasens · 26-Jähriger muss sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. Anklage geht von Schuldunfähigkeit aus.

Gibt es bei dem beschuldigten 26-jährigen Pirmasenser einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem bedrohlichen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und dem vorherigen Trinken eines selbst gemixten Medikamenten-Alkohol-Cocktails?

Der psychiatrische Gutachter von der Universitätsklinik Mainz, Sergiy Davydenko, hat diesen Zusammenhang am Dienstag im Landgericht Zweibrücken bejaht. Die Erste Strafkammer hat den 44-jährigen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie noch einmal gehört, nachdem sie einem diesbezüglichen Antrag von Staatsanwältin Elisabeth Schirmer entsprochen hatte.

Der Gutachter erklärte nun, dass der 26-Jährige unter gleich zwei Erkrankungen leide: einer Psychose und einer Polytoxikomanie. Von einer Psychose Betroffene leiden unter Realitätsverlust, Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Menschen mit einer Polytoxikomanie sind von verschiedenen ihre Psyche beeinflussenden Substanzen, beispielsweise Psychopharmaka und Schmerzmittel, abhängig.

Der psychiatrische Gutachter hatte in einer der vorangegangenen Verhandlungen empfohlen, den 26-Jährigen dauerhaft in einer geschlossenen Psychiatrie unterzubringen, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Er gab seinerzeit zu bedenken, dass für den 26-Jährigen, bei dem neben einer paranoiden Schizophrenie, gepaart mit einer Persönlichkeitsstörung, auch eine Drogen- und Alkoholabhängigkeit festgestellt wurden, ebenso eine zweijährige Einweisung in eine Entziehungsanstalt in Betracht käme (wir berichteten).

Der junge Pirmasenser muss sich seit Mitte Mai in einem Sicherungsverfahren verantworten. Staatsanwältin Schirmer warf dem 26-Jährigen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Dabei habe er Polizisten auch angegriffen und beleidigt. Allerdings ging die Staatsanwältin davon aus, dass der junge Mann im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte. Denn der Beschuldigte leide unter einer paranoiden Schizophrenie. Weil er „gefährlich für die Allgemeinheit“ sei, beantragte sie bei der Kammer, die Unterbringung des 26-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus nach Paragraph 63 des Strafgesetzbuchs (StGB) anzuordnen. Nun zieht die Staatsanwältin offenbar auch eine Verurteilung nach Paragraph 64 StGB, der die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vorsieht, in Erwägung.

Die Basis für ihre Überlegungen sei der Ablauf der „Anlasstat“, so die Staatsanwältin. Am Freitagvormittag des 29. Juni 2018 hatte der 26-jährige Drogenabhängige in seiner Kellerwohnung in der Pirmasenser Hauptstraße drei Polizisten mit zwei Küchenmessern bedroht. Die Beamten wollten den jungen Mann zurück in die Psychiatrie des Städtischen Krankenhauses bringen, von wo er wenige Stunden zuvor geflüchtet war. Was ihnen auch gelang – allerdings erst nach heftigem Widerstand des jungen Mannes. In seiner Wohnung hatte er zuvor einen Medikamenten-Alkohol-Cocktail zu sich genommen, was später ein toxikologisches Gutachten bestätigt hatte.

Am Tattag forderte er messerschwingend die Polizisten, die ihre Pistolen ob dieser Bedrohung bereits in Anschlag gebracht hatten, auf, ihn zu erschießen. „Er handelte offenbar in suizidaler Absicht“, sagte die Vorsitzende Richterin Susanne Thomas. Der Gutachter vermutete, dass der 26-Jährige seinerzeit nach Entzugserscheinungen aus der Pirmasenser Psychiatrie geflohen sei, „um zu Hause unter Suchtdruck Alkohol und Medikamente unkontrolliert zu sich zu nehmen“. Mit dem Eintreffen der Beamten sei die Sache dann bekanntermaßen eskaliert – dank des besonnen Handelns der Polizisten jedoch mit unblutigem Ausgang.

Die Behandlung der Suchterkrankung des 26-Jährigen sei notwendig und durchaus auch erfolgversprechend, sagte der Gutachter auf eine entsprechende Frage des Pirmasenser Rechtsanwalts Christian Zinzow, der den jungen Mann verteidigt.

Und Richterin Thomas schlussfolgerte: „Die Behandlung der Suchterkrankung muss also im Vordergrund stehen.“ Inwiefern diese Erkenntnis einen Einfluss auf das bald zu erwartende Urteil hat, bleibt aber abzuwarten.

Fortgesetzt wird das Verfahren am Montag, 29. Juni, um neun Uhr.

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