Landgericht als Theaterbühne

Zweibrücken · Die Erzählung „Illuminaten“ von Ferdinand von Schirach diente der Theatergruppe des Hofenfels-Gymnasiums als Grundlage für die Erarbeitung ihres Theaterstücks „Schuld“. Die Aufführung ging unter die Haut.

 Die Illuminaten bei der Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“. Rechts die Zeugin der Anklage, im Hintergrund das Gericht. Links oben die eingespielte Videosequenz. Foto: Volker Baumann

Die Illuminaten bei der Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“. Rechts die Zeugin der Anklage, im Hintergrund das Gericht. Links oben die eingespielte Videosequenz. Foto: Volker Baumann

Foto: Volker Baumann

Was tut ein Landgericht, wenn alle juristischen Institutionen in Zweibrücken schon Jubiläen gefeiert haben und ein eindeutiges Jubiläum fürs eigene Haus gar nicht festzulegen ist? Landgerichtspräsident Markus Gietzen und sein Stellvertreter Uwe Fischer setzten auf Kooperation und Wissenstransfer mit der Schule. Die Rechtsstaatlichkeit in die Gesellschaft bringen, ohne gleich tatsächlich Gerichtsalltag zu erleben, war die Absicht.

Diese Initialzündung fand bei der Theatergruppe des Hofenfels-Gymnasiums unter der Leitung von Camilla Sternheim optimalen Zündstoff und die interessierten Schüler brannten förmlich auf eine Umsetzung. Leitmotiv dabei: "Wir wollen mit unserem Stück zeigen, wie schwierig es ist, seinen Platz in der Welt zu finden." Wie kann man ein Thema, bei dem es um Schuld, Recht und Gerechtigkeit geht - hier ausgewählt aus dem Kurzgeschichten-Buch "Schuld" von Ferdinand von Schirach, anschaulich, aufrüttelnd und durchaus auch absichtlich schockierend, von zunächst einmal rechtlich unbedarften Schülern einem Publikum nahebringen? Das Ergebnis ist so verblüffend wie genial. Der altehrwürdige Sitzungssaal Nummer 1 im Zweibrücker Landgericht, laut Gietzen "früher Schwurgerichtssaal bei Mord und Totschlag", diente an drei Tagen als Kulisse und Theatersaal für jeweils über hundert Schöffen (Publikum), die am Ende der fiktiven Gerichtsverhandlung auch ihre Stimme in die juristische Waagschale werfen. 90-minütiges begeisterndes Schauspiel von hochmotivierten Schülern, ganz nahe am Publikum, modern umgesetzt mit multimedialer Technik und einer perfekten Regiearbeit. Tolle Effekte wie Spiel im Spiel, Rückblenden, Einspielungen, virtuelle Umgebungen und vor allem Mehrfachdarstellungen der Charaktere, verlangten vom gesamten Team eine selten zu sehende Disziplin und Choreographie.

Dabei klangen die Texte der Protagonisten niemals bloß auswendig gelernt, sondern durchaus schauspielerisch professionell. Die dramatische Geschichte dreht sich um den tragischen Anti-Helden und Außenseiter Henry, der seine Selbstverwirklichung sucht und über verständnislose Eltern zum Internatsbesuch gezwungen wird, wo er zum Spielball unausgeglichener Mitschüler wird. Exorzistische Rituale von Illuminaten, die sie aus Büchern kennen und von denen sie begeistert sind, möchten sie an dem Einzelgänger vollziehen. Dabei kommt auch eine Lehrerin durch einen Unglücksfall ums Leben.

Schauspiel , das neben Begeisterung auch Gänsehaut verursacht und mittendrin ist. Keine Bühne, sondern der Gerichtssaal, in dem Justitia immer präsent ist. Ovationen und Aussagen wie "Hohe Kunst", "genial", "gigantisch" und "in dieser Art noch nie gesehen", waren aus dem Publikum zu hören.

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