Zweibrücken hocherfreut über Verfassungswidrigkeit der unzureichenden Finanz-Ausstattung der Kommunen in Rheinland-Pfalz Aussicht auf Abbau des Schuldenberges

Zweibrücken · Mit großer Freude und Erleichterung hat die Stadt Zweibrücken das Verfassungsgerichts-Urteil aufgenommen, wonach das Land Rheinland-Pfalz den Kommunen mehr Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben muss.

 „Es geht darum, den Kommunalen Finanzausgleich vom Kopf auf die Füße zu stellen“, teilte Verfassungsgerichtshof-Präsident Lars Brocker mit. Die Stadt hofft infolgedessen, dass ihr Schuldenberg kleiner wird.

„Es geht darum, den Kommunalen Finanzausgleich vom Kopf auf die Füße zu stellen“, teilte Verfassungsgerichtshof-Präsident Lars Brocker mit. Die Stadt hofft infolgedessen, dass ihr Schuldenberg kleiner wird.

Foto: picture alliance / dpa/Peer Grimm

Der Verfassungsgerichtshof in Koblenz hat den derzeitigen kommunalen Finanzausgleich für unvereinbar mit der Landesverfassung erklärt. Das Land Rheinland-Pfalz hat bis zum 1. Januar 2023 eine Neuregelung zu schaffen, die den aufgabenbezogenen kommunalen Finanzbedarf als Grundlage berücksichtigt, urteilten die Richter am Dienstag nach Klagen der Stadt Pirmasens und des Landkreises Kaiserslautern (siehe Berichte auf Seite 1 und auf Seite 12).

Zweibrücken ist, nach Pirmasens, die pro Kopf am zweithöchsten verschuldete Stadt Deutschlands. Der Zweibrücker Bürgermeister und Finanzdezernent Christian Gauf (CDU) schrieb auf Merkur-Anfrage: „Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern stehen als Kläger auch stellvertretend für unsere gemeinsamen Anstrengungen im ,Bündnis für die Würde unserer Städte’ mit deutschlandweit mehr als 70 Kommunen und neun Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Die richterliche Feststellung des verfassungswidrigen Finanzausgleichs ist für uns Bestätigung und Etappenerfolg zugleich. Wir hoffen nun auf eine tatsächlich wirksame Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs, die bei den bedürftigen Kommunen auch ankommt, und appellieren zudem daran, den richterlichen Auftrag auch für ein tragfähiges Konzept zur kommunalen Altschuldenlösung zu nutzen.“

„Ab 2023 wird sich die Situation auch für unsere Stadt auf jeden Fall verbessern – das Urteil ist uneingeschränkt positiv“, freute sich Gauf in einem Telefonat mit dem Merkur. Die Klage der Nachbarkommunen sei auch über den rheinland-pfälzischen Städtetag mit Zweibrücken abgestimmt gewesen. Zweibrücken habe mittlerweile (trotz des seit einigen Jahren andauernden Niedrigzinsniveaus) einen Schuldenberg von 260 Millionen Euro angehäuft.

Dies geschah aber nicht aus eigener Schuld, verdeutlicht auch Gaufs Pressemitteilung: „Das kommunale Altschuldenproblem mit bundesweit mehr als 45 Milliarden Euro Dispokrediten ist nicht hausgemacht und konzentriert sich gerade auch auf das Land Rheinland-Pfalz. Eine Neuordnung des Gemeindefinanzsystems ist kombiniert mit einer Altschuldenlösung unabdingbar, um die zahlreichen betroffenen Städte handlungs- und entscheidungsfähig zu machen. Wir benötigen dazu einen angemessenen Soziallastenausgleich und eine Entlastung von den Zins- und Tilgungsverpflichtungen, die eben aus den vorgegebenen Sozialbelastungen entstanden sind und weiterhin entstehen.“ Hauptsächlich infolge der – gesetzlich vorgegebenen, aber nicht ausreichend gegenfinanzierten – Sozialleistungen seien allein die Liquiditätskredite Zweibrückens innerhalb von zehn Jahren um fast 100 Millionen Euro auf rund 185 Millionen Euro gestiegen. „Das ist sozusagen die Kontoüberziehung“, veranschaulichte Gauf in dem Telefonat.

Unmittelbare positive Auswirkungen für die Zweibrücker Bürger werde das Urteil zwar nicht haben, sagte Gauf, vielmehr werde das Urteil den Schuldenberg reduzieren. „Aber längerfristig gibt es sicher auch Auswirkungen, zum Beispiel wenn wir sonst mal wieder die Steuern anheben müssten. Und wir bleiben künftig entscheidungsfähig, können wieder mehr eigene Entscheidungen treffen.“

Erwartet die Stadt jetzt, dass im Vorgriff auf die vom Verfassungsgericht angeordnete Neuordnung 2023 die Kommunalaufsicht des Landes beim gerade beschlossenen Doppelhaushalt 2021/22 weniger streng als in den Vorjahren weitere Sparmaßnahmen verlangt? Auf diese Frage sagte Gauf, hierzu sei zwar noch nichts entschiede – aber nach den bisherigen Vorgesprächen gehe die Stadt ohnehin davon aus, dass sie grünes Licht bekommen werde.

Beruhigt zurücklehnen nach dem erfreulichen Urteil wird sich Zweibrücken aber noch nicht, macht der Schluss der (auch mit Oberbürgermeister Marold Wosnitza, SPD, abgestimmten) Stellungnahme deutlich: „Mit dem Rückenwind des rheinland-pfälzischen Urteils werden sich die Stadt Zweibrücken, die Stadt Pirmasens, der Landkreis Kaiserslautern und alle Bündnispartner weiterhin nachhaltig für die überfällige Neuordnung der Kommunalfinanzierung einsetzen.“

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