Kolumne Unsere Woche Tragikomödie von SPD und CDU

Fake-Profile sollten in der Politik tabu sei. Aber muss man deshalb gleich die Koalition kündigen, fragt Merkur-Redakteur Lutz Fröhlich.

Kolumne zu Karl Otto und der GroKo im Zweibrücker Stadtrat
Foto: SZ/Robby Lorenz

Das war wohl die Fake News mindestens des Jahrzehnts in Zweibrücken. „Die Partei“ hat sich am Mittwochabend in einer „Eilmeldung“ stolz die Zerstörung der großen Koalition im Stadtrat auf die Fahnen geschrieben: Eines ihrer Mitglieder habe auf Facebook das Fake-Profil „Karl Otto Müller“ angelegt, sich als Sozialdemokrat getarnt und derart gegen die CDU gehetzt, dass diese die Koalition gekündigt habe. Leider haben das einige Leute geglaubt. Dabei sollte schon der Absender misstrauisch machen: „Die Partei“ ist eine Satirepartei, deren Geschäftsmodell ist, merkwürdige Politik satirisch auf die Spitze zu treiben, um mit real wirkender Fiktion zum Nachdenken anzuregen.

Dass es sich bei dem Bekennerbrief um Satire handelt, ist schon zu ahnen, wenn die Handvoll Zweibrücker „Partei“-Mitglieder die Groko im Bund als nächstes Zerstörungs-Ziel ankündigt. Einfache Fakten-Checks lassen kaum Zweifel daran, dass „Die Partei“ erst seit einigen Tagen das Passwort für „Karl Otto Müller“ hat. Dieses Facebook-Profil existiert mindestens seit 2012, „Die Partei“ aber war vor Dezember 2016 in Zweibrücken überhaupt nicht präsent. Es wäre eine unvorstellbare Räuberpistole, dass ein einzelnes „Partei“-Mitglied systematisch sieben Jahre lang ein Profil betreibt, nur um die SPD/CDU-Koalition zu sprengen. Zumal das gerade der SPD hätte auffallen müssen, hat „Karl Otto Müller“ doch fleißig Zweibrücker SPD-Positionen geteilt und kommentiert und ist Facebook-Freund etlicher hiesiger Genossen. Besonders SPD-Ratsmitglied Walter Rimbrecht, der sich ganz oft in Diskussionen mit „Müller“ die Bälle zuspielte, hätte auffallen müssen, dass ihn da jemand stalkt und den Koalitionsfrieden im Visier hat. Was Rimbrecht aber nicht aufgefallen ist. Zum einen deshalb, weil es klare Indizien gibt, dass Rimbrecht selbst „Karl Otto Müller“ war. Zum anderen waren „Müllers“ Kommentare überhaupt nicht so schlimm, dass „Die Partei“ hätte erwarten können, damit die Koalition zu zerstören: Müller warb zwar im OB-Wahlkampf fleißig für SPD-Kandidat Wosnitza und gegen CDU-Kandidat Gauf, Kommentare unter der Gürtellinie erinnert aber weder der Merkur-Wahlkampfreporter noch hat die CDU solche Zitate vorgelegt.

Während man die „Partei“ so zu einer lustigen Satire gratulieren kann, geben SPD und CDU beide ein schlechtes Bild ab. Natürlich ist es unmoralisch, mit Fake-Profilen Politik zu machen – das gilt nicht nur für russische Trollfabriken! Die CDU ärgert sich zurecht über solche anonymen Statements. Dass sie aber deshalb gleich die jahrzehntelang inhaltlich erfolgreiche Koalition kündigt (ohne mit der SPD-Führung über den  Verdacht gegen Rimbrecht zu sprechen!), hat offensichtlich auch wahlkampftaktische Motive. Die SPD ist von allen guten Geistern verlassen, wenn sie einen Satiriker-Spaß für bare Münze nimmt, statt sich für von einem eigenen Mitglied gemachte Fehler zu entschuldigen. Sodass am Ende dieser Tragikomödie nicht nur Satirefreunde gewinnen dürften – sondern auch die kleinen Parteien.

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