Unsere Woche Auf beiden Linsen blind

Unser Autor hält die Pläne einer Videoüberwachung des ZOB in Zweibrücken für keine gute Idee.

 Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

Foto: Lutz Fröhlich

Die Politik steht im Medienzeitalter noch mehr als früher ständig unter Handlungszwang: Irgendein Missstand wird festgestellt oder herbeigeredet und dann muss dagegen etwas getan werden. Ob das, was dann getan wird, tatsächlich wirksam gegen besagten Missstand ist, rückt dagegen in den Hintergrund. Der Politiker kann zunächst einmal darauf verweisen, dass er ja sofort entschieden gehandelt hat (womöglich sogar in der ehrlichen Überzeugung, einen konstruktiven Lösungsvorschlag zu machen) und der besorgte Bürger fühlt sich ernst genommen. In der nächsten Woche wird dann die nächste Sau durchs Dorf getrieben und wenn besagter Missstand mal wieder an der Reihe ist, beginnt das Spiel von Neuem.

Die Videoüberwachung öffentlicher Plätze ist ein Klassiker dieses Handlungsmusters. Diverse Studien sind bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass Videoüberwachung Kriminalität nicht verhindert, sondern maximal in andere Gebiete verdrängt. Sie kann die Aufklärung bereits begangener Straftaten erleichtern. Das nutzt aber dem zusammengeschlagenen Passanten ebenso wenig wie dem Ladenbesitzer, dessen Schaufenster zerdeppert wurde.

Trotzdem wird die Videoüberwachung immer wieder gefordert. Als gäbe es das vom Bundesverfassungsgericht statuierte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht, das meiner Rechtsauffassung nach objektiv unwirksame oder nur wenig wirksame Maßnahmen in jedem Fall überwiegt. Mit diesem Grundrecht fremdelt der Deutsche aber in der Praxis sowieso, er entscheidet sich, vor die Wahl gestellt zwischen Freiheit und Sicherheit, immer für die Sicherheit (der damalige Bundesinnenminister Friedrich sah in der Sicherheit ein „Supergrundrecht“ – deutscher geht‘s nicht). Selbst dann, wenn er kaum etwas an Sicherheit gewinnt, aber reale Freiheit verliert (hier ließen sich einige Maßnahmen aus dem Anti-Corona-Katalog aufführen).

Partei-Stadtrat Aaron Schmidt hat absolut recht, wenn er darauf hinweist, dass die Straftaten am ZOB praktisch ausschließlich von Männern begangen werden. Alkoholisierten Männern meist, die ihr häufig bis ins dritte Lebensjahrzehnt wackeliges Ego hinter verbaler oder gar körperlicher Kraftmeierei verstecken müssen und dann unter Drogeneinfluss und Gruppenzwang völlig aus dem Ruder laufen. Macht es einem Menschen in dieser emotionalen Ausnahmesituation etwas aus, dass irgendwo eine Kamera hängt, die ihn vielleicht als Pixelhaufen im Hintergrund filmt? Wohl kaum.

Was ich stattdessen tun würde? Ich gebe zu, da habe ich auch nur den Klassiker „mehr Polizeistreifen“ zu bieten. Und die Frage, ob die steigende Gewaltbereitschaft nicht einen gesellschaftlichen Hintergrund hat, bei dem man ansetzen kann. Ich bin aber überzeugt, dass es eine schlechte Idee ist, nur zu handeln um etwas getan zu haben. Da ist dann häufig gut gemeint das Gegenteil von gut gemacht.

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