Klinik: Baumangel ermöglichte Flucht von Psychiatriepatienten

Alzey · Ein Konstruktionsfehler soll die Flucht zweier Psychiatriepatienten ermöglicht haben. Ein 24-Jähriger, dem die Ermittler versuchten Totschlag vorwerfen, ist weiterhin flüchtig.

Die Flucht zweier Psychiatriepatienten in Alzey ist nach bisherigen Erkenntnissen der Klinik wegen eines Baumangels möglich geworden. In einem Treppenhaus habe an den Fenstern eine Verklebung gefehlt, sagte der Geschäftsführer des Landeskrankenhauses, Gerald Gaß, gestern. So sei es möglich gewesen, die Scheiben aus dem Rahmen zu lösen und durch das Fenster zu entweichen.

Ein von der Polizei als möglicherweise gewaltbereit eingestufter 24-Jähriger ist weiterhin flüchtig. "Die Spur verliert sich am Bahnhof Wörrstadt", sagte ein Polizeisprecher. Der andere Ausbrecher, ein 38-jähriger Wohnungsloser, war noch am Dienstag nahe der Klinik festgenommen worden (wir berichteten).

Das Landeskrankenhaus geht davon aus, dass der 24-Jährige den Ausbruch über einen längeren Zeitraum plante. Nach der Entlassung aus der Klinik habe ihm eine Abschiebung nach Somalia gedroht. "Wir vermuten, dass er sich dem entziehen wollte", sagte Gaß. Beide Insassen seien in der Klinik nicht gemeinsam in Erscheinung getreten und in keiner erkennbaren Verbindung gestanden, ergänzte Gaß. "Wir vermuten deshalb, dass der 38-Jährige das offene Fenster gesehen hat - und die Gunst der Stunde genutzt hat."

Beide Männer waren wegen Gewaltdelikten im Zusammenhang mit Wahnvorstellungen in der Klinik untergebracht - auf einer besonders gesicherten Station in der forensischen Psychiatrie. Der gefasste 38-Jährige hatte laut Polizei Mitte Juli mit einem Messer auf einen Jogger in Dienheim eingestochen. Dem 24-Jährigen wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Er war seit September 2015 in Behandlung.

Dass sich beide innerhalb der Station frei bewegen konnten, war Teil des Therapiekonzepts. "Beide Patienten waren zu diesem Zeitpunkt nicht aggressiv. Es bestand auch kein Grund, eine Suizidgefahr anzunehmen", sagte die ärztliche Direktorin, Anke Brockhaus-Dumke. Erst wenn ein Patient sich oder andere gefährde, werde die Bewegungsfreiheit innerhalb der Station eingeschränkt. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht liege nicht vor.

Mit dem Ausbruch sei auch aufgrund der Gebäudekonstruktion nicht zu rechnen gewesen. "Das Gebäude wurde gemeinsam mit dem Landeskriminalamt und anderen Fachplanern entworfen", sagte Gaß.

Die Polizei warnte vor einer Kontaktaufnahme mit dem noch flüchtigen 24-Jährigen: "Rufen Sie die Polizei , treten Sie nicht an den Mann heran."

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