Kitzrettung Pirmasens/Zweibrücken Drei Wochen, die es in sich haben

Zweibrücken · Seit Tagen retten Tierschützer, die die frühen Morgenstunden nicht scheuen, fast täglich Rehkitze vor dem sicheren Tod. Felder werden kontrolliert, bevor die Bauern mit schwerem Gerät zu mähen beginnen.

 So sieht es aus, wenn ein Rehkitz zum Schutz vor dem Mähwerk in einem Korb geschützt wird. Steht die Grünfuttermahd an, geraten die Tiere leicht in das Mähwerk großer Landmaschinen und sterben qualvoll. Damit das nicht passiert, müssen sie vorher gefunden werden.

So sieht es aus, wenn ein Rehkitz zum Schutz vor dem Mähwerk in einem Korb geschützt wird. Steht die Grünfuttermahd an, geraten die Tiere leicht in das Mähwerk großer Landmaschinen und sterben qualvoll. Damit das nicht passiert, müssen sie vorher gefunden werden.

Foto: dpa/Patrick Pleul

„Elf Rehkitze, die wir aus den Wiesen-Feldern vertreiben konnten, vier Rehkitze, die in Waschkörben bis nach der Mahd gesichert waren und leider ein totes Kitz, weil wir das Feld zuvor nicht mehr bereinigen konnten“, meldet Naturschützer Mischa Pick als Ergebnis des Großeinsatzes mit mehr als zehn Ehrenamtlichen am frühen Samstagmorgen. Ab 5.30 Uhr waren die Helfer – zumeist Jäger – zwischen Mühlbach und Nünschweiler auf den hoch gewachsenen Wiesenstücken unterwegs, um Rehkitze vor dem sicheren Tod durch Mähwerk zu bewahren. Wieder einmal.

„Es sind ja nur drei Wochen im Jahr. Aber wir gehen alle auf dem Zahnfleisch und brauchen mehr Helfer“, bestätigt Ramona Oberle. Die 43-jährige Erzieherin, die im Kindergarten Thomas Mann in Zweibrücken arbeitet, erkannte bei ihrer Ausbildung zur Jägerin mit Erschrecken: „Es ist nicht hin und wieder einmal ein Kitz, das bei der Mahd ums Leben kommt oder verstümmelt wird. Es ist die Ausnahme, wenn in einem hohen Grasfeld kein Rehkitz abgelegt ist.“ Ihrem natürlichen Duckreflex folgend, bleiben die Kitze unbeweglich liegen, ganz gleich, was geschieht. In diesem Jahr, wo wegen des kalten Wetters erst später gemäht wird, sind bereits alle Kitze geboren und meist bereits mehr als agil.

Eine Tatsache, die den Kitz-Rettern ihren Auftrag gleichsam erleichtert, wie erschwert. Denn das Team, das größtenteils aus Jägern besteht, arbeitet mit allen Mitteln. Bereits abends erfolgt die „Vergrämung“. Grundstücke, die am nächsten Tag gemäht werden sollen, werden dafür zum Teil mit laut piepsenden Feuermeldern bestückt, um dort versteckte Tiere zu vertreiben oder ein Verstecken im Morgengrauen zu verhindern.

Mit Drohnen ausgerüstet, ziehen die Kitz-Retter dann bei Tagesanbruch los, um die Felder zu kontrollieren. Die Wärmebildkamera allerdings will verstanden sein: Liegt dort ein Kitz? Ein Hase? Oder handelt es sich um eine verlassene Liegestelle, die noch Wärme abstrahlt? Mit großen Köchernetzen bewaffnet, ziehen die Helfer durch die zum Teil hüfthoch gewachsenen Futter-Wiesen, um die jungen Tiere zu bergen oder zu vertreiben, bevor der Bauer mit seinem Mähwerk oder Kreiselmäher anrückt. Ein aufreibendes Geschäft.

Klatschnass von den taunassen Wiesen, mit Blessuren vom Ausrutschen auf dem feuchten Untergrund, müde vom Nachjagen eines Tieres oder der Kraftanstrengung, um ein mittlerweile kraftvolles Kitz zu bergen, kehren die ehrenamtlichen Helfer heim, um anschließend ihrem eigentlichen Tagewerk nachzugehen – um am nächsten Morgen erneut loszuziehen.

Mehrere Stunden lang werden in unterschiedlichen Gruppenstärken die Wiesen „abgeklappert“, die ihnen kooperative Landwirte rechtzeitig angegeben haben. Eine Sysyphus-Arbeit? „Wir freuen uns über jedes gerettete Tier und jede Kooperation“, betont Mischa Pick. Der 30-jährige Prozessplaner für Interlogistikanlagen und Jäger aus Pirmasens, der sich auch als „Food-Saver“ für die Umwelt engagiert, betreut gemeinsam mit Ramona Oberle in diesem Jahr vor allem die Wiesen rund um deren Heimatdorf Maßweiler. Doch immer wieder helfen die beiden Freunde auch bei ihren Jagdkollegen im Umfeld aus, etwa bei Jagdpächter Axel Stuppi aus Höh-Mühlbach oder auf dem Wahlerhof.

Wurden von den Ehrenamtlichen anfangs die Wiesenfelder in engmaschigen Menschengruppen durchkämmt, um abgelegte Rehkitze aufzufinden und vor dem sicheren Tod zu bewahren, übernimmt diesen Job heute meist eine Drohne. Eigens dafür hat Mischa Pick aus privater Tasche in das teure Equipement investiert und einen Drohnen-Führerschein absolviert. Mit der Flugkamera werden die Helfer zum Kitz geleitet.

Das Wildtier wird mit Handschuhen und Grasbüscheln in den Händen, damit es keinen Menschengeruch annimmt, geborgen und unter einem Wäschekorb sicher aufbewahrt, damit es nicht zurück springt ins Feld. Ist die Wiese abgemäht, wird es wieder freigelassen und von seiner Mutter aufgespürt. „Die kleinen Burschen sind mittlerweile sauschnell. Und stark“, stöhnt Axel Stuppi. Deshalb wird der beschützende Wäschekorb mit Weidepfosten gesichert, damit sich das zunächst aufgeregte Tier nicht selbst befreit. Das lautstarke Fiepen, mit dem das panische Kitz seine Mutter ruft, zeugt von dem Stress für das Tier. Doch die Alternative ist: unrettbar verstümmelt oder sofort tot.

„Es ist ja nicht so, dass die Bauern uns einen Gefallen tun, wenn sie uns rechtzeitig informieren und sich von uns helfen lassen, sondern unser aller Mitwelt und sich selbst“, verweist Mischa Pick auf die Rechtslage. „Denn schließlich sind es wir Menschen, die den Wildtieren immer mehr Lebensraum für unsere Zwecke wegnehmen und in ihren Lebensraum eindringen.“ Ein Wirbeltier zu verletzen oder gar zu töten ist in Deutschland eine Straftat.

Aus dem Duo ist bereits eine fünfköpfige Gruppe Gleichgesinnter geworden, die sich die Kitzrettung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Über „Food-Sharing“-Kontakte wird sie gelegentlich von Mitgliedern der Bürgerinitiative „ZW vernetzt“ unterstützt. „Unser Ziel ist es, ein großes Netzwerk aufzubauen, damit wir unseren Wirkungskreis vergrößern können“, erklären Mischa Pick und Ramona Oberle.

  Leonie Stuppi und das Helferteam beobachten den Drohnenflug, während Ramona Oberle und Mischa Pick die Wärmebilder checken  (v.l.).

Leonie Stuppi und das Helferteam beobachten den Drohnenflug, während Ramona Oberle und Mischa Pick die Wärmebilder checken (v.l.).

Foto: Cordula von Waldow
 Ramona Oberle holt ein Rehkitz aus dem Feld.

Ramona Oberle holt ein Rehkitz aus dem Feld.

Foto: Cordula von Waldow

Ebenso wichtig sei die Zusammenarbeit mit den Landwirten, die solche Maßnahmen ohne Hilfe gar nicht stemmen könnten. Ramona Oberle beschreibt: „Wir wollen eine feste Anlaufstelle für Helfer, Jäger und Landwirte ins Leben rufen und sind damit auf einem guten Weg.“ Kontakt über www.facebook.com. Stichwort in der Suchfunktion: Kitzrettung Zweibrücken – https://tinyurl.com/r67z2v5c

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