Kinderschutzbund muss Leute abweisen

Zweibrücken · Immer mehr Zweibrücker sind auf Lebensmittelspenden angewiesen, um über die Runden zu kommen. Vor allem Altersarmut spiele eine große Rolle, schildert Franziska Linse vom Kinderschutzbund. Dieser ist so überfordert, dass er seit drei Monaten keine neuen Bedürftigen mehr versorgen kann.

Der Zweibrücker Kinderschutzbund ist am Limit. Bereits seit etwa drei Monaten nimmt er über seine bisher registrierten rund 300 Familien, also etwa 1000 Leute, keine Bedürftigen mehr auf, an die er Lebensmittel verteilt. Außerdem werde man wegen des zu großen Arbeitsaufwandes nach dem Umzug ins alte Bauamt ab Anfang 2016 keine Großmöbel mehr verkaufen, weshalb diese künftig im städtischen Lager im City-Outlet-Keller unterkommen (wir berichteten). Das sagt die stellvertretende Vorsitzende Franziska Linse auf Merkur-Anfrage. "Bei der Lebensmittelausgabe verweisen wir auf die Tafel, die auch Essen verteilt. Wir schicken niemanden gerne weg, haben aber keine andere Wahl", so Linse. Klaus Garve, zweiter Vorsitzender der Tafel Heilig Kreuz sagt dazu: "Solange das bei uns gut geht, ist das in Ordnung."

Dreimal die Woche, neun bis 16 Uhr, kämen die armen Menschen, vor allem Altersarmut sei ein Riesenthema, zur Essensausgabe bei den Kinderschutzbund in die Alte Feuerwache. Samstag vor einer Woche sei während der Essensausgabezeiten "die Hölle" los gewesen, "wir haben das kaum noch geschafft", so Linse. Jeder, der dem Kinderschutzbund mittels amtlicher Dokumente oder Einkommensnachweis seine Bedürftigkeit nachgewiesen und eine Registrierkarte erhalten hat, kann sich Obst , Gemüse , Brot, Wurst, Kuchen und verpackte Lebensmittel mitnehmen. Die Angaben auf der Karte bestimmen die Menge, erklärt Linse. Wer etwa eine Familie mit drei kleinen Kindern habe, dürfe sich mehr nehmen als ein Alleinstehender. Wer solche Dokumente nicht hat, geht zwar nicht leer aus, kommt bei der Ausgabe aber als Letztes dran. Ein großes Problem außer den immer zahlreichen Bedürftigen sei, dass man mehr Lebensmittelspenden bräuchte. "Immer wichtig sind Lebensmittel, Joghurt , Obst oder Gemüse ", schildert Linse. Verschärfend dürfte sich hier auswirken, dass 2016 mit dem Pirmasenser Real-Markt ein wichtiger Spender wegfällt. Zu den wertvollsten Spendern zähle auch Globus Einöd in Sachen Backwaren, samstags spendeten die Zweibrücker Bäckereien fleißig. "Ich fühle mich nicht im Stich gelassen. Ich kann ja niemanden zwingen, uns zu spenden", sagt Linse. Groß sei die Spendenbereitschaft der Zweibrücker Bürger bei Kleidung, Wäsche, Elektrogeräten oder Küchenartikeln: "Das Lager ist zwar gut gefüllt. Doch das kann sich immer schnell ändern. Wir brauchen immer alles, von Kochtöpfen, über Bettwäsche, Winterkleider , Kinderwagen bis hin zu Elektrogeräten, etwa Plattenkochern für kleine Wohnungen." Die Waren werden in der Alten Feuerwache für wenige Euro an Bedürftige verkauft.

Bei der Zweibrücker Tafel Heilig Kreuz in der Canadastraße 32 ist man von der Situation, jemanden wegschicken zu müssen, noch ein gutes Stück entfernt. Klaus Garve, bald seit 13 Jahren bei der Tafel dabei, kann sich bei einem Zustrom von durchschnittlich 500 bis 600 Bedürftigen die Woche aber nicht erklären, warum man so gut dasteht: "Ich kenne die Probleme etwa bei der Tafel in Pirmasens und Homburg. Aber wir sind in glücklichen Lage, bisher durch Spenden alle befriedigen zu können". Dabei habe man vor einer Woche eine Spitze mit 202 Familien verzeichnet. Donnerstags sammele die Tafel in allen Bäckereien in Zweibrücken bis nach Martinshöhe Reste ein, dazu gebe es gespendete Backwaren von Globus, Gemüse , Obst , Wurst, Käse, Joghurt oder Milchprodukte, die kurz vorm Ablaufdatum stünden. Donnerstagsmorgens steuere man auch Filialen von Aldi, Lidl , Netto, Rewe, Edeka und den Pirmasenser Wasgau an. Wurst friere man ein, damit man die Rationen strecken könne. Außerdem zehre man noch vom Social Day bei John Deere am 23. Oktober. Damals hatten 55 Mitarbeiter freiwillig rund fünf Tonnen Lebensmittel in 1000 Tüten gespendet (wir berichteten). "Wir haben das nicht auf einmal rausgeschleudert, sondern auseinandergepackt. Ein Teil der Tüten wird als Weihnachtsgratifikation um Mandarinen oder Butter ergänzt und am 17. Dezember verteilt", schildert Garve. Jeweils donnerstags, 14.45 Uhr, findet die Essensausgabe statt, zunächst an etwa 60 immer gleich bleibende Personen: Alte, Kranke, Schwangere, Leute mit behinderten Kindern. Die folgenden müssten in einem rollierenden System Nummern ziehen, damit nicht der gleiche immer am Schluss dran ist. Auch die Tafel fertigt Karten nach Vorlage von Einkommensbelegen. "Im Januar müssen wir sehen, wie wir zu Rande kommen", blickt auch Garve in eine etwas ungewissere Zukunft, wenn die John-Deere-Spenden aufgezehrt sind. Ein ständiges Problem, das die Tafel trotz 42 freiwilligen Mitarbeitern umtreibe, sei die Überalterung. Der Schnitt liege bei 65 bis 70 Jahren.

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