Jüdische Stadtführung mit Tanja Schwab Als der Hass in Zweibrücken regierte
Zweibrücken · Gästeführerin Tanja Schwab führte rund 40 Teilnehmende zu den Spuren jüdischen Lebens in Zweibrücken.
Nur wenige Zweibrücker wissen, wem sie den Hallplatzbrunnen zu verdanken haben – ihrem jüdischen Mitbürger Fritz Guggenheim nämlich, der ihn der Stadt schenkte und der 1938 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Lange Zeit ging die Stadt Zweibrücken mit ihren Juden furchtbar um. Herzog Wolfgang wollte die Stadt „judenfrei“ halten, das verfügte er auch für seine Nachkommen in seinem Testament.
Von Beginn an war die Stadtführung zum jüdischen Leben in Zweibrücken spannend. Gästeführerin Tanja Schwab beschrieb den etwa 40 Teilnehmenden die Geschichte der Zweibrücker Juden sehr anschaulich und mithilfe von zeitgenössischen Bildern. Der erste in Zweibrücken geduldete Jude war der „Hofjude“ von Christian IV – von ihm lieh sich der Herzog Geld für seine kostspieligen Unternehmungen. Nach der Französischen Revolution änderten sich die strikten Gesetze gegen Juden. Nun wurde ihnen erlaubt, sich ihren Wohnort frei wählen zu können. In der Zweibrücker Judengasse befand sich die erste Synagoge der israelitischen Gemeinde in Zweibrücken, damals noch in einem Privathaus. Doch dort wurde es bald zu eng und mit dem Bau einer neuen Synagoge wurde im Jahr 1877 begonnen. Das 1879 eingeweihte Gotteshaus im maurischen Stil bot Platz für 150 Männer und 50 Frauen.
Lange stand das Gebäude allerdings nicht. Es wurde am 9. November 1938 angezündet und brannte bis auf die Grundmauern nieder, auch weil die Feuerwehr sich weigerte zu löschen. „Die Parole war: Lasst sie brennen“, berichtete Tanja Schwab.
In der ganzen Stadt sind Stolpersteine in den Gehweg eingelassen, sie erinnern an Juden, die hier einmal gewohnt haben. Sie waren ehrbare, anständige Bürger, die ihre Geschäfte betrieben und sich oftmals fürs Gemeinwohl einsetzten. Tanja Schwab erinnerte an Emil Dellheim und seine Frau Chana, die in der Mühlstraße lebten. „Der rothaarige Dellheim sah nicht aus, wie es das Klischee der Nazis glauben machen wollte“, bemerkte Tanja Schwab. Auf dem Bild, das sie herumzeigte, war ein offen dreinblickender Mann zu sehen, der in Zweibrücken eine Pferdemetzgerei betrieb. Als Ende 1939 alle jüdischen Geschäfte endgültig schließen mussten, ging er zurück in seine Geburtsstadt Mutterstadt, wo er im Zusammenhang mit den Gurs-Deportationen im Oktober 1940 verhaftet wurde. Im August 1942 kam er schließlich nach Auschwitz. Für seine Frau waren die Erlebnisse so traumatisch, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitt und mehrere Jahre in einer Heilanstalt verbrachte. Sie überlebte in einem französischen Sanatorium bis in die 1970er Jahre.
In der Fruchtmarktstraße befindet sich die ehemalige Parteizentrale der Zweibrücker NSDAP. Dort meldete Gauleiter Josef Bürckel stolz nach Berlin, dass Zweibrücken als erste Stadt des Reiches „judenfrei“ gemacht worden sei. Noch heute ist es unbegreiflich, warum die Zweibrücker dieses Menschheitsverbrechen aktiv unterstützen oder geschehen ließen. An der Unbeliebtheit der jüdischen Mitbürger kann es nicht gelegen haben. In der Kaiserstraße befand sich das Konfektionshaus Wilhelm Simon für gediegene Herren- und Knabenbekleidung, oder „Jud Simon im Zweibrücker Jargon“, wie Tanja Schwab erklärte. Man soll dort die Möglichkeit gehabt haben, anzuschreiben, wenn das Geld für den teuren Hochzeitsanzug nicht gereicht hat.
In der Pogromnacht zerstörten die Zweibrücker Bürger das Geschäft und wüteten in der Privatwohnung des Kaufmanns. Ein dort stehendes Klavier warfen sie kurzerhand aus dem Fenster. Dumm nur, dass sich später herausstellte, dass Wilhelm Simon kurz zuvor einen Teil seines Unternehmens, das jetzt in Schutt und Asche lag, arisiert und verkauft hatte. Mit den Worten „Heute ist es besonders wichtig, dass wir uns an diesen 9. November erinnern – das darf sich nie wiederholen“, schloss Tanja Schwab ihren Rundgang.