José vom Machu Picchu

Es ist Josés letzter Tag als Kellner in der „Flor do Caribe“, einem der vielen kleinen Kioske mit Snacks, Bier, Caipirinha und Áqua de Coco, die sich wie Perlen einer Kette in regelmäßigen Abständen an der Copacabana aneinanderreihen. Warum die Bar am Atlantik „Blume der Karibik“ heißt, habe ich mir erspart zu fragen.

 Kellner José. Foto: gab

Kellner José. Foto: gab

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Immer noch besser als die übliche Benennung der kleinen Lokale auf diesem Strandabschnitt nach Mobilfunkunternehmen, Fernsehstationen oder Spirituosenherstellern. José scheint hier jedenfalls am richtigen Platz. Vor einem Jahr kam der 21-Jährige Peruaner aus der Hauptstadt Lima nach Rio. Touristen erzählt er der Einfachheit halber gerne, dass er vom Machu Picchu kommt. Damit kann jeder etwas anfangen. Gut gelaunt flitzt José zwischen den gelben Tischen und Stühlen hin und her und wirft mir zwischendrin immer mal wieder ein paar Details seiner Geschichte zu. Dass hier alles ein bisschen lockerer sei als in seiner Heimat zum Beispiel. Sogar die Polizisten seien zu Scherzen aufgelegt. Gerade gestern sein einer bei ihm am Kiosk gewesen und hätte nach seinen Papieren gefragt. Sehr relaxed sei das gewesen, sagt José und zeigt mir in seinem Handy stolz einen Schnappschuss, auf dem er zusammen mit dem Beamten in die Kamera lächelt. Rio sei einfach eine verrückte Stadt, sagt er. Er hätte in dem Jahr so viele Geschichten erlebt, dass es schwer sei, sich jetzt auf eine festzulegen. Und dann, zwischen zwei Gästen, fällt ihm doch eine ein. Vor ein paar Wochen sei er beim Friseur gewesen, der ihn, statt einen Preis für seine Arbeit zu nennen, gefragt hat, ob er ihm seine schönen schwarzen, weichen und glatten Haare verkaufen wolle. José hat nicht lange überlegt. Das Angebot war gut. Jetzt hat er einen modernen Kurzhaarschnitt und dazu noch 100 Reais, umgerechnet etwas mehr als 30 Euro, mehr in der Tasche. José muss zurück zu seinen Kollegen, zwei Argentinier und zwei Brasilianer, alle tragen sie das gelbe Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft. Da sagt mal einer, Fußball verbindet nicht. Oder ist es in dem Fall die Arbeit? José jedenfalls verlässt Rio noch während der Fußball Weltmeisterschaft. Er hat ein Angebot bekommen, im brasilianischen Winter in einem Restaurant auf Ibiza zu arbeiten. "Die bezahlen besser", sagt er. Von der Weltmeisterschaft hat wohl nur sein Chef etwas. Trotzdem will der Peruaner nach drei Monaten wieder nach Brasilien kommen - und mit seinen verdienten Euro Búzios und Arraial do Cabo besuchen, wo es die seiner Meinung nach schönsten Strände im Staate Rio de Janeiros gibt.

Sabrina Gab, 35, geboren und aufgewachsen in Zweibrücken, reiste ein Jahr um die Welt, bevor sie Rio de Janeiro als neues Zuhause wählte. Dort lebt und arbeitet die ausgebildete Journalistin und Yogalehrerin seit zwei Jahren mit ihrem Partner und dem gemeinsamen Sohn Noah.

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