Johannes Oerding eröffnet 24 Veranstaltungen starkes Zweibrücker Open-Air-Festival „So schön“ war der Strandkorb-Auftakt

Zweibrücken · Während Helge Schneider bundesweit Schlagzeilen mit seiner Abneigung gegen „Strandkorb Open Air“-Konzerte gemacht hatte, zeigte Johannes Oerding beim Zweibrücker Festival-Auftakt, wie man das ungewohnte Format nutzen kann, um sich selbst und das Publikum in tolle Stimmung zu versetzen.

 Das „Lagerfeuer“ durfte nicht fehlen beim Strandkorb-Konzert von Johannese Oerding (in der Mitte markant mit Hut und Gitarre) bei seinem Auftritt in „Zweebrigge“ auf der ungewöhnlich hohen Bühne. Diese Bauweise erwies sich aber für die meisten Zuschauer durchaus als sehr sinnvoll.

Das „Lagerfeuer“ durfte nicht fehlen beim Strandkorb-Konzert von Johannese Oerding (in der Mitte markant mit Hut und Gitarre) bei seinem Auftritt in „Zweebrigge“ auf der ungewöhnlich hohen Bühne. Diese Bauweise erwies sich aber für die meisten Zuschauer durchaus als sehr sinnvoll.

Foto: Sebastian Dingler

„Seid ihr zum ersten Mal bei mir?“, fragte Johannes Oerding zwei seiner Zuschauer bei seinem Strandkorbkonzert auf dem Flugplatz Zweibrücken. Als diese bejahten, machte er einen bezeichnenden Spaß: „Ja, und wo wart ihr dann vorher? Bei Max Giesinger?“

Die Lacher waren Oerding sicher. Aber so ein bisschen traf er damit den Kern der Sache: Wo sind die Unterschiede zwischen Oerding, Giesinger oder etwa Philipp Poisel, Wincent Weiss und Tim Bendzko, die übrigens alle noch demnächst nach Zweibrücken kommen zu dem am Freitagabend von Oerding eröffneten Festival „Strandkorb Open Air Rheinland-Pfalz“, bei dem bis Ende August alle insgesamt 24 Events dieses Bundeslandes in Zweibrücken stattfinden? Die vorherige Generation deutscher Sänger hat so markante Stimmen, dass Imitatoren überhaupt kein Problem damit haben sie nachzumachen: Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Wolfgang Niedecken oder Peter Maffay erkennt man nach einem Ton. Bei den aktuellen deutschen Musikstars ist das weitaus schwerer. Sie sind alle gutaussehend, sympathisch und mit einer hervorragenden Stimme ausgestattet.

So ist das auch bei Oerding, der als Markenzeichen einen „Pork Pie“-Hut trägt. Vielleicht sollte man das so sehen: Oerding kann ja auch nichts dafür, dass die anderen ihm so ähnlich sind.

Übrigens, was er mit seiner Partnerin Ina Müller gemeinsam hat: Er redet gerne und viel. Als Erstes erkundigte sich der 40-Jährige nach der richtigen Aussprache von „Zweebrigge“, nämlich mit der Betonung auf der ersten Silbe („eine wichtige Information“). Dann fragte er, ob auch Leute im Publikum seien, die sich auf dem Weg zum Konzert zerstritten haben, sodass jetzt womöglich schlechte Stimmung im Strandkorb herrsche. Das war zum Glück nicht der Fall und so wurden die Pärchen aufgefordert, dem Partner mal ein Kompliment zu machen. „Sagt mal ‚Du bist so schön‘ zu dem anderen, egal wie er aussieht.“

Das war die Überleitung zum Song „So schön“, bei dem erst Frauen, dann Männer, dann die Leute mit den geraden Strandkorb-Zahlen, dann jene mit den ungeraden im Chor singen sollten. „Und jetzt alle mit einer Primzahl!“, trieb es Oerding anschließend auf die Spitze.

 Zu Beginn des Konzertes schien noch die Sonne - passend zum Strandkorb-Feeling.

Zu Beginn des Konzertes schien noch die Sonne - passend zum Strandkorb-Feeling.

Foto: Sebastian Dingler

Von einer Strandkorb-Aversion, wie sie Helge Schneider kürzlich mitten in seinem Strandkorb-Konzert in Augsburg befiel (der Jazz-Comedian brach verärgert das Konzert ab und sagte alle seine weiteren Strandkorb-Auftritte ab), keine Spur. Im Gegenteil, Oerding betonte immer wieder, wie sehr er sich darüber freue, endlich wieder vor vielen Leuten auftreten zu dürfen.

Mit 1500 Zuhörern war das Konzert übrigens ausverkauft. Auf den ersten Blick etwas eigenartig mutete der Bühnenaufbau an: Etwa zehn Meter hoch thronte die Band über dem Asphalt des Flughafens. Die ersten Reihen mussten da die Hälse ein wenig recken. Aber Sinn hat die ungewohnte Bühnen-Höhe schon: Schließlich sollte der Strandkorb vor einem nicht die Sicht versperren.

Erlaubt war unter den geltenden Coronaschutz-Bedingungen, an Ort und Stelle aufzustehen und zu tanzen – nicht aber, wie neulich bei einem Nena-Konzert in Berlin geschehen, dass die Leute an den Bühnenrand gehen. Zum Ausgleich dafür spazierte Oerding schon gleich zu Beginn des Konzerts einmal durch die Reihen, um Kontakt zu seinem Publikum zu aufzunehmen. Dabei trug er ordnungsgemäß eine Maske.

Irgendjemandem erzählte er, dass er nach der Show im Zimmer 512 in der Fasanerie aufzufinden wäre – natürlich nur als Scherz. Seinem Entdecker, dem Plattenboss Eckhart Gundel, widmete er anschließend den Song „Flieg mit mir“ – dieser hatte Oerding mit dem vierten Album den Durchbruch vorausgesagt, war aber 2013 kurz vor dessen Erscheinen verstorben. „Ich bin sicher, dass er auf einer Wolke sitzt mit einem viel zu vollen Glas Rotwein und Reval ohne Filter“, sagte Oerding als Reminiszenz.

 Johannes Oerding scherzte immer wieder mit dem „Zweebrigger“ Publikum – und ließ sich die korrekte Aussprache beibringen.

Johannes Oerding scherzte immer wieder mit dem „Zweebrigger“ Publikum – und ließ sich die korrekte Aussprache beibringen.

Foto: Sebastian Dingler

Auch den nächsten Song wollte der Sänger jemandem widmen: „Blinde Passagiere“ sang er für die Opfer, Betroffenen und Helfer der Flutkatastrophe. Allerdings kritisierte er auch: „Es fällt auf, dass die Solidarität immer nur gelingt, wenn etwas direkt vor der Haustür passiert. Wir sollten aber auch sonst über den Tellerrand hinaus denken und ein bisschen was abgeben für die, die es nicht so gut haben.“

Nach dem Hit „Anfassen“ ging die Show über in die Lagerfeuerrunde – Oerding hatte dazu gleich zu Beginn die Flammen über einer großen Schlüssel mit Holzimitat auflodern lassen. Seine Bandmitglieder habe er nämlich am Lagerfeuer kennengelernt, sie könnten auch alle Liederbücher auswendig. Mit „Country Roads“ ertönte als Erstes ein Klassiker, der wohl selten bei solchen Gelegenheiten ausgelassen wird.

Aber als dann noch „Man in the Mirror“, Nothing else matters“ und „Wonderwall“ erklangen, fragte man sich schon: Ja will er denn keine eigenen Songs mehr spielen für seine Fans? Doch, doch, mit „Hundert Leben“ ging es zurück zu den Oerding-Hits – den habe er schließlich am Lagerfeuer geschrieben, verriet er. „Alles brennt“ ist der Song, mit dem der Sänger bekannt wurde: „Dem bin ich verpflichtet, den muss ich spielen“, meinte er. Und natürlich durfte nicht „An guten Tagen“ fehlen, womit er den offiziellen Teil des Konzerts beendete: „Dieser Song wurde für solche Tage wie heute geschrieben.“

Klar, der Jubel und die Zugaberufe wären bei einem dicht an dicht stehenden 5000er-Publikum lauter gewesen. Doch auch so kam der Sänger natürlich wieder auf die Bühne und spielte noch seinen Song „Die guten Zeiten“: „Da schreibt man einmal im Leben einen EM-Song, und dann spielt die Mannschaft so einen Scheiß!“, meinte Oerding. Das Publikum erfreute sich aber auch an diesem Lied, wie überhaupt an dem ganzen Abend.

Fazit: Strandkorb-Konzerte sind schon mal besser und ein guter Schritt weiter Richtung Normalität als die eher stimmungsfreien Autokonzerte vom letzten Jahr.

Wer das Konzert verpasst hat, aber Oerding noch erleben möchte, hat in Zweibrücken schlechte Karten: Die Zusatzshow diesen Montag ist auch ausverkauft. Tickets gibt es (ebenfalls Stand Sonntag) aber noch für Oerdings beiden Strandkorb-Konzete am 6. und 7. Oktober am Bostalsee (Landkreis St. Wendel).

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