Jahresrückblick 2020 (Teil 2): Zweibrücker Wirtschaft Demag in Krise und zwei Wahrzeichen weniger

Auch die Zweibrücker Wirtschaft sorgte 2020 für viele spannende Nachrichten – gute, aber leider auch schlechte.

 Mit dem Abriss der ehemaligen Parkbrauerei-Gebäude in Zweibrücken ist ein Stück „Dirty Old Town“ (wie jemand liebevoll mit Graffiti oben auf ein Gebäude gesprayt hatte) verlorengegangen. Doch es gibt auch schon sichtbare Zeichen dafür, dass die attraktiven Pläne für das Gelände Realität werden.

Mit dem Abriss der ehemaligen Parkbrauerei-Gebäude in Zweibrücken ist ein Stück „Dirty Old Town“ (wie jemand liebevoll mit Graffiti oben auf ein Gebäude gesprayt hatte) verlorengegangen. Doch es gibt auch schon sichtbare Zeichen dafür, dass die attraktiven Pläne für das Gelände Realität werden.

Foto: Jan Althoff

Die erste große Wirtschafts-Schlagzeile des Jahres 2020 in Zweibrücken klang auf den ersten Blick negativ: „Kein Möbelhaus auf der Truppacher Höhe“Denn der interkommunale Zef (Zweckverband Entwicklungsgebiet Flugplatz Zweibrücken“ hob das Bebauungsplanverfahren auf. Offiziell mangels rechtlicher Realisierungschancen für die auf der Grünen Wiese geplante Verkaufsfläche von 45 000 Quadratmeter. Doch führende Zweibrücker Ratsmitglieder äußerten auch öffentlich Zweifel an dem Investor. Zudem hätten durch den überdimensionierten Möbelmarkt Arbeitsplatzverluste in Zweibrücken bei Möbel Martin gedroht, das als deutlich besserer Arbeitgeber gilt als das Möbelhaus, das Kleinppoppen an der Angel gehabt haben soll. Öffentlich brachte dieses Argument zwar niemand. Aber Contwigs Ortsbürgermeister Karlheinz Bärmann (CDU), dem eine Realisierung des Kleinpoppen-Projekts wohl deutlich mehr Gewerbesteuer beschert hätte, kritisierte: „Die Truppacher Höhe wurde für Möbel Martin geopfert.“

Im Juni dann beschlossen Zweibrücken, Pirmasens und die Südwestpfalz, ein gemeinsames Gewerbeflächen-Entwicklungskonzept zu erarbeiten. Der Anstoß dazu war auch von der Planungsgemeinschaft Westpfalz gekommen, deren Geschäftsführer Hans-Günther Clev die Möbelhaus- und frühere Discounter-Pläne für die Truppacher Höhe als abschreckendes Beispiel sah, dass man lieber „proaktiv“ auf zum jeweiligen Gelände passend und für die Region wichtige Branchen zugehen solle, statt jeden Investor willkommen zu heißen, der gerade eine Idee hat.

Gute Nachrichten gab es einen Tag nach dem Aus für das geplante Möbelhaus vom Nachbargelände: Das Zweibrücken Fashion Outlet meldete, 2019 erstmals über vier Millionen Besucher gehabt zu haben. Zu 2020 wurden noch keine Zahlen kommuniziert – doch absehbar ist: Wegen der Corona-Krise wird das Outlet-Center erstmals seit der Eröffnung 2001 einen Besucherrückgang verzeichnen.

Die erste wirklich überraschende Wirtschafts-Nachricht des Jahres 2020 folgte im März: Die Zweibrücker Immobilia GmbH verkaufte das ehemalige Evangelische Krankenhaus an die Helexier GmbH. Helexier kündigte krankenhausähnliche Angebote an, die Fortführung der Mietverträge mit den bereits ansässigen Praxen, „Wohnen mit Service“ für Senioren und Kurzzeit-Patienten sowie eine Kita. Helexier mit Sitz in Heltersberg (und laut Homepage Niederlassungen in Dubai und im luxemburgischen Remich) war laut Handelsregister erst kurz zuvor aus einer kleinen, öffentlich kaum in Erscheinung getretenen Riegelsberger Immobilienfirma hervorgegangen. Auf die Merkur-Frage nach den behaupteten jahrelangen Erfahrungen mit der Leitung von Pflegeeinrichtungen verwies Helexier auf Partnerfirmen in Luxemburg und Dubai, von denen eine auf den Verkauf medizinischer Geräte spezialisiert sei. Mittlerweile hat Helexier auch ein Berater-Gremium, das medizinische Kompetenz einbringt. Und seit Herbst bieten mindestens zwei (ansonsten in eigenen Praxen tätige) Mediziner Dependancen im Helexier-Gebäude an, informierte Helexier auf Facebook – eine Merkur-Anfrage zu diesen und weiteren angekündigten Ärzte-Ansiedlungen blieb unbeantwortet.

Dramatisch verlief das Jahr 2020 für den mit rund 1600 Beschäftigten größten Arbeitgeber in Zweibrücken, Tadano-Demag. Und dies, obwohl die Demag-Übernahme von Terex durch Tadano noch im Sommer 2019 von Arbeitnehmervertretern bis zum Oberbürgermeister (der dem Tadano-Präsidenten sogar einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt gewährte) als hoffnungsvolles Signal gewertet worden war. Doch Ende März stoppte der Kranbauer in seinen beiden Werken (Dinglerstraße und Wallerscheid) erstmals für gut einen Monat komplett die Produktion, Ende Juli erneut. Als Gründe würden Probleme in den Lieferketten infolge der Corona-Krise genannt. Im Nachhinein betrachte, hätte schon damals stutzig machen können, dass Tadano auch vage von „mehreren Gründen sprach“, während bei anderen Maschinenbaufirmen, darunter John Deere und Kubota, das Geschäft weiter gut lief. Anfang Oktober folgte dann eine noch viel beunruhigendere Hiobsbotschaft: Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beantragte Tadano beim Amtsgericht Zweibrücken ein Schutzschirmverfahren, ein Instrument des Insolvenzrechts. Am Tag vor Heiligabend dann reichte Tadano beim Amtsgericht Zweibrücken einen Sanierungsplan ein und kündigte für Anfang Januar wie geplant die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenregie an. Mit einer „Restrukturierung des Unternehmens in allen wesentlichen Bereichen“, insbesondere durch mehr Synergien mit Tadano-Faun in Lauf (Franken), soll es wieder eine gute Zukunft bekommen. Alle Werke bleiben erhalten – doch es wird wohl viele Kündigungen geben, denn Tadano-Demag hat eine Transfergesellschaft angekündigt. Wie viele Stellen abgebaut werden, wird erst im Januar verraten.

Viele emotionale Reaktionen rief eine weitere Hiobsbotschaft hervor: Nach über 70 Jahren schloss im Juni die Zweibrücker Bäckerei Schmidt. Wie beliebt sie war, zeigten auch die betroffenen und entsetzten Reaktionen auf Facebook, die Merkur-Artikel über die Schließung waren online die meistgelesenen des Jahres. Als Grund für das Aus nannte der Insolvenzverwalter den wachsenden Preisdruck durch Discounter-Backwaren, dazu sei dann die Corona-Krise gekommen. Anfang November dann die nächste traurige Nachricht für Familie Schmidt: Seniorchef Bernd Schmidt starb, nachdem er gesundheitsbedingt schon jahrelang nicht mehr in der Backstube stand.

Verloren hat Zweibrücken dieses Jahr auch zwei Wahrzeichen: Den Raiffeissen-Turm und die Ex-Parkbrauerei mit ihrem ebenfalls markanten Turm. Beides stand aber jahre- und jahrzehntelang leer, sodass der Verlust nur sentimentaler Natur ist) und letztlich nur Vorteile bringt: Das Nardini-Klinikum kann auf dem Raiffeisen-Gelände dringend benötigte Parkplätze anlegen, das Ex-Brauereigelände ist bereits aufwändig terrassiert worden, um dort ein Hotel, Pflegeeinrichtungen und Wohnhäuser zu bauen.

Weitere Wirtschafts-Nachrichten:

Die Gewobau zog im März in ihren modernen Neubau an Stelle der ehemaligen Passage Schreiner am ZOB um. Viel Lob erntete die Gewobau für die gelungene Generalsanierung des (im Vorjahr noch von der Schließung bedrohten) Minigolfplatzes an der Schließ. Das Ex-Finanzamt verkaufte die Gewobau an die Kaiserslauterer M4-Holding, die dort Wohnungen plant.

Experten-Rat folgende, hat der Stadtrat trotz erheblicher auch geäußerter Bauchschmerzen bei nur zwei Gegenstimmen erneut ein Einzelhandelskonzept beschlossen, das die Zweibrücker Innenstadt vor zu viel weiterer Konkurrenz auf der Grünen Wiese schützt.

Seit dem Verkauf 1996 an die Investoren-Familie Hummel hat sich auf dem Gelände der Weißen Kaserne, abgesehen von der sehr gelungenen Kommandantur-Sanierung und einem Abriss, nichts getan. Die Stadt hob deshalb im Mai die Sanierungssatzung auf, womit die Hummels nun keine städtebaulichen Fördermöglichkeiten mehr haben. „Wir können nicht dauerhaft Steuergelder blockieren für ein Projekt, das sich nicht weiterbewegt“, sagte OB Wosnitza.

Das Amtsgericht Pirmasens hat zwei ehemalige Kassierer der VR-Bank Südwestpfalz Pirmasens-Zweibrücken zu jeweils drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt (von allen Seiten angefochten). Sie hätten über 16 Jahre hinweg 1,139 Millionen Euro für sich beiseite geschafft.

Trotz wachsender Konkurrenz durch billige Online-Banken und trotz Corona-Krise: Sparkasse Südwestpfalz und VR-Bank Südwestpfalz sind wirtschaftlich weiter stabil aufgestellt. Damit das auch so bleibt, und sie weiter für die Region da sein können, haben beide 2020 aber auch einschneidende Maßnahmen umgesetzt. So baute die VR-Bank ihre Kontoauszugsdrucker ab, die Sparkasse schloss Filialen unter anderem in Niederauerbach, Hornbach, Wallhalben und Rieschweiler-Mühlbach. Ihre Filiale in Zweibrücken geschlossen hat die Hypovereinsbank.

Finanziell schlechte Nachrichten hatte 2020 die Stadt für die Bürger: Die wiederkehrenden Beiträge für den Straßenausbau werden verdoppelt, die Grundsteuer ebenfalls nächstes Jahr erhöht. Weil Mörsbacher sogar das Achtfache des alten innerstädtischen Beitrags zahlen sollten, verzichtet man dort lieber ganz auf die Erneuerung holpriger Straßen.

Personalquerelen beim DRK: Nach „persönlichen Differenzen kündigte der Zweibrücker DRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Mario Sauer. Das DRK-Präsidium kündigte ihm zehn Tage danach fristlos und zeigte Sauder an, weil er sich Überstunden ausbezahlt habe. Der kommissarische Nachfolger Hans Prager wird zum 1. Januar offiziell Geschäftsführer.

Uwe Schlote, in Zweibrücken bereits Eigentümer und Betreiber des Gestüts Birkhausen, hat der Stadt das Haus Bickenalb abgekauft. Aus dem leerstehenden Ex-Altenheim soll eine psychosomatische Tagesklinik werden.

Zum Verkauf steht die Zweibrücker Eishalle, zusammen mit der gesamten „World of Fun“. Der Betreiber (bislang auch Eigentümer) will aber bleiben.

Der Zas (dem Zweckverband Abfallverwertung Südwestpfalz gehört auch Zweibrücken an) hat den Verkauf des Müllheizkraftwerks in Pirmasens-Fehrbach für 49 Millionen Euro zum 1.1.2024 an den privaten Betreiber „Energy from Waste“ beschlossen.

Viele gute Nachrichten gab es 2020 in Zusammenhang mit der Bahn: Die Reaktivierung der Strecke Zweibrücken–Homburg kam mit der Billigung der Entwurfsplanung durch den Bund einen entscheidenden Schritt voran. Der neue Haltepunkt „Rosengarten“ wird 2021 gebaut. Und im der Gewobau gehörenden Bahnhofsgebäude eröffneten auch noch eine Post-Zweigstelle und eine VRN-Mobilitätszentrale.

Fast fertig ist das „Haus Kana“ in der Canada-Siedlung, die ersten Bewohner sollen Mitte Januar in die neue Altenpflegeeinrichtung des Diakoniezentrums Pirmasens einziehen.

 Wochenlang hallten im Januar und Februar die Schläge der kleinen Abrissbirne durch die Stadt, bis der 37 Meter hohe Raiffeisen-Turm dem Erdboben gleichgemacht war. Dort ist ein Parkplatz fürs Nardini-Klinikum geplant.

Wochenlang hallten im Januar und Februar die Schläge der kleinen Abrissbirne durch die Stadt, bis der 37 Meter hohe Raiffeisen-Turm dem Erdboben gleichgemacht war. Dort ist ein Parkplatz fürs Nardini-Klinikum geplant.

Foto: Mathias Schneck
 Der Kranbauer Tadano-Demag (hier das Werk Dinglerstraße) lag 2020 ziemlich am Boden. Um wirtschaftlich wieder hochzukommen, sind für 2021 einschneidende Veränderungen geplant. Doch alle Standorte bleiben.

Der Kranbauer Tadano-Demag (hier das Werk Dinglerstraße) lag 2020 ziemlich am Boden. Um wirtschaftlich wieder hochzukommen, sind für 2021 einschneidende Veränderungen geplant. Doch alle Standorte bleiben.

Foto: Lutz Fröhlich

Der Zweibrücker Kleinbagger-Hersteller Kubota feierte einige Erweiterungen mit dem Pflanzen von 64 japanischen Kirschbäumen.

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