Kreisjagdmeister Rolf Henner Ärger über neues Jagdgesetz

Südwestpfalz · Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf erstellt, der viele Änderungen im Landesjagdgesetz vorsieht. Unter anderem sollen hochträchtige Muttertiere auf Anordnung der Behörden geschossen werden und Tiere nach einem Unfall länger leiden müssen. Die Vorlage bringt nicht nur Gemüter der Tierschützer zum Kochen, sondern beleidigt auch die Jäger, sagt Kreisjagdmeister Rolf Henner.

 Kreisjagdmeister Rolf Henner ist unzufrieden mit dem Entwurf für ein neues rheinland-pfälzisches Jagdgesetz. Das werde eine Verschlechterung der Lage mit sich bringen.

Kreisjagdmeister Rolf Henner ist unzufrieden mit dem Entwurf für ein neues rheinland-pfälzisches Jagdgesetz. Das werde eine Verschlechterung der Lage mit sich bringen.

Foto: dpa/Philipp Schulze

Blanke Empörung und grenzenloses Unverständnis ruft der neue Entwurf des Landesjagdgesetzes bei Rolf Henner hervor. Seit 1996 ist er als Kreisjagdmeister in der Südwestpfalz Berater der Unteren Jagdbehörde, als Vorsitzender des Kreisjagdbeirats für die Belange der Jäger zuständig und Vorsitzender der Prüfungskommission für die Jägerprüfung. Nicht nur, dass die Vorschläge der Jägerschaft in dem Gesetzentwurf in keiner Weise berücksichtigt worden seien und die geplanten Vorschriften völlig an der Praxis und dem Naturschutz vorbeigingen. Nein: Die Vorlage enthalte auch Passagen, die schon nahezu beleidigend auf Jäger wirken müssten, erzählt der 71-Jährige.

Das fängt schon gleich mit dem fünften Paragrafen der Gesetzesvorlage an: Dort ist zu lesen, dass Jäger respektvoll mit anderen Jägern und der Bevölkerung umgehen müssen. „Das ist eine Frechheit, dass man sowas schreiben muss. Das ist eine Selbstverständlichkeit“, interpretiert Henner diesen Absatz als Beleidigung. Respektvoller Umgang sei schließlich in keinem anderen Gesetz so vorgeschrieben.

Ebenfalls als Kränkung sieht er das ausdrückliche Verbot in Paragraf 37 an, bei der Jagd durch Felder zu laufen, die kurz vor der Ernte stehen: „Das macht kein Mensch. Sowas war vorher nie Thema.“ Indem die Landesregierung solche Ge- und Verbote explizit in einem Gesetzentwurf ausformuliert, unterstellt sie den Betroffenen, dass dies notwendig ist, weil sie sich vorher anders verhalten haben. „Das ist eine Unverschämtheit. So viel Anstand hat jeder“, sagt Henner entrüstet.

Einen klaren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sieht Henner in einer geplanten Änderung: Diese sieht vor, dass die Untere oder Obere Jagdbehörde anordnen kann, Muttertiere abzuschießen, sobald ihre Jungen nicht mehr gesäugt werden, also etwa ab Oktober.

Nach der alten Verordnung war das frühestens im Januar des Folgejahres erlaubt, „aber dann wurde in der Regel das Jungtier ebenfalls erlegt“, erklärt Henner. Denn Rehkitze oder Frischlinge seien auch nach der Säugephase stark auf ihre Mütter angewiesen: „Sie folgen ihnen, um beispielsweise zu lernen, wo Nahrungsplätze sind und wie sie sich bei Gefahren verhalten sollen. Jetzt irren sie möglicherweise durch den Winter und überleben es vielleicht nicht.“

Warum aber sollte eine Jagdbehörde überhaupt anordnen, Muttertiere früher zu schießen? „Man will das Wild reduzieren, um Schäden am Wald zu verhindern“, lautet Henners Erklärung. Doch die geplante Regelung bewirke das Gegenteil: „Dadurch gibt es mehr Schäden, weil die verunsicherten Jungtiere tagelang in der Nähe der Abschussstelle bleiben und dort komprimiert die Wiese und junge Bäume schädigen, statt die gesamte Umgebung zu nutzen.“

Um den Wildbestand zu reduzieren verlange die Vorlage auch, hochträchtige Muttertiere zu schießen und damit gleichzeitig die Ungeborenen zu töten. Das war laut Henner immer ein Tabu: „Das ist eine Frage der Ethik.“

Jetzt werde Pflanzenschutz über Tierschutz gestellt. Und das Gesetz impliziert, Jägern seien Wald und Wiesen egal. „Natürlich beschäftigt das Thema Waldsterben auch die Jäger schon lange. Wir wollen mit den Forstämtern zusammenarbeiten. Aber das Gesetz würde Jagd und Forst spalten. Und genau das wollen wir nicht“, zeigt Henner die Folgen auf.

Zutiefst enttäuscht von dem Entwurf ist er auch, weil dieser an den Vorstellungen der Jäger komplett vorbeigehe: „Wir sind davon ausgegangen, dass wir mit rund 20 000 Mitgliedern im Landesjagdverband auf Augenhöhe mit der Landesregierung stehen.“ Vor zwei Jahren habe das Ministerium bei dem Verband angefragt, welche Änderungen es im Landesjagdgesetz geben sollte. „Dazu haben wir auch Stellung bezogen, aber wir wollten nur Kleinigkeiten im Bezug auf bürokratische Dinge“, so Henner. Umso überraschter sei die Jägerschaft gewesen, als man ihr die neue Gesetzvorlage präsentierte, in die kein einziger ihrer Vorschläge eingeflossen sei.

Stattdessen werde den Jägern in einigen Neuregelungen sogar noch Kompetenz abgesprochen: „Eine weitere Unverschämtheit.“ Wenn ein Tier nach einem Wildunfall noch lebt, so lag es bisher an dem zuständigen Jäger, zu beurteilen, ob das Tier noch eine Überlebenschance hat oder ob er es von seinem Leid erlöst. In der Gesetzvorlage steht, dass künftig ein Tierarzt, das Forstamt oder eine Tierauffangstation die gesundheitliche Verfassung des Tieres beurteilen müsse. Der Jäger solle es lediglich erschießen, wenn gewünscht. „Wir erbringen dann nur noch eine Dienstleistung“, sagt Henner verärgert. Außerdem sei es tiergerechter, das Tier gleich zu erlösen: „Sonst leidet es Qualen, bis der Zuständige da ist.“

Eine geplante Neuerung lässt die Jägerschaft ratlos zurück: Jeder, der ein Grundstück außerhalb von Ortsgrenzen besitzt, ist automatisch Mitglied der Jagdgenossenschaft. Diese entscheidet, ob in dem Jagdbezirk, in dem das Grundstück liegt, gejagt werden darf und wenn ja, welcher Jäger dafür zuständig ist. Nur dieser darf auch anderen erlauben, dort zu jagen, nicht der Grundstückseigentümer.

Nach Paragraf 17 des Gesetzentwurfs dürfen Eigentümer anderen Personen die Jagd auf ihrer Fläche erlauben. Dann kann es schnell unübersichtlich werden, wer wann und wie auf dem Grundstück auf die Jagd geht. Wie das in der Praxis gehandhabt werden soll, sei in dem Text nicht geregelt.

2025 soll die neue Fassung des Landesjagdgesetzes in Kraft treten. Für den Kreisjagdmeister ist klar: „Der Entwurf muss komplett weg und es muss neu verhandelt werden.“ Sollte das nicht geschehen, werden die Jäger ihre kostenlosen, freiwilligen Dienstleistungen einstellen. Sie werden sich zum Beispiel weigern, Tierkadaver an Straßen aufzusammeln und zu entsorgen. Nur in Zweibrücken haben sich die Jäger dazu verpflichtet, weil die Stadt ihnen im Gegenzug die Steuer auf die Jagdpacht erlässt. Doch in Pirmasens und dem Landkreis sei das nicht der Fall.

Für Wölfe im Pfälzerwald sind Jäger übrigens nicht zuständig. Diese dürfen ohnehin nicht geschossen werden, da sie unter das Washingtoner Artenschutzabkommen fallen, sagt Henner. „Die bisherigen Sichtungen sind Einzelfälle. Solange es keine Rudel gibt, ist das kein Problem“, entwarnt der Jagdexperte. Auch der Luchs bereite der Jägerschaft keine Sorgen, da auch dieser keine Rudel bilde. Deshalb sei auch dieser für den Abschuss tabu.

„Wir befürworten die Artenvielfalt im Pfälzerwald“, gibt Henner ein klares Statement dazu ab. Jagd sei auch ohne Gewinn für die meisten mehr als ein Hobby, betont der Jäger: „Man investiert viel Geld in die Ausrüstung und viel Zeit in eine professionelle Ausbildung. Man macht das aus Überzeugung. Das ist eine Passion.“

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