Denkmalgeschütztes Ensemble in Zweibrücker Innenstadt Umstrittenes Neubauten-Projekt neben Villa Schwinn geplatzt

Zweibrücken · Erbengemeinschaft sieht Absprung des Investors „mit einem weinenden und einem lachenden Auge“. Jetzt werden neue Käufer gesucht.

 Repräsentativer Gründerzeit-Bau: Der Eingang der (früheren Fabrikanten-)Villa Schwinn. Sie steht auf einem 5700 Quadratmeter großen Grundstück

Repräsentativer Gründerzeit-Bau: Der Eingang der (früheren Fabrikanten-)Villa Schwinn. Sie steht auf einem 5700 Quadratmeter großen Grundstück

Foto: Lutz Fröhlich

Eines der größten Wohnungsneubau-Vorhaben der vergangenen Jahre in Zweibrücken ist gescheitert. Auf dem Gelände der Villa Schwinn sollten rund 100 Wohnungen entstehen. Doch die Villa-Schwinn-Erbengemeinschaft teilte am Dienstagnachmittag mit: „Die Firma IRUS (Saarbrücken), die auf dem Gelände der Villa Schwinn bauen wollte, hat ihr Angebot zurückgezogen.“

Das Projekt von IRUS (Immobilienvermittlung, Renditeobjekt-Planung und -Service GmbH) war in Zweibrücken umstritten. Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) begrüßte es als Beitrag zur Belebung der Innenstadt – doch einige Denkmalfreunde protestierten heftig gegen die Pläne, da die vier geplanten mehrgeschossigen Neubauten fast so hoch wie die Villa Schwinn geplant waren und diese optisch zu erdrücken gedroht hätten. Ebenso kritisierten die Denkmalfreunde, dass, um Platz für die Neubauten zu schaffen, die Remise (frühere Kutschenhalle) des denkmalgeschützten Gesamtensembles der Villa Schwinn abgerissen werden sollte.

In der von Ginetta Schwinn und Werner Schulitz unterzeichneten Pressemitteilung der Erben heißt es: „Die Erbengemeinschaft sieht die Entwicklung mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Zum einen wohnen fast alle Erben nicht mehr in Zweibrücken und haben ihre Lebensmittelpunkte an ihren aktuellen Wohnorten. Die Verwaltung, Pflege, und Renovierung einer so großen denkmalgeschützten Immobilie kostet viel Zeit und Geld. Deshalb wollten die Erben die Villa und das gesamte Grundstück verkaufen. Andererseits sind sie mit dem Gebäude emotional noch verbunden und sie hoffen auf eine Nutzung, die den Charakter einer Gründerzeitvilla möglichst gut erhalten kann.“

 Die Villa Schwinn wurde 1894 erbaut.

Die Villa Schwinn wurde 1894 erbaut.

Foto: Jan Althoff

Die Erhaltung solcher Baudenkmäler übersteige aber leicht das Vermögen von Privatleuten, insbesondere aber das der Erben: „Der Erbauer der Villa war immerhin Fabrikant in der Gründerzeit und konnte die Einkünfte der Nagelfabrik zur Gestaltung eines repräsentativen Wohnsitzes nutzen. Die gegenwärtigen Erben haben keine solchen Einnahmequellen und haben daher einem Verkauf an IRUS zugestimmt, die ja auch viel neuen Wohnraum in Zweibrücken geschaffen hätte.“

Die Pressemitteilung schließt: „Die Erbengemeinschaft wird die Villa jetzt weiter zum Kaufe anbieten und sie hofft, dass die Freunde der Baudenkmäler in Zweibrücken jetzt mitbieten.“

Hat sich das „lachende Auge auch durch die intensive Debatte in Zweibrücken entwickelt? Immerhin hatten die Erben in einer Pressemitteilung im Februar 2020 noch geschrieben, der „Denkmalcharakter“ der Villa werde „mit der geplanten Neubebauung nochmals hervorgehoben“? Schulitz sagte dazu am Dienstag auf Merkur-Nachfrage, man habe neue Wohnungen für Zweibrücken immer positiv gesehen. Die von IRUS geplanten Neubauten seien aber „ziemlich massive Sachen gewesen“, sodass Schulitz einräumt: „Es ist nicht schön, solche Klötze an dieser Stelle.“ Schulitz schließt auf weitere Nachfrage aber für die Zukunft aber Neubauten auf dem 5700 Quadratmeter großen Gelände nicht aus. Schon vor dem Kaufoptions-Vertrag mit IRUS-Einstieg hatten die Erben jahrelang nach Käufer gesucht, die Vermarktung sei also schwierig. „Wir würden gerne einen Käufer finden, das ist die Nummer eins für uns.“ Dann könne man über konkrete Pläne reden.

Wie groß ist für die Erben der Zeitdruck? Im Februar 2020 hatten sie den geplanten (später von der Stadt per Bauvorbescheid erlaubten) Remise-Abriss damit begründet, nur so lasse sich der teure Erhalt des – architektonisch unstrittig wesentlich bedeutsameren – Villa-Hauptgebäudes finanzieren: „Wenn eine wirtschaftliche Nutzung des Grundstückes nicht mehr möglich ist, wird das dazu führen, dass die erhaltenswerte Villa nicht mehr erhalten werden kann.“ Jetzt klingt das weniger dramatisch. Der Zeitdruck sei „mäßig“, so Schulitz: „Es muss keiner von uns verkaufen. Wir können uns auch noch morgens Brötchen kaufen, ohne zu verkaufen.“

Zum geforderten Verkaufspreis äußerte sich Schulitz noch nicht, die aktive Vermarktung habe auch noch nicht begonnen. Infolge der öffentlichen Diskussion über die Villa Schwinn hätten sich schon mal Interessenten gemeldet, mit denen man damals wegen der vertraglichen Bindung an IRUS aber nicht gesprochen habe. Dies solle nun geschehen. Schulitz, der heute in Ludwigsburg lebt, betont: „Uns liegt die Villa Schwinn am Herzen. Ich selbst bin dort aufgewachsen. Wir wollen das Haus auf jeden Fall erhalten.“ Nun hoffe man auf einen Käufer. Dass die Stadt Käufer werden könne, glaube er nicht: „An die hatten wir uns vor etwa drei Jahren schon mal gewandt, aber die kannten niemand, der Interesse hatte.“

 Dass die Remise (Gebäude vorn im Bild) trotz Denkmalschutz abgerissen werden darf, hatten die - nun zurückgetretenen – Investoren sich schon per Bauvorbescheid von der Stadt bescheinigen lassen.

Dass die Remise (Gebäude vorn im Bild) trotz Denkmalschutz abgerissen werden darf, hatten die - nun zurückgetretenen – Investoren sich schon per Bauvorbescheid von der Stadt bescheinigen lassen.

Foto: Lutz Fröhlich

Die Stadtverwaltung sieht den Rückzug von IRUS offensichtlich nur mit weinenden Augen. Sie mailte am Dienstag auf Merkur-Anfrage, ob die Stadt einen Kauf prüfe: „Wir bedauern, die aktuellen Entwicklungen rund um das Gelände der Villa Schwinn. Wir hätten uns gewünscht, dass das Gelände zukunftsfähig hätte entwickelt werden können und hoffen, dass sich wieder Kaufinteressenten finden. Die Stadt selbst erwägt keinen Kauf des Geländes. Unser defizitärer Haushalt lässt den Erwerb eines Grundstückes nicht zu, das mit einem doch beachtlichen Kostenaufwand zu sanieren bzw. zu bebauen wäre.“

Nicht ganz so eindeutig kaufablehnend positionierte sich auf Merkur-Anfrage die Gewobau. Es handele sich „natürlich um eine interessante Liegenschaft mitten in der Innenstadt“, sagte Jörg Eschmann, Geschäftsführer der städtischen Wohnungs-GmbH. Die Gewobau hatte in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon 25 Millionen Euro in für die Stadt(entwicklung) wichtige Gebäude investiert – ist dadurch allerdings finanziell an Grenzen gestoßen (wir berichteten). Eschmann schließt deshalb einen Kauf der Villa Schwinn „nicht kategorisch aus, aber momentan würde ich eher nein sagen“. Der klare Fokus der Gewobau liege nämlich auf der wichtigen Sanierung des eigene Wohnungsbestands, auch um immer mehr Wohnungen barrierefrei und altersgerecht zu machen. Man habe bislang auch keinen Kontakt zu den Schwinn-Erben.

IRUS bestätigte auf Merkur-Anfrage, von der Kauf-Option zurückgetreten zu sein, äußerste sich aber nicht zu den Gründen.

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