Im Schutz der Madonna

Mouterhouse · Sie steht nicht hoch „droben“ wie in einem Gedicht von Ludwig Uhland und schaut auch nicht „ins Tal hinab“. Die Kapelle von Mouterhouse liegt in der Kurve einer engen Waldstraße am Rand der gleichnamigen Ortschaft, unweit der wuchtigen Vaubanfestung von Bitsch, einst gebaut zum Schutz irdischer Machtansprüche.

 14 Figuren – je sieben pro Seite – getrennt nach Frauen und Männern, suchen Schutz unter dem Mantel der Madonna. Unter ihnen Glasbläser, Hüttenarbeiter, Bauern, Bürger und Adelige. Das Licht taucht sie in bunte Farben. Fotos: Georg Bense

14 Figuren – je sieben pro Seite – getrennt nach Frauen und Männern, suchen Schutz unter dem Mantel der Madonna. Unter ihnen Glasbläser, Hüttenarbeiter, Bauern, Bürger und Adelige. Das Licht taucht sie in bunte Farben. Fotos: Georg Bense

Die Kapelle von Mouterhouse (deutsch: Mutterhausen) wurde 1505 im Auftrag des Grafen Reinhard von Zweibrücken-Bitsch errichtet, der die an Wäldern und Weihern reiche Region als Jagdgebiet mit ergiebigen Fischgründen nutzte. Sein Jagdschlösschen, einst als ruhender Pol im wilden Jagdtreiben gedacht, ist heute längst verschwunden. Nur im Wappen der Gemeinde Mouterhouse ist noch ein Hinweis auf fürstliches Jagdvergnügen zu finden: neben dem Lothringer Doppelkreuz eine stilisierte Tanne, darunter ein Jagdhorn. Damals hieß der Ort "Munterhausen" und war ein geschäftiger Standort von Hütten und Hammerwerken am Ufer der nördlichen Zinsel, die in die Moder mündet, die 85 Kilometer weiter im Rhein ihr Ziel findet. Heute wird in Mouterhouse (rund 300 Einwohner) nicht mehr produziert. "Alt Schmelz", "Hammerkopf", "Kleinhammer" - Ortsnamen halten die Erinnerungen an traditionelle lothringische Industrien wach, Opfer ständig wechselnder Grenzlandzeiten.

An die "fliehenden Stunden des Lebens" erinnert in deutscher Sprache die mahnende Inschrift der Sonnenuhr über dem Eingang zur Kapelle, die eigentlich auf die heiteren Stunden des Lebens geeicht ist. Von außen kaum vermutet, erstaunt ein hoher, langgestreckter Raum den Besucher. Ein Rundbogen trägt die Decke über wenigen Gebetsbänken, einem eisernen Gestell mit herunterbrennenden Kerzen und einer kleinen Marmortafel: "Merci à Marie". Dank für eine überstandene Krankheit, eine glückliche Heimkehr, für eine lang ersehnte Schwangerschaft vielleicht. "Maria breit' den Mantel aus, mach Schirm und Schild für uns daraus." Zahllos sind die Bitten an die barmherzige Madonna , die Himmelskönigin, die schützende Mutter Gottes, die hoch aufgerichtet und aus einem Stück Holz geschnitzt, auf dem Altar der Apsis steht. Mit weiter Geste breitet sie die Arme aus, um - wie der Kunsthistoriker Günter Metken anmerkt - symbolisch "das ganze lothringische Volk" schützend unter ihrem Mantel zu versammeln. Wenn die Sonne durch das Buntglas der Fenster fällt, kann der Raum zum Ort kontemplativer Gedankenwelten werden. Dann erscheinen die Figuren der Schutzsuchenden, getrennt nach Geschlechtern, zur Linken und zur Rechten der Madonna in Farben getaucht, die sie in der Vorstellung des Betrachters in einem imaginären Licht erscheinen lassen. Eindrücke, die nur zeitweise und wetterbedingt den Spiritus loci suggerieren, abhängig vom Zug der Wolken über der Kapelle. An regengrauen Wintertagen erscheinen die 14 Figuren, sieben auf jeder Seite der Madonna aus dem 18. Jahrhundert, dann wirklichkeitsnäher: Glasbläser, Hüttenarbeiter, Waldarbeiter und Bauern, Bürger und Adelige. Sie alle suchen und erbitten die Fürsprache der Heiligen und folgen damit auch einer Tradition, die in früheren Zeiten Pflicht der Mächtigen und ein Recht der Verfolgten war: Schutz zu gewähren und zu erhalten. Schutzmantelmadonnen gibt es seit dem 13. Jahrhundert. Heute über die gesamte christliche Glaubenswelt verbreitet, stehen sie auch als Symbol für die Forderungen zur Erklärung der Menschenrechte, die das Recht des Einzelnen auf persönliche Sicherheit und Freiheit garantieren sollen. Nicht nur auf dem Papier.

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