Campus Zweibrücken „Viele Trends zeigen in die richtige Richtung“

Zweibrücken · Der Physiker und Zukunftsforscher Ulrich Eberl ist zu Gast am Hochschul-Campus Zweibrücken. In seinem Vortrag bewertet er fundiert die stärksten Hebel zur Lösung der gegenwärtigen Krisen. Klimapanik will er dabei nicht verbreiten.

 Der Physiker und Zukunftsforscher Ulrich Eberl glaubt, dass nicht nur die aktuellen Krisen gewaltig sind, sondern auch die Chancen: Erneuerbare Energien, Künstliche Intelligenz, Kreislaufwirtschaft, Bio- und Medizintechnik eröffnen ungeahnte Möglichkeiten.

Der Physiker und Zukunftsforscher Ulrich Eberl glaubt, dass nicht nur die aktuellen Krisen gewaltig sind, sondern auch die Chancen: Erneuerbare Energien, Künstliche Intelligenz, Kreislaufwirtschaft, Bio- und Medizintechnik eröffnen ungeahnte Möglichkeiten.

Foto: Ulrich Eberl/privat

Gerade bedrohen zahlreiche Krisen nicht nur die Umwelt, sondern auch das Überleben der Menschheit. Am kommenden Mittwoch, 16. November, wird der Physiker, Wissenschaftsautor und Zukunftsforscher Ulrich Eberl in einem Vortrag am Campus Zweibrücken Lösungsstrategien aus der Wissenschaft vorstellen und spannende Projekte aus den führenden Labors der Welt vorstellen. Der Pfälzische Merkur hat vorab mit ihm gesprochen.

Was halten Sie gerade für die größte Herausforderung, der wir uns auf der Welt zu stellen haben?

Ulrich Eberl: Die größte Gefahr ist, dass angesichts von Ukrainekrieg und Energieknappheit, Pandemie, Wirtschaftskonflikten und Inflation die existenziellen Umweltkrisen aus unserem Blickfeld geraten. Klimawandel und Abholzung der Regenwälder, Artensterben und Vermüllung der Meere – all das bedroht letztlich das Überleben unserer Zivilisation. Mehr noch: Diese Umweltkrisen sind alle miteinander und auch mit den politischen Krisen verknüpft. Das Schlimmste aber wäre, dass in 50 Jahren mehr als zwei Milliarden Menschen lebensfeindliche Regionen mit Jahresmittelwerten von über 29 Grad Celsius bewohnen müssten, Tag und Nacht bei brütender Hitze – mit fatalen Folgen: Migrationswellen, Wirtschaftskrisen, internationale Konflikte und Kriege. Vermutlich werden wir schon bis 2030 die 1,5-Grad-Marke gerissen haben, die die Welt eigentlich nicht überschreiten wollte. Wir müssen dringend handeln, jetzt!

Wie bewerten Sie die Geschwindigkeit, mit der Reformen gerade umgesetzt werden, die den Klimawandel aufhalten sollen?

Ulrich Eberl: Vor genau 50 Jahren haben Astronauten auf ihrer letzten Mondmission ein berühmtes Foto geschossen: die blaue Murmel der Erde, die über der lebensfeindlichen Oberfläche des Mondes aufging – mit ihrer hauchdünnen verletzlichen Atmosphäre. Dieser Moment hätte der Startpunkt sein müssen für nachhaltigeres Wirtschaften und Umweltschutz auf unserem Planeten. Doch das Gegenteil war der Fall. Heute blasen wir jedes Jahr doppelt so viele Treibhausgase in die Luft wie vor 50 Jahren. Wir müssen alle Bereiche der Weltwirtschaft grundlegend umgestalten. Dekarbonisierung heißt das Motto – weg vom kohlenstoffreichen „Energydrink“ der fossilen Energien: Wir müssen Energie gewinnen ohne Kohle, mobil sein ohne Öl, heizen ohne Erdgas, bauen ohne Beton, wirtschaften ohne Müll, denken in Kreisläufen und uns nachhaltiger ernähren – leben mit der Natur, nicht gegen sie.

Was kann uns Hoffnung machen?

Ulrich Eberl: Viele Trends zeigen in die richtige Richtung: Nie haben sich mehr Deutsche vegan oder vegetarisch ernährt als heute – über neun Millionen sind es bereits, bei den unter 30-Jährigen schon fast jeder Fünfte. Wind- und Solarstrom sind weltweit bereits billiger als Kohlestrom. Der Elektromobilität gelingt der Durchbruch, selbst grüner Wasserstoff wird bald günstiger sein als der aus Erdgas. Das Potenzial dieser Hebel ist enorm. Als Biophysiker, Zukunftsforscher und als jemand, der 23 Jahre lang in den Zentralen von Daimler und Siemens gearbeitet hat, bevor ich mich 2016 selbstständig machte, bin ich überzeugt davon, dass wir die Lösungen bereits in der Hand haben.

Gibt es einen Schwerpunkt, den Sie bei Ihrem Vortrag behandeln wollen?

Ulrich Eberl: Mir ist vor allem wichtig, keine Klimapanik zu verbreiten, sondern eine positive, Mut machende Botschaft: Der jetzt nötige Wandel ist machbar, und die Lösungen sind auch wirtschaftlich, ökologisch und sozial sinnvoll – wir kennen „unsere Überlebensformel“ bereits, wir müssen sie nur endlich umsetzen. Wir müssen nicht nur unsere Art des Wirtschaftens ändern, sondern auch unsere Art zu leben. Dabei geht es gar nicht so sehr um Verzicht, wie viele meinen, sondern im Gegenteil sogar um eine Zunahme an Lebensqualität. Denn es ist wohl kaum zu bestreiten: In einer Stadt der kurzen Wege mit wenig Autoverkehr und großzügiger Begrünung lebt es sich stressfreier. Weniger Fleisch und Fertigprodukte sind gesünder. Strom vom Solardach ist gut fürs Klima, für den Geldbeutel – und wichtig für eine sichere Energieversorgung unabhängig von Staaten mit viel Öl-, Gas- und Kohlevorkommen. Außerdem: Ein Wald oder ein Korallenriff mit reichem Tierleben hilft nicht nur der Artenvielfalt, sondern beschert auch wunderbare Urlaubserlebnisse.

Der Vortrag „Unsere Überlebensformel – neun globale Krisen und die Lösungen der Wissenschaft“ findet mit Unterstützung des Vereins Zweibrücker Freundeskreis am Mittwoch, 16. November, 19 Uhr, in der Aula am Campus Zweibrücken statt.

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