Vortrag beim Historischen Verein „Hinaus in die Natur“ war die Devise

Zweibrücken · Beim Vortragsabend des Historischen Vereins Zweibrücken im Kapellenraum der Karlskirche berichtete Bernhard H. Bonkhoff von den Malerdörfern Grötzingen bei Karlsruhe und Obersteinbach in den französischen Nordvogesen.

 Bernhard H. Bonkhoff stellte dem Publikum beim Historischen Verein die Malerkolonie Obersteinfach vor.

Bernhard H. Bonkhoff stellte dem Publikum beim Historischen Verein die Malerkolonie Obersteinfach vor.

Foto: Susanne Lilischkis

Es muss eine lustige Gesellschaft gewesen sein, die sich am Ende des 19. Jahrhunderts im elsässischen Dorf Obersteinbach eingefunden hatte. Dort, im Gasthaus Fricker-Sensfelder, das heute Hotel Anthon heißt, trafen sich zahlreiche Künstler, um dem gerade aufgekommenen Trend der Freiluftmalerei nachzugehen. Die beinahe in Vergessenheit geratene Malerkolonie aus Grötzingen bei Karlsruhe, deren Mitglieder in den Sommer- und Herbstmonaten nach Obersteinbach zogen, war kürzlich das Vortragsthema von Bernhard H. Bonkhoff beim Historischen Verein Zweibrücken.

Der emeritierte Pfarrer aus Großbundenbach hat eine persönliche Beziehung zu dem kleinen Ort in den Nordvogesen. Als Kind machte er mit seinen Eltern selbst dort Urlaub. Und so war der Vortrag auch geprägt von den ganz persönlichen Erinnerungen des Referenten.

„Hinaus in die Natur“ war die Devise der Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Kunst-Avantgarde verließ die Salons, sie wandte sich von den opulenten Ölgemälden ab und versuchte das Licht und den Zauber der Natur einzufangen. „Die Idee der Maler war, dem Kitsch den Kampf anzusagen“, erklärte Bernhard H. Bonkhoff, „und so schufen sie farbige Lithografien von der Landschaft rund um Obersteinbach.“

Den Besuchern zeigte er eine Auswahl von Werken, vor allem von Franz Hein und Gustav Kampmann. „Das sieht heute noch genauso aus, nur hier und da fehlt eine Birke“, bemerkte er zu den Landschaftsbildern. Der verwunschene Wald und die Burgen der Vogesen inspirierten Franz Hein zu Märchenbildern. Nixen und wilde Bären bevölkern die Werke des Leipziger Professors der Malerei, der jedes Jahr die beschwerliche und lange Reise nach Obersteinbach auf sich nahm.

Neben den Kunstwerken zeigte Bernhard H. Bonkhoff auch Fotografien der Künstler. So war Franz Hein mit seiner „braunen Geliebten“ – seiner Zigarre – zu sehen. Auf einem anderen Foto stehen zwölf Frauen in einer Reihe vor dem Gasthaus. Das waren die Malweiber, wie sie wenig schmeichelhaft von ihren Zeitgenossen genannt wurden. Es waren Frauen, die um das Jahr 1900 vor der Natur malten und dazu mit Staffelei, Pinsel und Palette ins Freie zogen. Da sie als Frauen noch nicht zum Kunststudium zugelassen waren, mussten sie ihre Kunst in privatem Unterricht und in Malschulen lernen. Mit langen, hochgeschlossenen Kleidern und großen Hüten saßen sie unter ihren Malschirmen in der Sonne, vor sich eine Staffelei.

In Obersteinbach wirkten unter anderem die Künstlerin Dora Horn-Zippelius, die 1912 in Karlsruhe gemeinsam mit der Bildhauerin Eugenie Kaufmann den Bund Badischer Künstlerinnen gründete, Luise Pollitzer, Marie Peppmüller und Jenny Fikentscher. Letztere war die Frau des Tiermalers Otto Fikentscher. Jenny brachte fünf Kinder zur Welt, die in einem unkonventionellen und bohèmehaften Künstlerhaushalt aufwuchsen. Jenny kümmerte sich selbst um ihren großen Garten und entwickelte sich dabei zu einer hervorragenden Gärtnerin. Noch im hohen Alter verkaufte sie auf dem Karlsruher Wochenmarkt Obst und Gemüse aus ihrem Garten und war wegen ihres unkonventionellen Lebensstils eine stadtbekannte Persönlichkeit.

Nicht nur Werke der Bildenden Kunst sind aus Obersteinbach erhalten. Auch Einträge in das Gästebuch der Malerkolonie zeigte Bernhard Bonkhoff. Dieses Gästebuch wurde im vergangenen Jahr, zusammen mit einem Dutzend Arbeiten der Malerkolonie, in einem Obersteinbacher Privathaus entdeckt. Marianne Knapp, die Schwester von Elly Heus, der Gattin des späteren Bundespräsidenten, schrieb zum Beispiel: „Ich wollt’ ich wär, hoch, hoch am Wasigenstein.“

1918, mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, löste sich die Malerkolonie in Obersteinbach auf und geriet lange in Vergessenheit. Jetzt haben sich der Obersteinbacher Heimat- und Kulturverein und der Grötzinger Künstlerbund zusammengetan, um in einem deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekt mit Ausstellungen die Geschichte der Malerkolonie aufzuarbeiten.

In Obersteinbach wird bereits im Herbst dieses Jahres eine solche Ausstellung veranstaltet. Begleitend wird ein ausführlicher Katalog erscheinen, herausgegeben von Bernhard H. Bonkhoff. „Obersteinbach ist nur eine knappe Sunde Autofahrt von Zweibrücken entfernt“, riet er dem Publikum, „fahren Sie mal dorthin“.

Beim nächsten Vortragsabend des Historischen Vereins Zweibrücken am Mittwoch, 10. April, um 19 Uhr im Kapellenraum der Karlskirche wird Roland Paul unter dem Titel „Wo man hinsieht, alles Fremde“ über die Auswanderung nach Amerika berichten. Nichtmitglieder sind wie immer herzlich willkommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort