Interview Heinz Rudolf Kunze „Ich stehe nirgendwo“

Im Merkur-Interview spricht der Sänger Heinz Rudolf Kunze über seine Songs, sein Selbstverständnis und politische Einordnungen. Der 62-Jährige tritt am 1. Februar im Rahmen seiner „Schöne Grüße vom Schicksal“-Tour in der Zweibrücker Festhalle auf.

 Heinz Rudolf Kunze gastiert in Zweibrücken.

Heinz Rudolf Kunze gastiert in Zweibrücken.

Foto: picture alliance / dpa/Rolf Vennenbernd

Bei Wikipedia steht in Ihrem Eintrag als Erstes die Berufsbezeichnung „Rocksänger“, wie finden Sie das?

Kunze Da hat Wikipedia ausnahmsweise mal keine Scheiße geschrieben! (lacht) In Ermangelung eines genaueren Begriffs sehe ich mich als solcher. Was ich mache, ist deutschsprachige Rockmusik, ja. Ich weiß nicht, wie Leute darauf kommen, mich als Liedermacher zu bezeichnen. Ist Herbert Grönemeyer ein Liedermacher? Das ist doch auch ein deutschsprachiger Rocksänger. Liedermacher, das sind für mich Leute wie Reinhard Mey, Franz-Josef Degenhardt, Konstantin Wecker und Hannes Wader. Also Musiker, die doch ausschließlich sehr sehr leise Musik machen und die einen starken Einfluss vom Chanson haben. Das ist bei mir sehr gering, ich bin durch und durch anglo-amerikanisch geprägt und das hört man auch bei meinen leisen Stücken. Aber wir arbeiten eben auch mit E-Gitarren und Keyboards. Ich glaube, es gibt kaum einen deutschen Rocksänger, der so extreme Dinge getan hat auf seinen Alben wie ich.

Sie haben ja ein Album mit Coverversionen gemacht, auf dem Roy Blacks „Ganz in weiß“ genauso drauf ist wie „Der Mussolini“ von DAF oder „Haus der Lüge“ von den Einstürzenden Neubauten…

Kunze Ich wollte halt mal ein Potpourri machen von all dem, was in den letzten 50 Jahren in Deutschland so passiert ist, wollte mal die ganze Spannweite auf eine Platte kriegen.

Außer in Zweibrücken verläuft Ihre Tour ausschließlich durch Großstädte - wie kam es, dass Sie zu uns in die Provinz kommen?

Kunze Das müssen Sie die Veranstalter fragen. Wenn wir eine Tournee planen, geht ein Angebot bundesweit raus, und dann kommt es drauf an, wer zugreift und uns haben will. Warum das in dem Fall nicht Saarbrücken geworden ist, weiß ich nicht. Aber ich spiele überall da, wo mein Auto anhält!

Sind Sie Bayern München-Fan?

Kunze Was? Wie kommen Sie denn darauf?

Sie hatten mal in einem Interview geäußert, dass Sie bei einem Spiel Bayern gegen Real Madrid mitgefiebert hätten…

Kunze Bei internationalen Spielen hält doch jeder Fan für die deutschen Mannschaften, das ist doch wohl selbstverständlich! In der Bundesliga ist das natürlich wieder was anderes. Ich bin seit meiner Kindheit Werder Bremen-Fan. Ich hasse es, wenn die Bundesliga öde wird, weil die Bayern immer gewinnen. Gott sei Dank ist es diese Saison mal anders.

„Dein ist mein ganzes Herz“ - spielen Sie den Song noch?

Kunze Natürlich.

Sind Sie eher froh damit, hauptsächlich durch diesen einen Song bekannt geworden zu sein oder verfluchen Sie das manchmal?

Kunze Meinen Sie, Klaus Meine (Sänger der Scorpions) hat jeden Abend Lust zu pfeifen (gemeint ist das gepfiffene Intro des größten Scorpions-Hits Wind of Change)? Aber natürlich verfluche ich den Song nicht. Leute, die ihren größten Hit verfluchen, sind ja nicht ganz bei sich. Das ist undankbar der Nummer gegenüber, die einem so viel Aufmerksamkeit gebracht hat. Dass ich das inzwischen auf Autopilot spiele, ist auch klar. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass mir Hunderte meiner anderen Songs wichtiger sind als dieser. Habe auch immer gesagt, dass es mir ein Rätsel ist, warum der nun gerade so erfolgreich wurde. Aber es ist halt so, das muss man akzeptieren (lacht).

Erinnern Sie sich noch, wie Ihnen dieser Refrain eingefallen ist mit dem markanten „Dein“?

Kunze Das lag daran, dass die Musik schon fertig war und ich die Melodie von Heiner Lürig bedienen musste. Dann war das so eine Phrase, die mir in den Sinn kam auf einer Autofahrt von Hamburg nach Hannover. Als in Hamburg eingestiegen sind, habe ich angefangen und so bei Fallingbostel, etwa in der Mitte, hab ich gesagt, halt mal an, ich glaub, ich hab’s. Dann hab ich ihm das vorgelesen und dann meinte er, das probieren wir mal. Das war ein seltener Treffer, denn normalerweise fange ich mit dem Text an.

Wie finden Sie diese Flut an neuen deutschen Sängern wie Clueso, Tim Bendzko, Max Giesinger - was fällt Ihnen zu denen ein?

Kunze Wenig. Ich kenne deren Musik kaum, habe dazu keine Meinung. Ich höre eigentlich nur englischsprachige Musik und meine eigene reicht mir an deutschsprachiger (lacht).

Wen mögen Sie von Ihren Kollegen am meisten?

Kunze Sympathien gibt es da einige. Das ist ja ganz klar. Wenn man jahrzehntelang in diesem Gewerbe unterwegs ist, dann gibt es in dieser Berufsgruppe genauso Sympathien und Antipathien wie bei Ärzten und Rechtsanwälten. Ich selber bin befreundet mit Tobias Künzel von den Prinzen, mit Purple Schulz, auch mit Herman van Veen. Mit denen fühle ich mich geradezu blutsbrüderlich verbunden. Ein sehr gutes Verhältnis habe ich auch zu Marius Müller-Westernhagen, zu Udo Lindenberg, zu Wolfgang Niedecken und Peter Maffay. Ich bin, so weit ich das überblicken kann, mit keinem in Feindschaft.

Ich habe jetzt noch ein heikles Thema, von dem ich nicht weiß, ob Sie darüber überhaupt noch sprechen möchten: „Willkommen liebe Mörder“ heißt ein Song von Ihnen, der 2014 erschienen ist und vor allem von rechter Seite als zuwanderungsfeindlich interpretiert wurde.

Kunze Tja, an dem Thema kann man natürlich einiges lernen über das Verhalten von Hörern. Mein Lied selbst, das habe ich oft genug erklärt, war nichts weiter als eine Nacherzählung von Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“. Dieses berühmte Stück gehört heute leider nicht mehr zum Lehrstoff an Schulen. Das Theaterstück war eine Parabel über das aufkommende rechte Gedankengut in einem Land sowie die Arglosigkeit und Dummheit der Spießbürger, die auf dem rechten Auge blind sind. Davon sollte mein Lied auch handeln. Dass man es als nutzbar für Fremdenfeindlichkeit empfindet, finde ich merkwürdig, wo es doch im Text heißt, dass es um Menschen geht, die man nicht an äußeren Merkmalen erkennt.

Aber bei manchen Textpassagen hätte ich auch spontan an Islamisten gedacht…

Kunze Wieso? Da steht zum Beispiel: „Sie pflegen fremde Bräuche, so lautet das Gerücht /Genaueres weiß keiner, denn man erkennt sie nicht“ - für mich pflegen Neonazis auch fremde Bräuche.

Sie hätten also nicht damit gerechnet, dass der Text dieses Liedes von Rechts instrumentalisiert wird?

Kunze Niemals. Ich glaube aber auch, dass das ein relativ klein geköcheltes Thema ist. Ich hab immer das Gefühl, dass, wenn ich bei meinen Solokonzerten dazu Stellung nehme, die Leute eher verdutzt sind – aber gut, zu meinen Konzerte kommen ja auch keine Rechten.

Es scheint so, als wollten bestimmte Leute den Text aber auch unbedingt so verstehen, wenn man sich die Facebook-Kommentare zu Ihrer Stellungnahme durchliest…

Kunze Ja, dafür kann ich nichts. Ich kann nicht in die Köpfe von Unbelehrbaren hineinkriechen.

In politischen Diskussionen haben Sie in der Vergangenheit durchaus auch mal CSU-Positionen verteidigt. Dabei sind doch deutsche Rocksänger eigentlich tendenziell links orientiert.

Kunze Ach, was ist heute links und was rechts? Das ist alles Kinderkram von vorgestern. Abgesehen davon wüsste ich jetzt nicht, in welcher Diskussion ich CSU-Positionen verteidigt habe, und selbst wenn ich das getan haben sollte - halten Sie die CSU für eine rechtsextreme Partei? Ich nicht! Das sind sozialdemokratisierte Lederhosen. Außerdem: Ich glaube nicht, dass alle deutschen Musikerkollegen, die sich tendenziell links gebärden, es auch sind.

Da frage ich Sie doch jetzt einfach mal, auch wenn es vielleicht eine altbackene Frage ist: Wo stehen Sie eigentlich politisch?

Kunze Ich stehe nirgendwo. Es gibt keine einzelne Partei in diesem Land, die mich vollständig abbildet. Ich muss mir meine Wahrheiten immer hier und da zusammenklauben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort