Heimleiter: Mindestlohn zu niedrig

Zweibrücken. Seit August erhalten Pflegekräfte in Deutschland einen Mindestlohn. Das Bundeskabinett hatte diesen in Westdeutschland auf eine Untergrenze von 8,50 Euro und in Ostdeutschland auf 7,50 Euro in der Stunde festgelegt (wir berichteten). Was von der Regierung als Erfolg gefeiert wird, wird in Zweibrücker Pflegeheimen nicht als erwünschtes Ziel angesehen

 Junge Pflegekräfte, die sich um kranke und alte Menschen kümmern, werden immer seltener. Foto: dpa

Junge Pflegekräfte, die sich um kranke und alte Menschen kümmern, werden immer seltener. Foto: dpa

Zweibrücken. Seit August erhalten Pflegekräfte in Deutschland einen Mindestlohn. Das Bundeskabinett hatte diesen in Westdeutschland auf eine Untergrenze von 8,50 Euro und in Ostdeutschland auf 7,50 Euro in der Stunde festgelegt (wir berichteten). Was von der Regierung als Erfolg gefeiert wird, wird in Zweibrücker Pflegeheimen nicht als erwünschtes Ziel angesehen. "Vom Grundsatz her ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro nicht angemessen", erklärt Raphael Baumann. Für den Leiter des Johann-Hinrich-Wichern-Hauses sowie des Hauses Bickenalb in Zweibrücken ist diese Untergrenze deutlich zu gering: "Für Pflegekräfte, die ausgebildet und hoch qualifiziert sind, ist dieser Mindestlohn ein Schlag ins Gesicht. Facharbeiter, ob in einer Werkstatt oder in Betrieben, erhalten einen deutlich höheren Stundenlohn, das wissen wir alle."In den Einrichtungen des Landesvereins für Innere Mission, dem auch das Wichernhaus angehört, spielt der Mindestlohn zwar keine Rolle, da die Angestellten nach Tarifverträgen bezahlt werden, dennoch weiß Baumann, dass Pflegekräfte mit dem Mindestlohn noch lange nicht angemessen entlohnt werden. Baumann: "Ich bin seit 30 Jahren in diesem Beruf tätig und weiß was es bedeutet, Menschen zu pflegen. Der Mindestlohn ist ganz sicher ein Zwischenziel. Der schlimmste Umstand, dass noch weniger gezahlt wird, ist damit beseitigt, aber am erwünschten Ziel ist man noch lange nicht." Besonders für Pflegekräfte in privaten Einrichtungen sei die Einführung des Mindestlohns wichtig, erklärt Christoph Stöckmann von der Awo, die das Haus am Rosengarten betreibt. "In diesen Einrichtungen, die keine Tarifverträge haben, ist Pflegepersonal meist unter dieser Grenze bezahlt worden", erklärt Stöckmann. Daher begrüße man den Mindestlohn natürlich. Dem Lohndumping durch die enorme Konkurrenzsituation sei damit ein Riegel vorgeschoben worden. "Dennoch ist der Mindestlohn für die Pflegekräfte vor Ort lächerlich", beklagt auch der Awo-Sprecher. Die körperlichen und psychischen Voraussetzungen, denen Pflegekräften ausgesetzt sind, seien enorm. Daher seien 8,50 Euro eindeutig zu wenig. "Eine Putzhilfe bekommt heute mehr", sagt Baumann, "man muss sich mal überlegen, wer nach einer Ausbildung, wie Pflegekräfte sie durchlaufen, für dieses Geld arbeiten geht". Eine angemessene Bezahlung würde bei 25 Euro in der Stunde beginnen, "aber im System ist nicht so viel Geld, um Leute vernünftig bezahlen zu können". Man züchte sich mit dem geringen Stundenlohn den Pflegekräftemangel selbst. "Wenn man zukünftig qualifizierte und gut ausgebildete Pflegekräfte anstellen möchte, die in einem Beruf arbeiten, in dem man oft rund um die Uhr und auch am Wochenende beschäftigt ist, so kann man diese kaum mit einem Stundenlohn von 8,50 Euro locken - das schreckt eher ab", betont Raphael Baumann.

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