Nach der Stadtrats-Entscheidung Haus Birke: Angehörige geben nicht auf

Zweibrücken · Sie wollen Stadt und Rat dazu bewegen, den Fußweg ins neue Wohngebiet doch noch in die Pläne aufzunehmen.

 Dort, wo jetzt zwischen den Angehörigen der Haus-Birke-Bewohner ein Busch steht, könnte ein Fußweg ins neue Wohngebiet führen.

Dort, wo jetzt zwischen den Angehörigen der Haus-Birke-Bewohner ein Busch steht, könnte ein Fußweg ins neue Wohngebiet führen.

Foto: Norbert Schwarz

Gegenüber dem ehemaligen Evangelischen Krankenhaus am Himmelsberg entsteht ein kleines Neubaugebiet mit 13 bis 14 Wohneinheiten mit richtungsweisendem Titel: „Junges Wohnen am Himmelsberg“. Die Stadt mit Planungshoheit hätte die Möglichkeit, über einen kleinen Fußweg die Wohnanlage der Westpfalz Lebenshilfe, Haus Birke, anzubinden. „Der Nutzen der Allgemeinheit ist nicht nachvollziehbar“, hieß es in der Sitzungsvorlage für den Stadtrat. Der Stadtrat selber wollte an diesem Punkt den Bebauungsplan dann mehrheitlich nicht scheitern lassen und winkte in seiner Dezembersitzung die Pläne ohne den Fußweg durch (wir berichteten). Der Investor gibt sich zugeknöpft. Nächste Angehörige von Menschen, die sich aufgrund ihrer Behinderung selbst nicht äußern können, wollen sich weiter für eine fußläufige Anbindung der Wohnanlage „Birke“ zum kommenden Baugebiet stark machen.

„So kann man doch nicht mit behinderten Menschen umgehen! Wo bleibt hier der Gedanke von Inklusion? Der kommt wegen des Kommerzes wohl auf den Opfertisch“, sagt Günther Ringle, einer der Vertreter die mit dem Pfälzischen Merkur sprechen wollten, damit die Öffentlichkeit noch einmal über das Verhalten von Stadt und Stadtrat in diesem Punkt erfahren.

Margarete Reimann, Gerlinde Schlachter, Josef Harrer, Christoph Schneider und das Ehepaar Ingrid und Walter Schneider sind die weiteren Gesprächspartner. Sie alle haben nächste Angehörige im Haus Birke. Sie engagieren sich um der Einrichtung, vor allem aber um ihrer nächsten Angehörigen willen. Machen sich aus diesem Grund dafür stark, dass vielleicht doch noch im Stadtrat Einsicht in der Sache einkehrt und der Bebauungsplan eine „klitzekleine“ Plankorrektur erfährt: die fußläufige Verbindung von „Haus Birke“ zu „Junges Wohnen am Himmelsberg“.

Alle zusammen können sich jetzt schon ohne Vermessung die Stelle vorstellen, wo der im Augenblick das Birke-Grundstück abgrenzende, grüne Maschendrahtzaun eine Öffnung Richtung ehemaliges Evangelisches Krankenhaus bekommen könnte. „Gerade junge Menschen wissen heute mit Inklusion nicht allein dem Wort nach was anzufangen“, trägt Margarete Reimann in der Gesprächsrunde vor und hadert mit dem gesamten Stadtrat, weil dieser von seinen planenden Möglichkeiten keinen Gebrauch mache und die Fürsprache für behinderte Menschen derart mit Füßen trete.

 Blick vom Krankenhaus auf das Bauland und das dahinter liegende Haus Birke, ein Wohnheim für geistig Behinderte.

Blick vom Krankenhaus auf das Bauland und das dahinter liegende Haus Birke, ein Wohnheim für geistig Behinderte.

Foto: Norbert Schwarz

Josef Harrer gibt noch einmal einen zeitlichen Überblick und erinnert daran, was vor der Schließung des Krankenhauses damals geplant gewesen ist. „Es sollte ein Wohnheim für Senioren geben. Synergieeffekte zum Haus Birke waren in den Punkte Großküche und Wäscherei offenkundig. Gegenseitige Besuche, ein dichtes Zusammenleben von älteren Menschen und Behinderten eben. Zwei Wohnanlagen, zugänglich für jeden. Davon will heute der Stadtrat komischerweise nichts mehr wissen.“

Der Gesprächskreis verweist auf die vielen Gespräche, die der Vorsitzende der Lebenshilfe Zweibrücken, der Kinderarzt und Grünen-Politiker Fred Konrad, in der Vergangenheit und jetzt führte. Das Feedback sei bis vor wenigen Monaten stets positiv gewesen, war in der Gesprächsrunde zu hören. Für Günther Ringle gilt aber trotzdem weiterhin die Losung in Richtung Stadtrat: Wo ein Wille, da ein Weg. Andererseits könnte es doch so kommen, dass man künftig vom Außengrün des Hauses Birke auf eine, zumindest zweistöckige Doppelhauswohnanlage blicke. Günther Ringle: „Das würde dann auch die Schlussfolgerung dafür sein, dass die fußläufige Verbindung zum dortigen Wendehammer aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht kommen soll. Denn dort hätten Planungsamt und Stadt ja nur den Fußweg als Verbindung zur Wohnanlage Birke aufnehmen müssen.“

Die Chance gelebter Inklusion zwischen jungen Familien und behinderten Menschen werde in diesem Fall mit Füßen getreten: „Das Zwischenmenschliche wird ausgeschlossen“, stellt Margarete Reimann in der Gesprächsrunde fest und Josef Harrer zeigt auf, welche Chancen es bei dieser Nachbarschaft geben könnte. Für Günther Ringle ist trotzdem die Chance noch nicht vertan, den Bebauungsplan um den begehrten Fußweg zu ändern. „Alles andere bleibt ja erhalten, der berührt ja nicht die Planungsgrundzüge. Das Leben besteht nun mal aus Kompromissen, Das muss auch für einen Investor gelten, das müssen Stadtverwaltung und Stadtrat doch vermitteln können“.

Von bloßen Lippenbekenntnissen und dem schon vielfach vernommenen „Bla-Bla“ haben jedenfalls alle Teilnehmer an der Tischrunde genug. Sie wollen sich bis zuletzt für die ihnen anvertrauten Angehörigen stark machen und an die Einsicht wie Vernunft der Stadtratsmitglieder appellieren. Ein Konsequenz hat derweil der Vorsitzende der Zweibrücker Lebenshilfe Fred Konrad gezogen. Der in Käshofen wohnende Kinderarzt und ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen (Konrad lehnte die erneute Mandatsübernahme als Nachrücker 2017 ab), hat jetzt dem Kreisverband seiner Partei (Grüne) den Rücken gekehrt (wir berichteten).

Über seine Parteifreunde hatte Fred Konrad versucht, den Gedanken von gelebter Inklusion begreifbar zu machen. Mit Blickrichtung „Kommerz und falsch verstandener Wirtschaftlichkeit“ hätten sich die Mitglieder der Grünen Stadtratsfraktion dann aber bei der Abstimmung zum Bebauungsplan ihres Stimmrechts enthalten. Für Konrad ein völlig falsches Signal. Wahre Inklusion dürfe auf keinen Fall anderen (wirtschaftlichen) Interessen hintenan gestellt werden.

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