Großfamilie soll ihr Haus abreißen

Zweibrücken · Seit anderthalb Jahrzehnten wohnt Familie Gärtner auf ihrem vom Bund gekauften Grundstück bei Wattweiler. Zwar illegal, denn planungsrechtlich ist dort Wohnen nicht vorgesehen. Aber von der Stadt geduldet – bis gestern. Jetzt soll die Familie ausziehen. Und zwar schnell: Die Stadt will die in Widerspruchsverfahren übliche aufschiebende Wirkung aufheben.

 Familie Gärtner gestern mit den Stadt-Einschreiben. Foto: Lang

Familie Gärtner gestern mit den Stadt-Einschreiben. Foto: Lang

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Eine Zweibrücker Großfamilie bangt um ihr eigenes Haus und Grundstück. Denn die Stadtverwaltung beabsichtigt, Familie Gärtner aufzufordern, nicht nur auszuziehen - sondern auch alle Bauten abzureißen. Das hat das Bauamt in mehreren gleichlautenden Einschreiben angekündigt, die alle Bewohner - bis hin zum neun Monate alten Enkel - gestern um 9.20 Uhr erhalten haben, wie Carmen Gärtner dem Pfälzischen Merkur berichtete.

"Ich bin wirklich geschockt", sagte Gärtner. Derzeit lebten auf dem Grundstück acht Personen: sie (100 Prozent schwerbehindert), ein Sohn mit Freundin, ihre sieben Jahre und neun Monate alten Enkel , zwei weitere Söhne und eine Tochter. Das Grundstück von Familie Gärtner hatte von 2002 bis 2005 mehrfach für Schlagzeilen gesorgt, selbst SWR-Fernsehen und Bild-Zeitung berichteten. Denn die Gärtners hatten das Grundstück 1999 für 60 000 Euro vom Bund gekauft und ein ehemaliges Bundeswehr-Mannschaftsquartier zum Wohnhaus umgebaut. Das aber war rechtswidrig, wie 2003 das Verwaltungsgericht Neustadt urteilte. Denn der Bebauungsplan sieht für das Grundstück im Wattweiler Außenbereich keine Wohnnutzung vor. Daraufhin wollte die Stadt die Räumung durchsetzen - doch nachdem Zweibrücker Bürger 2494 Unterschriften für die Gärtners sammelten, erklärte der damalige Oberbürgermeister Helmut Reichling im April 2005, zunächst zu dulden, dass die Gärtners in einem Container auf ihrem Grundstück leben. Längst nutzen die Gärtners auch wieder ihr Haus. Doch wie Carmen Gärtner sagt und auch Stadtsprecher Heinz Braun auf Merkur-Anfrage bestätigt, gab es seitdem keine Aufforderung mehr, auszuziehen.

Warum wird die Stadt jetzt plötzlich wieder aktiv? Stadtsprecher Braun antwortete gestern, natürlich spiele die illegale Nutzung eine Rolle. Die beiden Hauptgründe seien aber "neue Fakten": Bei einer Ortsbesichtigung mit Stadt und Umweltpolizei seien am 25. November 2014 "Dinge vorgefunden worden, die als Umweltdelikte anzusehen sind". Diese seien "gravierend", zu Details äußere er sich aber wegen des laufenden Verfahrens nicht und verweise auf die Zweibrücker Staatsanwaltschaft. Zudem seien Gebäude teils baufällig, so dass "Gefahr für Leib und Leben" der Bewohner bestehe. Der Leitende Oberstaatsanwalt Eberhard Bayer sagte unserer Zeitung, er habe die Akte noch nicht, die Pirmasenser Umweltpolizei sei aber wohl an der Sache dran. Diese war gestern nicht mehr erreichbar.

Im Wattweiler Ortsbeirat hatte es in den vergangenen Jahren mehrfach Beschwerden über "Unrat" auf dem Grundstück gegeben. Ortsvorsteher Reinhard Kunze (CDU ) sagte gestern: "Ich gehe von einer erheblichen Umweltbelastung aus. Uns Wattweiler Bürgern wäre am liebsten, wenn die Gebäude verschwinden und renaturiert wird."

Einer der unserer Zeitung vorliegenden Anhörungs-Bescheide der Stadt von gestern an die Gärtners enthält allerdings keinerlei Hinweise auf Umweltdelikte oder Gefahren für Leib und Leben: Die Stadt verweist darin ausschließlich auf die ungenehmigte Wohnnutzung. Die Gebäude hätten nur "Bestandsschutz" für die Bundeswehr gehabt, durch die Umnutzung zum Wohnen sei dieser entfallen, sie seien "somit formell und materiell illegal" und müssten von den Gärtners beseitigt werden. Auch sämtliche Freiflächen müssten geräumt werden. Die Stadt beabsichtige einen "Sofortvollzug der Anordnungen gem. § 80Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung". Normalerweise hat ein Widerspruch aufschiebende Wirkung. Der zitierte Absatz sieht aber vor, diese entfallen zu lassen "in den Fällen, in denen die sofortige Wirkung im öffentlichen Interesse" ist.

Die Stadt hat den Gärtners eine Frist gesetzt, sich bis 17. April zu der geplanten Beseitigungs-Anordnung zu äußern. Carmen Gärtner will ihren Rechtsanwalt einschalten. "Wir sind eine große Zirkus- und Schausteller-Familie. Da stehen schon ein paar Sachen auf dem Grundstück rum. Wenn aber etwas stört, soll man uns das sagen - dann beseitigen wir das." Auf solche Hinweise habe die Familie nicht reagiert, sagte dazu Stadtsprecher Braun.

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