„Glücksfall für die Hochschule“

Zweibrücken · Galaktisches Doppeljubiläum im Jahr 2016: Die Science-Fiction-Show Star Trek startete vor 50 Jahren. Und seit 20 Jahren veranstalten Wissenschaftler der Zweibrücker Hochschule eine Weihnachtsvorlesung zum Thema. Die ist inzwischen selbst Kult und brach diesmal sogar Zuschauerrekorde.

1996 boomt die Star-Trek-Reihe so richtig: Zum 30. Geburtstag laufen mit "Deep Space Nine" und "Raumschiff Voyager" gleich zwei Ablegerserien im Fernsehen, über die Kinoleinwand flimmert mit "Der erste Kontakt" der achte Film. Ein gutes Jahr, um an der aufstrebenden Fachhochschule in Zweibrücken auf die Idee zu kommen, sich Captain Kirk, Mister Spock und der Enterprise fachlich zu nähern - in Form einer Spezialvorlesung, die Serienhintergründe, harte Wissenschaftsfakten und Spaßiges vermischt. Nach vier Jahren soll Schluss sein. Doch es kommt anders.

Ein Weihnachtsgeschenk für die Studenten ist die "Star-Trek-Weihnachtsvorlesung" auch im Jahre 2016. Inzwischen mutiert zur pompösen Sause. Sie ist wie die nunmehr 50-jährige Science-Fiction-Reihe von Erfinder Gene Roddenberry weit über die Region hinaus selbst Kult - wovon sich vergangene Woche im gewohnt proppenvollen Audimax etwa 450 Besucher live, dazu die Rekordzahl von 3450 per Internet-Stream überzeugen konnten.

Die Popularität hat damit zu tun, dass die drei Vorlesungsveteranen, Ingenieur Manfred Strauß, Linguist Markus Groß und Informatiker Hubert Zitt, von Anfang an bei den Zuschauern den richtigen Ton treffen. Ihre Mischung unterhält und informiert. Man fühlt sich bei den Dreien erinnert an das Serientriumvirat Kirk/Spock/McCoy, wobei Zitt wie Kirk durch die gelbe Uniform klar macht, wer das Kommando hat. Er ist es auch, den es 2005 als Referenten dank der Vermittlung eines FH-Studenten zur Star-Trek-Fanmesse Fedcon verschlägt, wo er nicht nur Schauspieler wie Leonard Nimoy (Spock) persönlich kennenlernt, sondern auch Kontakte zu den Serienmachern wie Richard Arnold knüpft. Und nebenbei seine Bekanntheit unter den deutschen und internationalen "Trekkies" immens steigert.

Heute ist Zitt selbst im deutschsprachigen Raum ein Star-Trek-Faktor. Er erklärt in Fernsehclips wissenschaftliche Star-Trek-Phänomene, ist bei regionalen und überregionalen Medien gefragter Interviewpartner, wenn es um die Weltraumreihen geht. Er hat verzweigte Kontakte zum Star-Trek-Merchandise und ist Stammgast bei den Premieren neuer Enterprise-Kinofilme. Anstatt wie früher einer (1996) oder drei (1997) solcher Vorträge, sind es 2016 schon 34 - an Unis, in Museen und Planetarien, bei Fantreffen oder in Schulen in ganz Deutschland. Auch in Italien, den USA, Österreich und der Türkei wurde schon über das Beamen, Warpantriebe oder Zeitreisen referiert.

Die Zweibrücker Dezembervorlesungen - mächtig unterstützt von den Studenten - dauern (auch diesmal mit rund 4,5 Stunden) länger als Wetten-dass-Sendungen zu Gottschalks Hochzeit. Sie liefern Kostümwettbewerbe, Pyroeffekte, Gastmusiker- und Redner, Verlosungen und karitative Sammlungen (siehe "Hintergrund"). Die Fachschaft kreiert "exoterrestrische" Cocktails mit Trockeneis und tischt Föderationsbrezeln auf, die wie die Star-Trek-Abzeichen gestaltet sind. Engagierte Studenten und Mitarbeiter schneiden Trailer und Filme, designen Plakate.

Kein Wunder, dass angesichts dieser Erfolgsgeschichte auch Kurt Neumeier, der Gründungsbeauftragter für den FH-Standort Zweibrücken , erfreut zurückblickt. Darauf, wie er Zitt vor 20 Jahren dort eingestellt habe, wo früher das größte Rechenzentrum der Amerikaner in Europa zu finden war. Und auf seine Erlaubnis an das Dreigespann Zitt/Groß/Strauß, 1996 die Weihnachtsvorlesung zu starten. "Ich musste damals überlegen. Für eine Hochschule ist so etwas nicht selbstverständlich", erinnert sich Neumeier zurück: "Wenn die Drei sich einmal blamieren, bin ich der dreifache Verlierer!" Da er damals uneingeschränkte Rückendeckung von seinen Vorgesetzten in Kaiserslautern genossen habe und für die Rosenstadt habe schalten und walten dürfen, habe er es erlaubt. Heute kann er sich für die gelungene Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule auf die Schulter klopfen. Eine Bildungseinrichtung mit so engagierten Dozenten und einer derart bekannten Aushängeveranstaltung lockt auch schon mal Astronaut Klaus-Dietrich Flade oder den aus dem Fernsehen bekannten Wissenschaftserklärer Harald Lesch nach Zweibrücken .

Auch Vizepräsident Hans-Joachim Schmidt, seit Konrad Wolfs Aufstieg zum rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister amtierender Hochschulchef, sagt im Namen der Einrichtung danke: "Die Vorlesung ist ein Glücksfall für diese Hochschule. Sie macht die Hochschule cool!" Sie verdeutliche - gerade auch Mädchen - wie toll ein technisches Studium sein könne. Zitt, Strauß und Groß seien ein "kongeniales Trio". Dass auch die Star-Trek-Macher aus Amerika heute selbst froh sind, dass Zitt mit seiner Arbeit Werbung für die Weltraumsaga macht, erläutert Gerhard Raible, Chef von Trekworld Marketing.

Werbung macht auch Vorlesungsstammgast Lieven Litaer. Er veranstaltet das Klingonischseminar in Saarbrücken, ist also Dozent einer nur für die Serie erfundenen Kunstsprache. Nicht nur Marc Okrand, der Klingonisch einst ersann, ist Stammgast, so Litaer. Das Treffen sei inzwischen größer als ein Ähnliches im Enterprise-Geburtsland USA.

Thematisch referierte Zitt zum Jubiläum unter Einbezug von vielen Star-Trek-Film- und Serienclips wie bei der Fedcon im Juni darüber, "wie die TV-Serie seit 1966 die Welt verändert hat". Seien es Erfindungen wie Kirks Kommunikator, den sich Handybauer zum Vorbild genommen hätten. Oder der Kuss zwischen Uhura-Darstellerin Nichelle Nichols und Kirk-Mime William Shatner , der die Rolle von Afroamerikanern damals verändert hatte. Oder wiederum Nichols, die erst von Martin Luther King zum Bleiben in der Serie überredet wurde und die später als Botschafterin mithalf, dass sich Afroamerikaner als Astronauten bei der Nasa bewarben. Für ordentlich Humor sorgte Markus Groß, der über "bad language" referierte. Er verglich Flüche und Beschimpfungen bei Star Trek mit denen aus Schimanski-Tatorten.

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 Die Macher der Star-Trek-Weihnachtsvorlesung, ein außerirdischer Gast (links) und Captain Kirk als Pappkamerad. Dazu von links: Markus Groß, Hubert Zitt und Manfred Strauß. Fotos: Baumann

Die Macher der Star-Trek-Weihnachtsvorlesung, ein außerirdischer Gast (links) und Captain Kirk als Pappkamerad. Dazu von links: Markus Groß, Hubert Zitt und Manfred Strauß. Fotos: Baumann

Hintergrund 21 589 Euro an Spenden - das war vor der Weihnachtsvorlesung die Summe, die seit Sammlungsbeginn 2005 für karitative Zwecke wie die Aktion Sternenregen oder für krebs- oder herzkranke Kinder zusammenkam. Dieses Jahr läpperte sich der Betrag durch Losverkäufe und Spenden auf 2200 Euro. Sie gehen an das Saarbrücker Projekt "(I)ntact Mädchenhilfe", das sich gegen die Genitalverstümmelung von Kindern vor allem in Afrika richtet. Intact-Gründerin Christa Müller schilderte die Gräuel der Beschneidung so, dass einem die Luft wegblieb. 150 Millionen Frauen seien betroffen. Durch die Spenden auch der Weihnachtsvorlesung habe man diese "Tradition" in einigen Ländern abschaffen können. Mit der diesmal gesammelten Summe könne man über 500 Mädchen unmittelbar retten. ek

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