Gießkanne statt Nasenprämie

Zweibrücken. Knackpunkt bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind bislang die Leistungszulagen: Die Arbeitgeber wollen vor allem diese erhöhen, die Grundgehälter dagegen kaum (wir berichteten). Seit 2007 erlaubt der Tarifvertrag individuelle, leistungsbezogene Vergütungsbestandteile

 Kein Lob für LOB: Die "Leistungsorientierte Bezahlung" kommt bei Arbeitnehmervertretern nicht gut an. Fotos: dpa/pma

Kein Lob für LOB: Die "Leistungsorientierte Bezahlung" kommt bei Arbeitnehmervertretern nicht gut an. Fotos: dpa/pma

 Herbert Kallenbrunnen

Herbert Kallenbrunnen

 Helmut Reichling

Helmut Reichling

Zweibrücken. Knackpunkt bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind bislang die Leistungszulagen: Die Arbeitgeber wollen vor allem diese erhöhen, die Grundgehälter dagegen kaum (wir berichteten). Seit 2007 erlaubt der Tarifvertrag individuelle, leistungsbezogene Vergütungsbestandteile. Doch die Stadtverwaltung Zweibrücken macht bislang davon keinen Gebrauch, teilen auf Merkur-Anfrage Oberbürgermeister Helmut Reichling und der Personalratsvorsitzende Herbert Kallenbrunnen mit. Reichling erläutert: "Die Vergütung wird in Zweibrücken nicht nach individuellen Leistungsmerkmalen ausbezahlt, sondern es wird ein Prozent an alle Beschäftigten (ohne Beamte) gleichmäßig verteilt." Dies entspreche der Summe, die sowohl nach Tarifvertrag, als auch individuell ausgezahlt werden könnte. Doch während "die Verwaltung eine leistungsbezogene Regelung anstrebt", so Reichling, ist der Personalrat vehement dagegen. "Wir wollen keine Nasenprämien", sagt Kallenbrunnen und rät, erst einmal die Erfahrungen anderer Kommunen abzuwarten: "Was ich da bislang raushöre, ist katastrophal." Nicht, dass er etwas dagegen habe, Leistung zu belohnen. Aber "was in der Industrie bei Fließbandarbeit gut messbar" sei, gehe in einer Stadtverwaltung nicht, ist Herbert Kallenbrunnen überzeugt: "Wie will man denn die Arbeit einer Reinigungskraft im Vergleich mit einem Amtsleiter messen? Und arbeitet ein Sachbearbeiter im Sozialamt schlechter, wenn er in gleicher Zeit zehn Fälle bearbeitet als einer, der 30 bearbeitet, wenn der mit 30 schnell einen Haken an jeden Fall macht, der mit zehn intensiv prüft und so der Stadt viel Geld spart?" Individuelle Regelungen bedeuteten außerdem einen "erheblichen personellen Mehraufwand", warnt der Personalratsvorsitzende, weil dann für jeden der über 400 Stadtmitarbeiter Arbeitsplatzbeschreibungen, Kriterien und Zielvereinbarungen erstellt werden müssten. Oft gebe es hierfür auch "Berater, die ihr System teuer verkaufen". Zudem seien in der Zweibrücker Stadtverwaltung "Vorgesetzte und Mitarbeiter mit dem Gießkannen-Prinzip sehr zufrieden", so Kallenbrunnen. Motivationserhöhende Maßnahmen seien ohne Leistungsprämien besser erreichbar, findet Kallenbrunnen: "Ich sehe eher das Gegenteil bei individuellen Prämien - wenn ich zwei Mal nicht bedacht werde, demotiviert mich das! Da soll jeder mal überlegen, wie er reagieren würde, da muss man keine großen Studien führen". Es gebe auch "Einigkeit mit der Verwaltungsspitze, so weiterzumachen - das System ist gerade erst verlängert worden". Oberbürgermeister Reichling dagegen ist "grundsätzlich der Meinung, dass leistungsbezogene Vergütung und öffentlicher Dienst keine Gegensätze sind" und hat deshalb "eine Kommission eingesetzt, die Leistungskriterien erarbeiten sollte". Reichling findet allerdings auch: "Diese Regelung muss aber gerecht sein und von allen Mitarbeitern als gerecht empfunden werden. Quantitative Kriterien (zum Beispiel Fallzahlen) reichen als Maßstab nicht aus, es müssen auch qualitative Kriterien herangezogen werden (zum Beispiel Schwierigkeit des Falles)." Daher werde "die Arbeit an der endgültigen Prämienrichtlinie noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, wobei ich mir auch wie in der Wirtschaft Gruppenprämiensysteme als Ergänzung der individuellen Prämien vorstellen könnte".

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