Gutachter hat Bedarf bis 2036 ermittelt Gewerbeflächen-Mangel in Zweibrücken riesig

Zweibrücken · Im Stadtrat wurde der Zwischenbericht für das regionale Entwicklungskonzept vorgestellt, um Ansiedlungsinteressenten schneller baureife Grundstücke anbieten zu können. Dabei gab es für Zweibrücken beunruhigende Zahlen – und eine überraschende Aussage hinsichtlich Auswirkungen der Corona-Pandemie.

 Die Baustelle der neuen Logistikhalle von John Deere, fotografiert von hinten von der Deere-Brücke aus. Deren Neubau 2016 und die Logistikhalle (statt der vor zwei Jahrzehnten dort mal geplanten Schuhgeschäfte) auf dem ehemaligen Oltsch-Gelände gelten als gelungene Beispiel Zweibrücker Industriepolitik in den letzten Jahren. Nichtsdestrotrotz gibt es einen eklatanten Gewerbeflächen-Mangel – der nun behoben werden soll.

Die Baustelle der neuen Logistikhalle von John Deere, fotografiert von hinten von der Deere-Brücke aus. Deren Neubau 2016 und die Logistikhalle (statt der vor zwei Jahrzehnten dort mal geplanten Schuhgeschäfte) auf dem ehemaligen Oltsch-Gelände gelten als gelungene Beispiel Zweibrücker Industriepolitik in den letzten Jahren. Nichtsdestrotrotz gibt es einen eklatanten Gewerbeflächen-Mangel – der nun behoben werden soll.

Foto: Lutz Fröhlich

Im Juni 2020 hatten die Städte Zweibrücken und Pirmasens sowie der Landkreis Südwestpfalz bei einer Pressekonferenz ihre Absicht vorgestellt, ein gemeinsames „Entwicklungskonzept Gewerbe- und Industrieflächen“ zu entwickeln. Die damit beauftrage „CIMA Beratung + Management GmbH“ hat nun Ende Juni im Zweibrücker Stadtrat einen Zwischenbericht vorgestellt. Der „unterstreicht, was wir seit langem befürchtet haben und auch unsere Erfahrung ist“, fasste Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) zusammen: Es gibt zu wenig zügig verfügbare Gewerbeflächen, neue müssen zügig geschaffen werden.

Uwe Mantik, Leiter des CIMA-Standorts Standorts Lübeck, berichtete von den Befragungen, Analysen und daraus resultierenden Prognosen seines Büros. Die wichtigste Zahl: In Zweibrücken gibt es derzeit 8,9 Hektar „marktfähiges Bauland“ für Industrie und Gewerbe – bis zum Jahr 2036 benötigt würden aber 36,2 Hektar (netto). In den drei Gebietskörperschaften der Region insgesamt seien 44,8 Hektar verfügbar, der Bedarf bis 2036 liege bei 114,8 Hektar.

Wie der Pfälzische Merkur nachgerechnet hat, ist der Gewerbeflächen-Mangel in Zweibrücken damit deutlich drastischer als in der Region insgesamt: Zweibrücken benötigt 4,1 mal so viele Flächen wie vorhanden, die Region „nur“ 2,6 mal so viel wie vorhanden.

Hinzu kommt, so Mantik: Von den aktuell 15 verfügbaren Zweibrücker Flächen sind 10 in privatem Eigentum, dies sei ein hoher Anteil: „Dann wird’s etwas schwieriger bei der Vermarktung als in öffentlicher Hand.“

Und es gibt noch ein weiteres Problem. Zügig bebaubar sind Gewerbeflächen dann, wenn es bereits einen Bebauungsplan gibt (der konkret regelt, was wo wie gebaut werden darf). Wenn im (übergeordneten) Zweibrücker Flächennutzungsplan ausreichend einmal für Gewerbe vorgesehene Flächen stünden, gäbe es zumindest eine Option, wo man Bebauungsplanverfahren beginnen könnte. Aber: Im Flächennutzungsplan seien nur 6,3 Hektar brutto für Industrie und Gewerbe potenziell einmal geeignete Flächen ausgewiesen. Das sei ein sehr großer Unterschied zu den bis 2036 benötigten 36,2 Hektar, verdeutlichte Mantik – und warnte, es drohe „ein erhebliches Defizit in der Zukunft“.

In der Region insgesamt seien in den Flächennutzungsplänen noch 29,4 Hektar in Reserve, aber noch ohne Bebauungspläne.

Wegen alledem war für CIMA das nächste Ziel, „Ergänzungsflächen“ zu suchen, die bislang gar nicht für Gewerbe vorgesehen sind. „55 Flächen haben wir in der Region ermittelt und 51 näher angeschaut“, berichtete Mantik. In Zweibrücken gebe es vor allem die Option, Erweiterungen bestehender Gewerbegebiete am Flugplatzgelände vorzunehmen. Konkreter zu Potenzialflächen äußerte sich Mantik erst im nichtöffentlichen Sitzungsteil, da es auch um Privatgrundstücke gehe.

Öffentlich erklärte Mantik noch, dass es generell sinnvoll sie, wo möglich vorhandene Gewerbegebiete zu vergrößern. Und „ganz wichtig“ sei für Gewerbetreibende bei Ansiedlungsentscheidungen die Frage: „Komme ich auf die Autobahn oder eine vierspurige Bundesstraße, ohne durch einen Ort fahren zu müssen?“ Hinzu kämen Kriterien wie Abstand zu Wohnbebauung und ökologische Kriterien, wenn Bebauungsplanverfahren erfolgreich sein sollen.

Zu den Nachfrage-Schwerpunkten sagte Mantik: „Der Renner wird nach wie vor das klassische Gewerbegebiet sein.“ Nämlich mit 60,3 der 114,8 Hektar in der Region. Mit deutlichem Abstand folgen emissionsfreies Gewerbe (19,5 ha), Kleingewerbe & Handel (15,5 ha), verkehrliches Gewerbe & Logistik (12,6 ha) und wissenschaftliches Gewerbe & Dienstleistungen (6,9 Hektar).

Mantik äußerte sich auch zur Corona-Pandemie. Werden wegen des Trends zum Homeoffice vielleicht weniger Gebäude geplant? Nein: „Covid hat keinerlei Einfluss auf die Nachfrage nach Gewerbeflächen“. Dies beobachte CIMA quer durch die Republik. Gleiches gelte für die „Industrie 4.0“, also die Digitalisierung von Abläufen in der Industrie.

Mantik schloss, für die Region und insbesondere Zweibrücken sei „mittel bis langfristig die Entwicklung neuer Gewerbeflächen zwingend erforderlich“. Als Nächstes gelte es nun, Rangfolgen festzulegen, was wann wo entwickelt werden soll. „Gern gesehen“ seien dabei vom Fördergeld-Geber Landesregierung „interkommunale Gewerbegebiete“. Und Mantik mahnte: „Es ist Zügigkeit geboten wegen der Landesförderung und wegen der langen Dauer von Flächennutzungsplan- und Bebauungsplan-Verfahren.“

Oberbürgermeister Wosnitza verwies auf das Positive daran, dass der gefühlte Gewerbeflächen-Mangel nun auch wissenschaftlich bestätigt ist: „Dadurch können wir auf Förderung auch für Vorrats-Erschließung hoffen.“ Diese sei unabdingbar, denn: „Es funktioniert heute nicht mehr, jemand (einen potenziellen Investor, Anm. d. Red.) auf einen Acker zu stellen und zu sagen: Das könnte in fünf Jahren dein Gewerbegebiet sein.“

SPD-Ratsfraktionschef Stéphane Moulin regte an zu prüfen, „warum Pirmasens schon einen relativ hohen Anteil baureifer Flächen hat im Vergleich mit Zweibrücken und dem Kreis“ – vielleicht mache Pirmasens ja etwas anders, wovon Zweibrücken gegebenenfalls lernen könnte.

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