„Verpiss dich von der Straße, du Radsau“ „Hinrichtung-Aufkleber“ gegen Radler: Zweibrücken plant Strafantrag

Zweibrücken · Zuvor nahm schon die Polizei von sich aus Ermittlungen auf. Ein Bürger hat zudem bereits Anzeige erstattet wegen der Aufkleber, die Radfahrern mit Hinrichtung drohen. Die Polizei wendet sich mit einem Aufruf an die Bevölkerung.

 „Verpiss dich von der Straße, du Radsau“: Eine Flut solcher Aufkleber mit Gewalt-Aufruf gegen Radfahrer ist in den vergangenen Tagen in Zweibrücken aufgetaucht, hier im Bereich Niederauerbach auf dem Rosenweg am Schwarzbach. Stadtrat Aaron Schmidt hat mehrere Aufkleber abgekratzt.

„Verpiss dich von der Straße, du Radsau“: Eine Flut solcher Aufkleber mit Gewalt-Aufruf gegen Radfahrer ist in den vergangenen Tagen in Zweibrücken aufgetaucht, hier im Bereich Niederauerbach auf dem Rosenweg am Schwarzbach. Stadtrat Aaron Schmidt hat mehrere Aufkleber abgekratzt.

Foto: Aaron Schmidt

Die militanten Anti-Radler-Aufkleber in Zweibrücken werden nun auch zum Fall für die Justiz. Stadtsprecher Jens John erklärte am Donnerstag auf Merkur-Nachfrage: „Unser Rechtsamt bereitet einen Strafantrag wegen Sachbeschädigung gegen Unbekannt vor. Denn teilweise sind die Aufkleber auf städtisches Eigentum geklebt.“

„Verpiss dich von der Straße, du Radsau“

Bereits am Vortag hatte Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) den Inhalt der Aufkleber als „extrem beunruhigend“ bezeichnet (wir berichteten): Ein (gestalterisch an Verkehrsschilder angelehntes) Piktogramm zeigt, wie ein Mann eine Pistole auf den Kopf eines Radfahrers richtet – mit den Worten „Verpiss dich von der Straße, du Radsau“. Ein Radfahrer, der neben seinem Fahrrad am Boden liegt und von dem Mann gerade einen Tritt hin den Hintern erhält. Der Aufkleber ist mit dem englischen Wort „Warning“ (Warnung) betitelt und richtet sich gegen Radler, die – angeblich – gegen eine „Nutzungspflicht für Radwege“ verstoßen. Der genannte StVO-Paragraph 2 Absatz 4 allerdings sieht eine Nutzungspflicht nur in bestimmten Fällen vor – die nicht auf die Stellen zutreffen, wo die Aufkleber in Zweibrücken massenhaft angebracht worden (insbesondere in der Schwarzbach-Allee, wo zwischen den Bäumen auf einem nicht asphaltierten Weg Fußgänger und Radler erlaubt sind und parallel eine Straße ist).

Wosnitza hatte für Donnerstag auch eine Stellungnahme angekündigt, ob die städtische Ordnungsbehörde gegen die Aufkleber vorgehen könne. Zu diesem Aspekt sagte nun Pressesprecher John: „Unsere Ordnungsbehörde kann erst dann tätig werden, wenn sie jemand in flagranti beim Anbringen von Aufklebern erwischt.“ Aber die Polizei ermittele bereits.

Staatsanwaltschaft kündigt „strafrechtliche Prüfung“ an

Anzeige-Erstattungen sind immer möglich bei Staatsanwaltschaft und Polizei. Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken mailte am Donnerstag auf Merkur-Anfrage, ob sie bezüglich der Aufkleber ermittele: „Nach telefonischer Mitteilung der Polizeiinspektion Zweibrücken liegt dort eine Strafanzeige im Zusammenhang mit entsprechenden Aufklebern vor, welche jedoch noch nicht bei der Staatsanwaltschaft Zweibrücken eingegangen ist. Nach Eingang des Vorgangs wird hier eine strafrechtliche Prüfung erfolgen.“

Matthias Mahl, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Zweibrücken, erklärte auf Merkur-Anfrage, wie die polizeilichen Ermittlungen begannen: „Ein Beamter der Polizeiinspektion Zweibrücken wurde in einem Sozialen Netzwerk auf einen Post aufmerksam, der das Foto eines der besagten Aufkleber zeigte. Wir haben umgehend Ermittlungen eingeleitet und einen Aufkleber in der Geschwister-Scholl-Allee entdeckt. Zwischenzeitlich wurde der Sachverhalt auch von einem Bürger telefonisch bei uns angezeigt.“ Wie viele dieser Aufkleber „von wem in der Stadt angebracht wurden, ist noch völlig unklar“. Zur Frage nach möglichen Straftatbeständen, wegen derer ermittelt werde, antwortete Mahl nur: „Wir haben der Staatsanwaltschaft unsere Feststellungen mit der Bitte um rechtliche Würdigung übersandt.“

Polizei: „Sachbeschädigungen dürften nicht vorliegen“

Den von der Stadtverwaltung vermuteten Straftatbestand allerdings sieht die Polizei bislang nicht. In ihrer Pressemitteilung vom Mittwoch hieß es: „Sachbeschädigungen dürften nicht vorliegen, da sich die Aufkleber einfach abziehen lassen.“

Mahl wiederholte am Donnerstag, dass die Polizei die Bevölkerung bitte, „uns Hinweise auf die Urheber der Aufkleber-Aktion zu geben“. Hierfür erreichbar ist die Polizei unter Tel. (0 63 32) 97 60 oder per E-Mail an pizweibruecken@polizei.rlp.de.

„Wurden Fingerabdrücke gesichert?“

Auf der Merkur-Facebookseite hatte Marius Christopher Müller geschrieben: „Irgendwer hat die Dinger ja geklebt. Wurden Fingerabdrücke gesichert?“ Auch diese Frage hat der Merkur der Polizei gestellt. Hierzu äußerte sich die Polizei aber noch nicht, erfahrungsgemäß aus ermittlungstaktischen Gründen.

Ergebnis der Google-Bildersuche

Der Aufkleber scheint bundesweit nicht weit verbreitet zu sein, wenn der Google-Bildersuche zu trauen ist: Dort fand unsere Redaktion nach Eingabe des in Zweibrücken aufgetauchten Motivs keine weiteren Treffer. Dies könnte ein erstes Indiz dafür sein, dass die Aufkleber jemand aus dem Raum Zweibrücken gestaltet hat – und nicht Teil einer bundesweiten extremistischen Kampagne sind.

Zwei Politiker legten bei Aufklebern Hand an

Derweil hat nach Oberbürgermeister Wosnitza mindestens ein weiterer Zweibrücker Politiker selbst Hand angelegt, um die bedrohlichen Aufkleber abzuknibbeln. „Die Partei“-Stadtrat Aaron Schmidt schrieb auf Facebook zu dem Merkur-Bericht über Wosnitza: „Ich hab auch schon zig von den Dingern entfernt.“

Kai Noll lobte auf der Merkur-Facebookseite: „Ich teile die Besorgnis des OB und finde es sehr gut, dass er erkennbar reagiert. Allerdings regte Noll an, auch Strafanzeige wegen Volksverhetzung zu erstatten. Schließlich heiße es in Paragraph 130 des Strafgesetzbuches: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, (...) gegen Teile der Bevölkerung (…) zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert, (...) wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“.

Auch die Staatsanwaltschaft antwortete auf die Merkur-Frage nach möglichen Straftatbeständen noch nicht.

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