Zweibrücker Geschäftsleute trotz Verständnis sehr betroffen von Verschärfung der Corona-Regeln „Lockdown durch die Hintertür“

Zweibrücken · 2G im Einzelhandel, 2G-plus in Restaurants und Fitnessstudios, Lockdown für Ungeimpfte: Viele Zweibrücker Geschäftsleute sind in großer Sorge.

 Ohne Impfnachweis (oder genesen) geht bei den Friseuren, hier Nicole Kozel vom Haaratelier, nichts mehr.

Ohne Impfnachweis (oder genesen) geht bei den Friseuren, hier Nicole Kozel vom Haaratelier, nichts mehr.

Foto: Elisabeth Heil

Seit Samstag sind in Rheinland-Pfalz die verschärften Coronaschutz-Regeln in Kraft – und die Stimmung bei den Zweibrücker Einzelhändler/-innen und Gastronomen ist gedrückt. Das zeigt eine Merkur-Rundfrage.

„Ich bin ganz ehrlich, für mich ist das ein zweischneidiges Schwert“, sagt Sandra Cleemann vom gleichnamigen Spielwarengeschäft in der Fußgängerzone. „Natürlich sehe ich die hohen Inzidenzen und ich weiß, dass wir handeln müssen, um die Zahlen runterzukriegen. Doch für mich stellt sich die Frage, wie ich das tatsächlich händeln soll. Muss ich mir jetzt für einen Samstag im Weihnachtsgeschäft wünschen, dass nicht viel los ist, um auch wirklich alle kontrollieren zu können? Ich weiß es nicht“, gesteht die besorgte Geschäftsfrau. „Von Kollegen aus anderen Bundesländern, die schon länger mit 2G arbeiten, weiß ich allerdings, dass es bei ihnen läuft und die Kunden Verständnis zeigen. Das beruhigt mich ein bisschen.“

„2G“ bedeutet: Nur noch wer nachweist, geimpft oder genesen zu sein, hat Zutritt. Bei „2G-plus“ ist zusätzlich ein aktueller Coronatest erforderlich.

Für Jeanette Landoll vom Restaurant Gleis3 ist 2G-plus eine Hiobsbotschaft. „So blöd es klingt, aber das ist für uns schlimmer, als ein Lockdown. Wir erhalten keine Unterstützung. Jetzt machen sie uns kaputt, denn ich weiß nicht, ob wir das nochmal schaffen“, klagt die Gastronomin. „Bis Freitag waren wir täglich ausgebucht. Seit Samstag ist nichts mehr. Alle Weihnachtsfeiern abgesagt. Zwar haben wir uns im letzten Lockdown mit der Produktion und dem Verkauf von Spezialitäten ein zweites Standbein aufgebaut. Aber das wird nicht reichen. Jetzt hoffen wir, dass unsere Gäste und trotzdem die Treue halten. Schnelltests sind bei uns übrigens möglich.“

Auch beim größten Zweibrücker Betreiber von Hotels und Gastronomie ist die Stimmung verhalten. „Bei uns müssen wir zwischen den Hotels und Restaurants unterscheiden“, sagt Franziska Zadra, Mitglied der Geschäftsleitung der Zadra-Gruppe. „Dass sich geimpfte oder genesene Hotelgäste zusätzlich testen lassen müssen, ist nicht das große Thema. Vielmehr beobachten wir eine zunehmende Verunsicherung bei Unternehmen, die geplante Weihnachtsfeiern und Tagungen sicherheitshalber absagen. In den Restaurants gehen wir davon aus, dass sich viele Gäste darauf einstellen werden, dass sie sich zusätzlich testen lassen müssen. Anders hingegen im Café im Outlet oder beispielsweise bei unserem Winterzauber. Kein Gast lässt sich zusätzlich testen, um einen Kaffee oder einen Glühwein zu trinken. Insgesamt rechnen wir mit starken Umsatzeinbrüchen, die durch die aktuell geltenden staatlichen Unterstützungen sicherlich nicht abgedeckt werden können. Dennoch bieten wir all unseren Gästen kostenlos Selbsttests an.“

Für Tobias Wittstadt vom Fitness- und Gesundheitsstudio Balance fühlen sich die neuen Maßnahmen an wie ein „Lockdown durch die Hintertür“. „Immer mehr Auflagen und Maßnahmen bedeutet für uns ein Sterben auf Raten. Der Ärger bei und mit unseren Kunden und der finanzielle Schaden liegen allein bei uns, denn die neue 2G-plus-Regel wird weitere Umsatzeinbußen nach sich ziehen und viele Unternehmen der betroffenen Branchen in die Zahlungsunfähigkeit bringen“, prophezeit der Studioleiter und erklärt auch, warum das für ihn so ist: „Weil bei 2G-plus eben auch dafür gesorgt werden muss, dass sich die Menschen schnell, einfach, unkompliziert und gratis testen lassen können – doch weder sind die Testkapazitäten für flächendeckendes 2G-plus vorhanden, noch gibt es ausreichend bezahlbare Tests im Groß-(Handel). Und wer sagt uns, dass wir in zwei Wochen nicht doch noch geschlossen werden und die aktuell sehr teuren Tests im Lager vergammeln? So können keine seriösen kaufmännischen Entscheidungen getroffen werden.“

 Im Zweibrücken Fashion Outlet kommt man seit Samstag nur noch über einen Eingang (den direkt am Willkommens-Center, Bild) auf das Gelände, damit der Impfstatus der Besucher einfach kontrolliert werden kann.

Im Zweibrücken Fashion Outlet kommt man seit Samstag nur noch über einen Eingang (den direkt am Willkommens-Center, Bild) auf das Gelände, damit der Impfstatus der Besucher einfach kontrolliert werden kann.

Foto: Elisabeth Heil

Dennoch haben die Balance-Kunden die Möglichkeit, sich vor Ort mit einem eigenen Test und unter Aufsicht zu testen. Voraussichtlich ab dem heutigen Montagnachmittag kann ein Schnelltest auch im Balance zum Selbstkostenpreis von 2,50 Euro erworben werden (solange der Vorrat reicht).

Eine, die schon die Reißleine gezogen hat für die nächste Zeit, ist die Betreiberin des „Bierbrunnen“ in der Zweibrücker Fußgängerzone. Die Gaststätte bleibt wegen der neuen Corona-Verordnung bis auf Weiteres geschlossen. „Wir hätten es gerne weitergeführt, aber mit 2G war es schon schwierig, mit 2G-plus ist es für uns betriebswirtschaftlich nicht mehr machbar“, sagt Tanja Rauch. „Das müssen wir tun, um überhaupt noch eine Chance zu haben. Aber es gibt auch Überlegungen, an ein bis zwei Samstagen oder morgens an Heiligabend zu öffnen“, verrät sie.

Recht guter Dinge ist man im Haaratelier in der Hofenfelsstraße. Für Inhaberin Nicole Kozel und ihr Team ist 2G vollkommen in Ordnung. „So leisten wir unseren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie“, betont sie. Hygiene spiele in ihrem Geschäft ohnehin eine große Rolle und die Kontakterfassung sei die ganze Zeit schon notwendig gewesen. „Da sind wir eingespielt. Sollte allerdings 2G-plus auch für uns Friseure gelten, würden wir vor Ort keine Tests durchführen. Das können wir mit unserem kleinen Team einfach nicht leisten und es wäre auch finanziell nicht mehr vertretbar“, sagt die Friseurmeisterin.

Bei Möbel Martin kontrollierten am Samstag Securitymitarbeiter den Impf- und Genesenen-Status aller Kundinnen und Kunden. „Die 2G-Regel ist für uns natürlich eindeutig besser als ein kompletter Lockdown“, betont der Zweibrücker Geschäftsleiter Raimund Beck. „Die Flächenbegrenzung von zehn Quadratmetern pro Kunden habe wir schon länger umgesetzt, was bei der Größe unseres Hauses auch überhaupt kein Problem ist. Die Kunden können auch weiterhin bequem einkaufen.“ Das Restaurant sei allerdings ab diesem Montag, 6. Dezember, vorübergehend geschlossen.

Anders im angrenzenden Globus-Baumarkt, wo die Gastronomie geöffnet bleibt. „Wir sind auch weiterhin zu 100 Prozent für unsere Kunden da. Selbstverständlich haben wir Mitarbeiter am Eingang, die stichpunktartig kontrollieren“, erklärt Marktleiter Darjan Machert.

Um die Kontrollpflicht im Zweibrücken Fashion Outlet zu ermöglichen, ist der Zutritt für alle Besucher über nur noch einen einzigen Eingang direkt am Willkommens-Center eingerichtet. Darüber hinaus hat das Center eine eigene Teststation auf dem Parkplatz eingerichtet, die täglich von 9.30 bis 18 Uhr geöffnet ist.

Ein kleiner Trost für alle, die im Moment unter 2G-plus-Bedingungen arbeiten müssen: Geboosterte und Menschen, die erst kürzlich ihre zweite Impfung erhalten haben oder genesen sind, sind nach der neuesten rheinland-pfälzischen Coronaverordnung von der Testpflicht befreit.

35 weitere Covid-19-Infektionen haben sich am Samstag im Gesundheitsamtsbezirk Südwestpfalz bestätigt. Neun der Neuinfizierten sind aus Zweibrücken, sechs aus Pirmasens und 20 aus dem Landkreis Südwestpfalz (darunter zwei in Contwig und Dellfeld sowie einer in Althornbach). Die Sieben-Tage-Neuinfektions-Inzidenzwerte lagen bei 353,8 (Landkreis), 353,3 (Pirmasens) und 346,9 (Zweibrücken) Die rheinland-pfälzische Hospitalisierungs-Inzidenz betrug 3,99. Am Sonntag gab es vom Gesundheitsamt Südwestpfalz keine Mitteilung, die Zahlen werden wohl wie zuletzt üblich am Montag nachgetragen.

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