Prozess gegen Dealerbande Gericht schmettert Verteidiger-Anträge ab

Zweibrücken · Die Anwälte der mutmaßlichen Drogendealer bezweifeln, dass Daten aus gehackten Handys im Prozess verwendet werden dürfen.

 Die Ermittler kamen der Bande unter anderem durch Nachrichten auf die Spur, die sie über den Server eines französischen Netzwerkanbieters verschickt hatten.

Die Ermittler kamen der Bande unter anderem durch Nachrichten auf die Spur, die sie über den Server eines französischen Netzwerkanbieters verschickt hatten.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Komplett abgelehnt: Die Erste Große Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken hat in der vergangenen Woche die Anträge der Verteidiger der neun mutmaßlichen Mitglieder einer Drogenhändlerbande zurückgewiesen.

Staatsanwältin Karin Ephan und Staatsanwalt Christian Horras hatten den bislang vor allem in Kaiserslautern lebenden 23- bis 35-jährigen Männern zu Beginn der drei parallel laufenden Prozesse vorgeworfen, sich Mitte 2018 zusammengeschlossen und bis November 2020 gewerbsmäßig als Mitglieder einer Bande in über 100 Fällen jeweils im zweistelligen Kilogramm-Bereich mit Betäubungsmitteln gehandelt und Drogen im Wert von mehreren Millionen Euro umgeschlagen zu haben. Dabei sollen sie zunächst Rauschgifte wie Marihuana, Amphetamin, Kokain und Haschisch in größeren Mengen bei Lieferanten im Rhein-Main-Gebiet oder übers Internet erworben, in einer „Bunkerwohnung“ in Kaiserslautern zwischengelagert und in Zweibrücken, in der Südwest- und in der Saarpfalz gewinnbringend weiterverkauft haben.

Die Verteidiger der Angeklagten hatten – letztlich erfolglos – unter anderem die Aussetzung des Verfahrens beantragt, um zunächst vom Bundesgerichtshof (BGH) und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären zu lassen, ob ein Verfahren, das sich unter anderem auf die Auswertung von Daten des von französischen Ermittlern geknackten Encrochat-Netzwerkes stützt, überhaupt rechtmäßig ist. Zudem beantragten die Anwälte, im Fall einer Verfassungsbeschwerde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Eine solche Karlsruher Grundsatzentscheidung könnte allerdings aufgrund der jeweiligen Verfahrensdauer mehrere Jahre auf sich warten lassen.

Rückblende: Anfang 2020 war es französischen Ermittlern gelungen, einen Server des Netzwerkanbieters Encrochat in Roubaix zu infiltrieren und alle darüber verschickten Nachrichten zu entschlüsseln. Wobei sich herausstellte, dass der Kurznachrichten-Dienst in mehreren Ländern Europas fast ausschließlich von Kriminellen genutzt wurde. Chats mit Bezug zu Deutschland gaben die französischen Behörden an das Bundeskriminalamt (BKA) und dieses an die Landeskriminalämter (LKÄ) weiter. Im März 2020 leitete die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein. Das BKA bekam über Europol Hunderttausende Chatverläufe übermittelt. Im Juli 2020 wurde Encrochat abgeschaltet. Es gab hunderte Festnahmen.

Es gebe „keine Anhaltspunkte“ dafür, dass die französischen und deutschen Behörden fehlerhaft und rechtswidrig gehandelt hätten, als sie der Encrochat-Daten habhaft wurden und sie auswerteten, begründete die Vorsitzende Richterin Susanne Thomas die Ablehnung der Verteidiger-Anträge. „Die erhobenen Encrochat-Daten können verwertet und in er Hauptverhandlung erhoben werden“, wies sie den Antrag auf ein Beweisverwertungsverbot zurück. Schließlich sei auch die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main in ihrer juristischen Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass die Encrochat-Daten als Beweismittel zulässig seien. Die Vorsitzende verwies zudem darauf, dass mehrere Oberlandesgerichte bereits zu demselben Schluss gekommen seien. Auch den Verteidiger-Anträgen auf die „Herbeiziehung“ von Akten des BKA und der Generalstaatsanwaltschaft erteilte Richterin Thomas eine Absage: „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die (für den Prozess relevanten) Akten unvollständig sind.“ Zudem gebe es Akten, „die nicht vom Akteneinsichtsrecht umfasst sind“. Ebenso lehnte es die Strafkammer ab, den von den Verteidigern angeforderten Sachverständigen für Internet-Forensik zu bestellen.

Die Verhandlungen werden in dieser Woche fortgesetzt.

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