Landgericht Zweibrücken Gericht darf Encrochat-Daten verwerten

Zweibrücken · Das Landgericht Zweibrücken hat in der vergangenen Woche die vier parallel laufenden Verhandlungen gegen insgesamt elf Männer fortgesetzt, die in der Südwest- und Saarpfalz gemeinsam mit Rauschgift gehandelt haben sollen.

 Am Landgericht Zweibrücken wurde der Prozess gegen einen 46-jährigen fortgesetzt, der versucht haben soll kiloweise Marihuana nach Pirmasens transportieren zu lassen.

Am Landgericht Zweibrücken wurde der Prozess gegen einen 46-jährigen fortgesetzt, der versucht haben soll kiloweise Marihuana nach Pirmasens transportieren zu lassen.

Foto: Rainer Ulm

Nun ist es sozusagen amtlich: Encrochat-Daten dürfen als Beweismittel dienen. Über den inzwischen eingestellten Kurznachrichtendienst Encrochat hatten Verbrecher aus dem Bereich Organisierte Kriminalität europaweit kommuniziert und dabei Straftaten geplant. In der vergangenen Woche hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Daten der Encrochat-Software in Deutschland als Beweismittel verwertbar sind, wenn so schwere Straftaten aufgeklärt werden können.

Auf diese Entscheidung hat Staatsanwältin Karin Ephan am Freitag am Ende einer Verhandlung vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken hingewiesen, wo auch in der vergangenen Woche die vier parallel laufenden Drogenbanden-Prozesse fortgesetzt wurden. „Es ist wichtig, dass alle Angeklagten das gehört haben“, sagte die in diesen Verfahrenen federführende Anklägerin. Sie reagierte damit auch darauf, dass die Verteidiger nicht müde werden, der Verwertung der Erkenntnisse aus der Überwachung von Encrochat-Handys zu widersprechen, sobald sich die Ermittler in ihren Aussagen auf derartige Erkenntnisse stützen – so geschehen auch in den jüngsten Verhandlungen.

In dem Fall, der der aktuellen BGH-Entscheidung zugrunde liegt, ging es um einen zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilten Drogenhändler aus Hamburg, in dessen Verfahren vor dem Landgericht der Hansestadt über Encrochat versandte Nachrichten als Beweise gedient hatten. Seine Revision wurde nun vom BGH verworfen. Es sei nicht um „anlasslose Massenüberwachung unverdächtiger Handynutzer“ gegangen, begründete der BGH seine Entscheidung. Schon mit dem Kauf eines Encrochat-Handys, das teuer und auf normalem Vertriebsweg nicht zu erhalten sei, mache sich ein Nutzer krimineller Aktivitäten verdächtig, hieß es.

Französischen und niederländischen Ermittlern war im Frühjahr 2020 in Zusammenarbeit mit den EU-Behörden Europol und Eurojust ein Hackerangriff auf das Encrochat-Programm gelungen (wir berichteten). Wodurch die Handys von Zehntausenden mutmaßlichen Kriminellen überwacht werden konnten. Infolge der Entschlüsselung des zuvor vom Betreiber als abhörsicher gepriesenen Netzwerks wurden in Deutschland Hunderte Strafverfahren eingeleitet, so auch am Landgericht Zweibrücken. Dort müssen sich seit April 2021 elf Männer in vier parallel laufenden Verfahren wegen des Vorwurfs bandenmäßigen Drogenhandels verantworten. Sie sollen sich laut Anklage Mitte 2018 zusammengeschlossen und bis November 2020 in über 100 Fällen kiloweise Betäubungsmittel im Millionen-Wert umgeschlagen haben. Dabei sollen sie Marihuana, Amphetamin, Kokain und Haschisch bei Lieferanten vor allem im Rhein-Main-Gebiet oder übers Internet erworben und in der Südwest- und Saarpfalz, auch in Pirmasens und Zweibrücken, weiterverkauft haben.

Diese Geschäftspraxis bestätigte auch einer der in der vergangenen Woche im Landgericht gehörten Ermittler. Der 47-jährige Beamte der Kriminaldirektion Kaiserslautern schilderte minutiös, wie, wann und wo sich die Angeklagten verabredet hatten, um Drogenlieferungen entgegenzunehmen und die Betäubungsmittel weiterzuleiten – unter anderem in eine Bunkerwohnung in Zweibrücken, in der kiloweise Marihuana deponiert worden sei. Hier habe sich einer der jetzt Angeklagten im Mai 2020 im Rahmen einer „Beschaffungsfahrt“ an einer Auto-Waschanlage verabredet, um einen Abnehmer Drogen zu übergeben. Auch über die Qualität des Rauschgifts habe man sich über Kurznachrichten ausgetauscht. So sei ein übermitteltes Foto, das offenbar eine Portion Marihuana zeigte, vom Adressaten mit den Worten kommentiert worden; „Sieht lecker aus.“ Durch die Auswertung der Encrochat-Daten sei auch ein Kontakt eines der nun Angeklagten zu einem Mann aus Frankenthal festgestellt worden, der dann habe identifiziert werden können und inzwischen vom Landgericht Frankenthal zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden sei, berichtete der Kriminalbeamte.

Die Verhandlungen werden fortgesetzt.

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