Bebauungsplan für „Junges Wohnen am Himmelsberg“ endgültig fertig Stadtrat lehnt Fußweg für Behinderte ab

Zweibrücken · Die Lebenshilfe wollte auf eigene Kosten einen Fußweg anlegen, damit die Bewohner ihres „Haus Birke“ durch das Neubaugebiet „Junges Wohnen am Himmelsberg“ sicherer in die Stadtmitte kommen.

 Hier sollen 13 Bauplätze für Ein- und Zweifamilienhäuser entstehen. Hinten das „Haus Birke“ der Lebenshilfe.

Hier sollen 13 Bauplätze für Ein- und Zweifamilienhäuser entstehen. Hinten das „Haus Birke“ der Lebenshilfe.

Foto: Immobilia Vertriebsgesellschaft für Mehrfamilienhäuser und Wohnanlagen mbH/Immobilia

13 neue Ein- und Zweifamilienhäuser dürfen jetzt auf der Brachfläche des früheren Krankenhaus-Altbaus zwischen Oberer Himmelsberg-, Oberer Dennis- und Ringstraße entstehen. Denn der Zweibrücker Stadtrat hat am Mittwochabend den Bebauungsplan „Junges Wohnen am Himmelsberg“ einstimmig beschlossen.

Allerdings gab es fünf Enthaltungen (Grünen-Fraktion) – und zuvor eine äußerst erregte Debatte. Diese dreht sich nicht um das schon seit Langem grundsätzlich allseits sehr begrüßte Projekt des Investors Willi Geßner – sondern um die Anregung der Lebenshilfe Zweibrücken e. V., im Bebauungsplan einen Fußweg durch das Neubaugebiet vorzusehen. Einen Fußweg, der den 24 geistig behinderten Bewohnern des „Haus Birke“ einen deutlich sichereren Weg ins Stadtzentrum ermöglichen würde, wie Patrick Lang (FWG) argumentierte. Die Lebenshilfe hatte in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Bebauungsplan zudem kritisiert, die derzeitige Bebauungs-Planung schotte die Neubau-Wohnungen gegen das Lebenshilfe-Haus bewusst ab. Die Lebenshilfe hatte angeboten, die Kosten für den Fußweg zu übernehmen – und auch ihre Spielflächen für die neuen Nachbarn zu öffnen. Lang mahnte seine Ratskollegen: „Inklusion ja, aber nicht vor unserer Haustür – das kann nicht unser Motto sein!“ Er sehe „keinen einzigen Grund“, den Fußweg abzulehnen, dies „würde mich beschämen“.

Direkt nach Lang stellte Atilla Eren (fraktionslos, WG Schneider) Oberbürgermeister Marold Wosnitza zwei Fragen. Auf „Was spricht gegen den Anschluss?“ erhielt er vom OB jedoch keine Antwort. Allerdings steht in einer von Wosnitza (SPD) unterzeichneten Sitzungsvorlage: „Der Nutzen der Allgemeinheit ist nicht nachvollziehbar.“ Denn zwar wäre ein Fußweg „zu begrüßen“ – „allerdings führt in diesem Fall die Verbindung nur zu einem privaten Grundstück der Lebenshilfe“. Ein Fußweg würde zudem zu höheren Unterhaltungskosten führen und zwei Baugrundstücke „erheblich“ einschränken. Es seien dann dort nämlich keine Zwei-, sondern nur noch Einfamilienhäuser möglich, sagte Ulrich Schüler (FDP). Grünen-Fraktionschef Norbert Pohlmann entgegnete, der Bebauungsplan lege sowieso nicht fest, ob dort Ein- oder Zweifamilienhäuser entstehen.

Pohlmann betonte, es gehe nicht darum „dem Investor Steine in den Weg zu legen“ – Die Grünen begrüßten das Bauen auf einer innerstädischen Brachfläche ausdrücklich. „Es geht um unsere Entscheidung, ob Inklusion nur eine abstrakte Forderung ist – oder gelebte Praxis.“ Pohlmann fragte – nachdem vorige Woche schon der Bauausschuss den Fußweg abgelehnt hatte – provokant: „Würde die Abwägung anders aussehen, wenn es nicht um Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ginge, sondern zum Beispiel einen Kindergarten?“

Das sorgte für empörtes Schnaufen bei der CDU. Und später deutliche Worte von Fraktionschef Christoph Gensch: „Ich weise es auf das Schärfste zurück, dass Sie und Herr Lang hier moralisieren – als ob der Rat gegen Inklusion wäre!“ Dies empfinde er als „eine Frechheit“. Es sei, wie auch bei anderen Bauprojekten, „Sache des Investors, die Entscheidung muss man respektieren, ob man sich gegen etwas abgrenzen will“. Im Bebauungsplanverfahren habe der Stadtrat „nur städtebauliche Fragen zu prüfen oder ob möglicherweise eine Gefährdung vorliegt.“ Aber wenn die Lebenshilfe „zwei Meter neben einer vielbefahrenen Straße eine Wohnanlage setzt“, könne sie sich „jetzt nicht beschweren, wenn es keinen Fußweg gibt“.

Auch FWG-Fraktionschef Kurt Dettweiler sagte erregt: „Ich wehre mich gegen die Unterstellung, dass ich gegen gelebte Inklusion bin!“ FDP-Fraktionschefin Ingrid Kaiser kritisierte Die Grünen: „Sowas von Ideologisierung habe ich noch nie erlebt, dass man einen Bebauungsplan als Ursache nimmt, uns moralische Verwerflichkeit vorzuwerfen!“ Pohlmann entgegnete: „Es geht nicht ums Moralisieren, sondern um die Frage, ob man ein öffentliches Interesse an so einem Weg sieht.“

Die Partei/Die Linke-Fraktionschef Bernd Ringle beantragte vergeblich eine Vertagung und weitere Beratungen im Bauausschuss. Der Linke betonte: „Wir sind gegen den Ausschluss von Behinderten!“ Die Lebenshilfe habe für ihr 2012 eröffnetes Wohnheim einen problematischen Standort gewählt – wenn dieser sich jetzt aber zu einem Neubaugebiet öffnen ließe, gelte es diese Chance zu nutzen, zumal die Lebenshilfe die Fläche für den Fußweg ja kaufen wolle.

SPD-Fraktionschef Stéphane Moulin räumte ein: „Vieles von dem, was Bernd Ringle gesagt hat, ist richtig.“ Beim intensiven Abwägen in der SPD-Fraktion sei man aber zum Schluss gekommen, der Lebenshilfe den Fußweg-Wunsch nicht zu erfüllen. Man müsse beim Bebauungsplan nämlich „irgendwann mal Nägel mit Köpfen machen“. Moulin betonte aber: „Niemand will hier irgendjemand ausgrenzen.“ Und schlug vor, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, um nach anderen Lösungsmöglichkeiten zu suchen – zum Beispiel den Zugang des Lebenshilfe-Hauses zur Oberen Denisstraße barrierefrei zu gestalten. Ähnlich äußerte sich Dirk Schneider (fraktionslos, Ex-SPD).

Patrick Lang dagegen hält den von der Lebenshilfe gewünschten Fußweg durch das Wohngebiet für „alternativlos“. Lang beantragte Rederecht für den Lebenshilfe-Vorsitzenden Fred Konrad. Darüber ließ OB Wosnitza gar nicht erst abstimmen, nachdem Rechtsamtsleiterin Annegret Bucher auf die Geschäftsordnung des Stadtrats verwiesen hatte, wonach dieser beschließen kann, „zu bestimmten Beratungsgegenständen Sachverständige und Vertreter berührter Bevölkerungsteile zu hören“. Anders als für Lang ist der Lebenshilfe-Chef für Bucher aber kein „Vertreter berührter Bevölkerungsteile“ – weil er nämlich nicht im betroffenen Gebiet wohne.

 Im September hatte der Stadtrat Christina Rauch als neue Beigeordnete gewählt, zum 1. Januar tritt sie ihr Amt an – und am Mittwochabend erhielt sie von Oberbürgermeister Marold Wosnitza die Ernennungsurkunde, beäugt von Bürgermeister Christian Gauf. (Bericht folgt.)

Im September hatte der Stadtrat Christina Rauch als neue Beigeordnete gewählt, zum 1. Januar tritt sie ihr Amt an – und am Mittwochabend erhielt sie von Oberbürgermeister Marold Wosnitza die Ernennungsurkunde, beäugt von Bürgermeister Christian Gauf. (Bericht folgt.)

Foto: Lutz Fröhlich

Am Ende der Debatte lehnten 28 Räte (CDU, SPD, AfD, FDP, FWG außer Lang, Schneider) den Fußweg ab. Dafür stimmten 9 Räte (Grüne, Partei/Linke, Eren, Lang).

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