Vortrag Gefahren der „Verbitterungsmilieus“

Zweibrücken · Vortrag über das Erstarken populistischer Strömungen in der Friedenskirche.

Auf die politischen und gesellschaftlichen Ursachen für das Erstarken populistischer Strömungen in Deutschland genauso wie in Europa ist Professor Günther Schmid auf Einladung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik bei einem Vortrag in der Versöhnungskirche eingegangen. Schmid ist Professor emeritus für Internationale Politik an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung (München/Berlin) und sprach 90 Minuten vor über 50 Gästen in Zweibrücken. „In der internationalen Politik gibt es einen eindeutigen Trend, ein Krisenstakkato seit 2007. Im auswärtigen Amt spricht man hierzu von einem Krisenjahrzehnt“, eröffnete Schmid seine Ausführungen. Seit der globalen Finanzkrise 2007, die von vielen Bürgern als Systemversagen der westlich-demokratischen Ordnung wahrgenommen wurde, nähmen die Zweifel an der Handlungsfähigkeit liberaler Demokratien zu.

Die Flüchtlingsfrage in 2015/16 sei das bisher sichtbarste Symbol für einen wahrgenommenen Kontrollverlust der Politik. Sie veranschauliche eine Überforderung des Staates und eine tiefe Verunsicherung seiner Bürger. „Die Aufhebung der Grenze zwischen Lüge und Wahrheit kennzeichnet fast jede populistische Bewegung“ sagte Schmidt. Ihr gemeinsamer Bezugspunkt ist der einfache Bürger, der durch schlichte Wahrheiten überzeugt und in den Bannkreis einer subversiven Ideologie gezogen wird. „Diese Bewegungen haben alle einen charismatischen Führer, der mit kollektiven Bedrohungsvorstellungen eine Kulisse aufbaut für seine fragwürdigen Ideen.“ Die Reduktion komplexer Zusammenhänge zeichne dabei ein Weltbild abseits der gesellschaftlichen Wirklichkeit, erklärte Schmid.

Die liberale Demokratie werde zunehmend herausgefordert von einer autoritären, globalisierungsfeindlichen Gegenbewegung. Alleine in Europa gibt es derzeit fünfzehn rechtspopulistische Parteien, die in Wahlen reüssieren. Der Machtzuwachs nationalistischer Gruppierungen im Inneren und ein seinen autokratischen Einflussbereich ausweitender autoritärer Internationalismus bedrohe deswegen weltweit die freiheitliche Ordnung.

„Demokratischen Ideale büßen an Bedeutung ein. Auch in Deutschland. Wir erleben überall eine populistische Renaissance seit vielen Jahren“ berichtete Schmid. Als Auslöser benannte er die globale Wirtschafts- und Finanzkrise und einen ungezügelten Kapitalismus. Hinzu komme eine Erosion der Mittelschicht, denn die Marginalisierung etablierter Schichten führe zu der „Entstehung eines Verbitterungsmilieus“. Genau dies treibe die Menschen in die Arme des Populismus. Schmid plädierte daher entschieden für soziale Gerechtigkeit und für eine offene Gesellschaft, die auf die Kraft der Auseinandersetzung vertraut.

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