Reichspogromnacht Beitrag gegen das Vergessen

Zweibrücken · Annähernd 100 Teilnehmer kamen an die ehemalige Synagoge zum Gedenken an die Reichspogromnacht.

 Wolfgang Gries und Kurt Liebmann (v. links) hatten eine Fahne mitgebracht, die schon bei 1982 bei der großen Friedensdemo in Bonn dabei war. Gebatikt wurde sie übrigens von der Spielstube in der Junkerstraße.

Wolfgang Gries und Kurt Liebmann (v. links) hatten eine Fahne mitgebracht, die schon bei 1982 bei der großen Friedensdemo in Bonn dabei war. Gebatikt wurde sie übrigens von der Spielstube in der Junkerstraße.

Foto: Susanne Lilischkis

Zum 85. Mal jährte sich am Donnerstag die Reichspogromnacht. Der Ökumenische Arbeitskreis, der Historische Verein, der Aktionskreis Buntes Zweibrücken und die Stadt luden die Mitbürger zu einer Gedenkveranstaltung an der ehemaligen Synagoge ein.

Beigeordnete Christina Rauch erinnerte in ihrem Grußwort an das Gebäude, das aus Hass und Rassenwahn zerstört wurde: „Niemand unternahm etwas dagegen. Wir sagen gemeinsam: Nie wieder! Wir alle wissen um die erneuten Gefahren von Rassismus und Nationalismus.“ Sie wies auf das Massaker der Hamas an Israelis hin und die Aufgabe eines jeden von uns, das eben beschworene Nie wieder! zu leben. „Wenn wir Zeuge von Unrecht werden, dürfen wir nicht zögern, etwas zu sagen. Jeder von uns muss sich für jüdisches Leben einsetzen“, ergänzte sie.

Auch der erste Vorsitzende des Historischen Vereins, Michael Schubert, kam in seinem Beitrag auf die Synagoge zu sprechen: „Sie prägte über 60 Jahre das Stadtbild.“ Dass die Juden angesehene Bürger waren, bevor die Nazis die Macht übernahmen, belegte er mit einem historischen Zeitungsausschnitt. Darin heißt es, ein Israelit hätte für 14 arme Witwen am Heiligen Abend Brot, Kaffee, Zucker und Kohlen gespendet.

Wie anders sah es nach dem Aufkommen des Nationalsozialismus aus. Da hing ein Schild am Freibad an der Schließ, auf dem stand: „Für Juden und Hunde verboten“. Er schloss mit einem Satz von Margot Friedländer, die kürzlich ihren 102. Geburtstag gefeiert hat: „Was war, das war, wir können es nicht mehr ändern. Es darf nur nie wieder jemals geschehen.“

Mitglieder des Geschichts-Leistungskurses am Helmholtz-Gymnasium wollten ebenfalls einen Beitrag gegen das Vergessen leisten. Mit Zahlen versuchten sie, das Ausmaß der Zerstörungen und des Leides der Reichpogromnacht zu fassen. Es wurden über 2000 Synagogen beschädigt oder zerstört, 7500 jüdische Geschäfte verwüstet und 30000 jüdische Männer verhaftet. „1938 war ein Endpunkt der Zivilisation erreicht“, waren sich die Schüler einig. Exemplarisch stellten sie die Aufzeichnungen eines Opfers und eines Täters vor. Auch Schüler und Schülerinnen des Hofenfels-Gymnasiums hatten sich mit dem Thema beschäftigt. Sie erinnerten an ein Pogrom, das schon weit vor 1938 stattfand, im Jahr 1923 nämlich, als ein wütender Mob durch die Straßen von Berlin zog und jüdische Geschäfte zerstörte. Sie gedachten auch der Opfer heutiger Kriege und des Hungers und fragten: „Welche Welt werden wir erben?“

Von der Berufsbildenden Schule kam ebenfalls ein Impuls. „Die Pogromnacht war der Beginn des systematischen Völkermordes an den Juden, eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheit. Und Antisemitismus oder Hass existieren noch immer.“ Die Schüler verdeutlichten die Wichtigkeit, zusammenzuhalten und die Menschenwürde zu verteidigen. „Wir dürfen nicht von einer Selbstverständlichkeit des Friedens ausgehen“, schlossen sie ihren Vortrag. Pfarrer Wolfgang Emmanuel verwies auf die gefährliche Polarisierung unserer Gesellschaft und auf den Hass in den sozialen Medien. Mit Blick auf die Christen gestand er: „Damals waren die Stimmen aus der Kirche viel zu leise.“ Gemeinsam mit Pfarrer Günter Sifft, der das Gedenken musikalisch begleitete, sprach er im Anschluss den Segen.