Führung PM JVA Spannende Einblicke hinter Gefängnismauern

Zweibrücken. · Die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken öffnet ihre schweren Tore für Leserinnen und Leser des Pfälzischen Merkur.

 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser besonderen Führung durch die Zweibrücker JVA bei ihrer Ankunft am großen Tor.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser besonderen Führung durch die Zweibrücker JVA bei ihrer Ankunft am großen Tor.

Foto: Susanne Lilischkis

Mit leisem Zischen öffnet sich das weiße hydraulische betriebene Tor in der dicken Klinkermauer. Langsam gehen die Besucher in einen Hof, überall sind Gitter und Kameras zu sehen. Jeder wird von Uniformierten abgetastet. Erneut besuchen Leserinnen und Leser des Pfälzischen Merkur einen Ort, den man nicht so ohne weiteres mit einer Eintrittskarte besuchen kann. Dieses Mal ist es die Justizvollzugsanstalt (JVA) Zweibrücken.

Jürgen Buchholz, seit 2013 Leiter des Gefängnisses, begrüßt die Gruppe in einem Raum, der in der Anstalt als Frauenkirche dient. Vor den Fenstern sind Gitter, und auf den Fensterbänken stehen Grünpflanzen. Ein kleiner Altar nimmt eine Ecke des Raumes ein. Bevor er mit seinem Vortrag beginnt, will Jürgen Buchholz von den Besuchern wissen, warum sie hierher gekommen sind. „Ich gehe seit 70 Jahren an der Mauer entlang, jetzt will ich wissen, was dahinter ist“, sagt ein Teilnehmer. Eine andere Frau erinnert sich an einen Besucher, der in ihrer Kindheit an der Haustür klingelte und um Geld bat. Später habe sie erfahren, dass es ein aus dem Gefängnis entkommener Verbrecher gewesen sei.

In der ältesten Haftanstalt in Rheinland-Pfalz war man immer aufgeschlossen für Neues, so Buchholz. Und mit dem üblichen Klischee über Gefangene räumt er ganz am Anfang seiner Rede auf: „Hier sitzen nicht hochgefährliche Monster ein, kein Hannibal Lecter, es sind ganz normale Menschen, die eine falsche Abzweigung genommen haben.“

Und auch das Personal besteht nicht nur aus Justizvollzugsbeamten. Die JVA beschäftigt neben dem Wachpersonal einen Arzt, Seelsorger, Juristen, Verwaltungsmitarbeiter und Ausbilder im Werksdienst. Im Zweibrücker Gefängnis sitzen Menschen aus 36 Nationen ein, sie hängen verschiedenen Glaubensrichtungen an oder sind Atheisten, die jüngste Gefangene ist 14, die älteste 78 Jahre. „Wir haben hier alle Probleme, die Menschen haben können, von der Pubertät über die Midlife-Crisis bis hin zu Altersbeschwerden“, sagt Jürgen Buchholz. „Deshalb müssen wir den Vollzug so gestalten, dass es nicht knallt.“ Und das leisten die Justizvollzugsbeamten, die heutzutage keine reinen Wärter mehr sind. Die Berufsausbildung im allgemeinen Vollzugsdienst beinhaltet auch die Fähigkeit, Krisen erkennen und entschärfen zu können, Motivation zu geben und Menschen eine Zukunftsperspektive zu bieten. „Wer hier ist, hat sich beworben“, informiert der JVA-Leiter das Publikum und meint damit nicht nur die Mitarbeiter. „Sie müssen eine Straftat begehen, sich erwischen lassen und es schaffen, verurteilt zu werden“, skizziert er den Weg hinter Gitter. Am ersten Tag im Gefängnis erhält der Straftäter eine Grundausstattung an Kleidung. Die Privatkleidung und mitgebrachte Habe müssen er oder sie abgeben. Dann geht es in den Haftraum. Der ist zehn Quadratmeter groß mit Bett, Schrank, Klapptisch, Stuhl, Waschbecken und Toilette. Wecken ist um sechs Uhr morgens, der Abend endet um 21.30 Uhr. Zum Arbeiten wird keiner der Gefangenen gezwungen, doch die meisten wollen einen Job, denn so können sie sich einen bescheidenen Verdienst erwirtschaften. Die Tageslöhne liegen zwischen 8,63 Euro und 17,99 Euro. Von dem Geld können sich die Insassen im Laden der JVA Lebensmittel, Kaffee und Tabak kaufen. „Der Aufenthalt im Gefängnis bedeutet eine Bestrafung, wir vollziehen eine Freiheitsstrafe“, sagt Jürgen Buchholz, „doch wir gewährleisten nur einen Freiheitsentzug, kein Essensentzug oder andere Formen der Bestrafung. Unsere Aufgabe ist die Resozialisierung. Die Menschen sollen die Möglichkeit haben, sich zu verändern und wir machen ihnen Angebote.“

Ganz anders als in den USA übrigens, wo Gefängnisaufenthalte vor allem der Abschreckung dienen sollen und einige Bundesstaaten noch die Todesstrafe vollstrecken. Die hohen Rückfallquoten in den Vereinigten Staaten zeigen, dass dieses System nicht funktioniert. „Wir hier legen Wert auf eine menschenwürdige und sichere Unterbringung sowie eine respektvolle Ansprache“, bekräftigt der JVA-Leiter. Natürlich erreiche man mit diesem Ansatz nicht jeden, aber das System lohne sich trotzdem. Teil der Resozialisierung ist eine Berufsausbildung oder ein Schulabschluss. Beides können die Gefangenen im Berufsbildungszentrum der JVA Zweibrücken machen. Am Anfang steht ein Vollzugsplan. Gemeinsam mit den Gefangenen wird geschaut, was zu der Straftat geführt hat und welche Maßnahmen ergriffen werden können, dass sich diese nicht wiederholt und der Straftäter wieder Fuß fassen kann. Das können Therapiegespräche sein, Beratungen zum Thema Geld und Schulden, Seelsorge, oder einfach die Ausgabe von Methadon an Schwerstabhängige, die es noch nicht schaffen, von ihrer Sucht los zu kommen.

Die schulische und berufliche Bildung ist ein weiterer Pfeiler der Resozialisierung. Die Gefangenen können verschiedene Berufsabschlüsse erwerben: Hauswirtschafterin, Zerspanungsmechaniker, KFZ-Mechatroniker, Medientechnologe, Elektroniker, Holzmechaniker, Hochbaufacharbeiter, Fachkraft für Metalltechnik, Schweißer und technischer Produktdesigner. Des weiteren können mehrmonatige Schulungen, zum Beispiel zur Servicekraft für Gebäudereinigung oder zur Fachkraft im Gastgewerbe absolviert werden. Wer keinen Hauptschulabschluss vorweisen kann, oder die Mittlere Reife nicht gemacht hat, kann diese Schulabschlüsse im Berufsbildungszentrum nacholen. Wer sich noch nicht fit fühlt für eine schulische oder berufliche Bildung kann durch arbeitstherapeutische Maßnahmen die Fähigkeit für eine spätere Schul- oder Berufsausbildung erhalten. Bei der Freizeitgestaltung können die Gefangenen unter verschiedenen Sportarten wie Basketball, Tischtennis oder Krafttraining wählen, es gibt Schach- und Skatgruppen und für die jugendlichen Gefangenen finden unter anderem Spieleabende statt. Beim Besuch der Maurerwerkstatt zeigen sich die Abonnenten beindruckt von den Möglichkeiten, die den Gefangenen geboten werden, in einer relativ kleinen Halle den Beruf des Maurers zu erlernen. Mancher Besucher fragt sich angesichts der Fülle von Berufs- und Freizeitangeboten hinter Gittern, wo den jetzt die Strafe liegen soll. Zu dem Thema hat Jürgen Buchholz eine klare Meinung - er fragt: „Wie ging es Ihnen, als Sie hier reingegangen sind? Die Türen sind zu, Sie wissen, so schnell kommen Sie hier nicht mehr raus. Ihre sozialen Beziehungen, die sie draußen haben gehen kaputt, Ihre Arbeitsstelle ist weg. Sie sind jetzt mit Menschen zusammen, mit denen Sie normalerweise keinen Kontakt haben würden. Eine Freiheitsstrafe ist einer der schwersten Eingriffe, die unsere Gesellschaft machen kann, das tut richtig weh.“

 Interessant war der Besuch der Maurerwerkstatt. Hier können die Gefangenen einen Beruf erlernen.

Interessant war der Besuch der Maurerwerkstatt. Hier können die Gefangenen einen Beruf erlernen.

Foto: Susanne Lilischkis
 Die Frauen gestalten die Nanas, weibliche Kraftfiguren, in der Arbeitstherapie.

Die Frauen gestalten die Nanas, weibliche Kraftfiguren, in der Arbeitstherapie.

Foto: Susanne Lilischkis
 Von den Gefangenen selbst gestaltete Mosaike.

Von den Gefangenen selbst gestaltete Mosaike.

Foto: Susanne Lilischkis

Mit diesen nachdenklich machenden Worten im Kopf machen sich die Abonnenten auf den Weg zum Ausgang. Und so mancher wird den Wert der Freiheit neu schätzen gelernt haben.

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