„Frontalangriff auf Tarifverträge“

Zweibrücken · Mehr als 200 der knapp 1100 Beschäftigten bei John Deere arbeiten im Auftrag von externen Dienstleistern – und das oft unter deutlich schlechteren Bedingungen als die Stammbelegschaft. Die IG Metall spricht sogar von einem „Frontalangriff auf die Tarifverträge“. John Deere weist die Vorwürfe zurück.

Die IG Metall wirft der Metall- und Elektroindustrie massiven Missbrauch von Werkverträgen vor. Immer mehr Unternehmen lagerten Kernkompetenzen aus. Die Gewerkschaft befürchtet, dass es dabei schlicht um Lohndumping mit Niedriglöhnen gehe. Zudem müssten Beschäftigte mit Werkverträgen oft länger arbeiten und hätten weniger Urlaub als die Stammbelegschaft. Ziel vieler Firmen sei es, die Lohnkosten zu senken und die Mitbestimmung durch die Betriebsräte zu umgehen. Dagegen wehren können sich die Werkvertragsbeschäftigten nur in den seltensten Fällen. "Immer öfter schaffen Unternehmen mit der Auslagerung von Arbeit über Werkverträge betriebsratsfreie und tariflose Zonen", kritisiert Werner Cappel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Homburg-Saarpfalz. Die Gewerkschaft nimmt seit einiger Zeit auch die Werkvertragspraxis in der Region unter die Lupe. Demnach sind aktuell rund 1700 Arbeitnehmer in den von der IG Metall Homburg-Saarpfalz betreuten Industriebetrieben in Werkverträgen beschäftigt. Ganze Ketten von Subunternehmen würden Arbeitnehmer einstellen und beschäftigen oder Werkverträge mit selbstständigen Einzelpersonen schließen. Als Beispiel nennen die Gewerkschaftler John Deere in Zweibrücken . Mehr als 200 Mitarbeiter seien per Werkverträgen für den Landmaschinen-Hersteller tätig, davon etwa 190 direkt auf dem Betriebsgelände. Sie alle arbeiteten im Auftrag externer Dienstleister wie Ferchau Engineering (70 Mitarbeiter), Stamatec (70), LTG (50), Simon und Knapp (20) oder Hays (zehn). Das entspreche rund 20 Prozent der Stammbelegschaft von John Deere . "Und mit diesen Zahlen stapeln wir noch tief", erklärt Benjamin Krimmling, Projektsekretär der IG Metall Homburg-Saarpfalz, im Gespräch mit dem Merkur. Seiner Meinung nach sind Werkverträge ein "Frontalangriff" auf Tarifverträge . "Auf das Stammpersonal wird ein ungeheurer Druck ausgeübt, wenn externe Kollegen direkt nebenan für deutlich weniger Lohn arbeiten."

Bei John Deere relativiert man die Kritik. "Die Zahlen sind so nicht richtig", kontert Personalleiter Horst Schmiemann auf Merkur-Nachfrage. Derzeit seien 150 bis 180 Arbeitnehmer mit Werkverträgen bei John Deere angestellt, aber nur 50 bis 60 davon in Kernkompetenzen, vornehmlich im Bereich Product Engineering. "Das sind in der Regel einmalige Projekte, die nach zwei, drei Jahren beendet sind. Das macht es schwer, diese Mitarbeiter unbefristet zu beschäftigen."

Bruttolöhne von 8,50 bis zehn Euro pro Stunde seien hier die Regel, und damit rund 50 Prozent weniger als beim Stammpersonal - bis zu 18 000 Euro verdienen die Werkvertragler jährlich weniger, behauptet Krimmling. Dabei beschränkten sich die ausgelagerten Tätigkeiten längst nicht mehr nur auf die Logistik, sondern beträfen inzwischen auch "die Kernbereiche der Wertschöpfung", etwa Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, Vormontage oder Konstruktion. Den Unternehmen entstehe dadurch ein immenser "Know-how-Verlust", beklagt der Gewerkschafter. "Was einmal draußen ist, ist draußen - und an diesem Standort dauerhaft weg." Diese Entwicklung führe zu immer größerer Intransparenz, die Firmen wüssten gar nicht mehr, "wie viele Leute da eigentlich auf dem Betriebsgelände herumlaufen. Die Werkverträge fressen sich Stück für Stück in die Unternehmen." Dadurch sieht Krimmling die Sicherheit der Betriebe gefährdet. Die Zerstückelung der Aufgabenbereiche würde einen möglichen Standort-Abbau im Ernstfall beschleunigen. "Je weniger Stammpersonal in einem Betrieb beschäftigt ist, desto geringer wird der Aufschrei sein. Und am Ende kräht kein Hahn mehr danach."

Dabei sei man bei der IG Metall nicht per se gegen Werkverträge . Aber man brauche eine gewisse Ordnung in der Bezahlung, betont Krimmling. "Wir möchten eine Region der fairen Arbeit etablieren. Das geht aber nur mit Tarifverträgen und Betriebsräten." Nur die Tarifbindung dieser Unternehmen schaffe einen Rahmen für fairen Wettbewerb, der nicht zulasten der dort Beschäftigten geht, heißt es in der Zwischenbilanz der IG Metall . Der Trend zur Auslagerung müsse gestoppt werden -und dort, wo Aufträge nach außen gegeben werden, müsse die Auslagerung fair gestaltet werden.

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StichwortBei einem Werkvertrag handelt es sich um einen Vertrag, bei dem sich der Auftragnehmer (Hersteller) verpflichtet, etwas (ein "Werk") gegen Zahlung (Werklohn) durch den Auftraggeber (Besteller) herzustellen. Im Werkvertrag wird die Arbeit nach dem Ergebnis (Werk) beurteilt und nicht nach dem Aufwand der geleisteten Arbeit. Bei einem Werkvertrag werden in der Regel eine Firma oder eine Privatperson mit der Erstellung eines Werks beauftragt. Die Werkvertragsfirma ist dabei verpflichtet, das zugesagte Werk zum vereinbarten Preis herzustellen. maw

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