Flüchtlinge im Hungerstreik

Zweibrücken · Die Geduld einiger syrischer Flüchtlinge, die auf dem Flughafen untergebracht sind, ist am Ende: Weil es mit ihren Verfahren nicht voran geht, sind etwa 50 von ihnen gestern in Hungerstreik getreten.

 Ein Teil der Flüchtlinge, die nach eigenen Angaben gestern in Hungerstreik getreten sind. Foto: jam

Ein Teil der Flüchtlinge, die nach eigenen Angaben gestern in Hungerstreik getreten sind. Foto: jam

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Die Flüchtlingskrise ist nicht nur eine Herausforderung für die deutsche Gesellschaft und die deutsche Bürokratie, sondern auch für die Flüchtlinge selber: Gestern ist eine Gruppe von etwa 50 Flüchtlingen aus der Zweibrücker Erstaufnahme-Einrichtung in den Hungerstreik getreten. Hintergrund ist die Dauer der Verfahren, sagte eine Abordnung der Gruppe im Gespräch mit dem Pfälzischen Merkur. "Wir wissen noch nichts von unserer medizinischen Erstuntersuchung, haben noch keinen Termin für unser Verfahren in Trier." Gemeint ist damit in erster Linie das Registrierungsverfahren, für das die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier zuständig ist; erst danach startet das eigentliche Asylverfahren unter Federführung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge . Zunächst habe man einen Termin bekommen, der sei verschoben worden, mittlerweile gebe es gar keine Termine mehr. "Wir können die Lage im Camp akzeptieren, aber wir brauchen eine Perspektive", sagt einer der Flüchtlinge . Seinen Namen will keiner aus der Gruppe sagen. Unter den Flüchtlingen gehe das Gerücht um, wer mit Journalisten rede, werde in ein anderes Lager geschickt - was Jürgen Buchholz, Leiter der Einrichtung, zurückweist. Kritisiere man die langen Wartezeiten, sagt ein Flüchtling, bekomme man zu hören "Ihr seid hier sicher, habt was zu Essen und müsst nicht frieren". "Wir wissen das zu würdigen", sagt ein anderer junger Mann aus der Gruppe. "Aber wir wollen nicht in Lagern leben und ein paar Euro bekommen. Wir wollen arbeiten, Geld verdienen, unsere Ausbildung beenden."

Mit dem Lagerleben sind manche zufrieden, andere weniger: "Die Leute fühlen sich wie im Gefängnis", sagt einer und zeigt ein Handybild, auf dem man den Zaun zwischen Abflughalle und Flugfeld sieht. Die Einrichtung sei so weit vom Schuss, dass man nirgendwohin gehen könne, Bustickets seien zu teuer. Ein Mann, der in der Familienabteilung untergebracht ist, erzählt, er bekomme jede Nacht nur zwei bis drei Stunden Schlaf, weil ständig irgendein Kind weine.

"Ich kann die Leute verstehen", sagt Jürgen Buchholz. Erst heute Morgen habe er - nicht zum ersten Mal - versucht, den Flüchtlingen die Situation zu erklären. "Das Problem ist einfach, dass die übergeordneten Strukturen wegen der Menge zusammengebrochen sind", sagt er. "Die Problematik betrifft alle Einrichtungen." Man müsse sich klar machen, dass jeden Tag 400 bis 500 Flüchtlinge nach Rheinland-Pfalz kommen. Die ADD habe ihm mitgeteilt, sie habe derzeit nicht genug Personal. Neues werde im Schnellverfahren geschult. Noch in dieser Woche soll ein ADD-Vertreter nach Zweibrücken kommen und den Flüchtlingen die Problematik erläutern. Die medizinische Erstuntersuchung "läuft", allerdings seien die dafür eingesetzten Ärzteteams der Kreisverwaltung derzeit selbst durch Krankheitsfälle geschwächt. Wer Beschwerden habe, werde jedoch auf jeden Fall medizinisch versorgt. Außerdem sei von Montag bis Freitag jeden Tag ein Kinderarzt in der Einrichtung. "Das ist Rheinland-Pfalz-weit einzigartig".

Vom Hungerstreik ist Buchholz milde überrascht. "Es stand als Möglichkeit im Raum", sagt er. Erst gestern Morgen habe er erstmals schlechte Stimmung in der Unterkunft gespürt. Dass niemand länger als unbedingt nötig in der Einrichtung leben will, sei davon unabhängig absolut nachvollziehbar. In die Familienabteilung nachts "komplette Ruhe reinzubringen" sei schwierig - wenn nicht unmöglich. Sinn des kritisierten Zaunes sei nicht, die Flüchtlinge auf dem Gelände zu halten, sondern einen unkontrollierten Besucherstrom zu verhindern und den Flüchtlingen so einen Rest an Privatsphäre zu geben. Fakt sei, dass sich alle Mitarbeiter der Einrichtung viele Stunden am Tag "unendlich viel Mühe" gäben, den Aufenthalt für die Flüchtlinge möglichst angenehm zu gestalten. Auch, wenn der noch eine Weile dauern sollte. Buchholz: "Wir müssen miteinander warten."

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