Finsterer Putsch, repressiver Erdogan
Zweibrücken · Mit einem türkischen Oppositionellen hat sich die südwestpfälzische Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer (CDU) kürzlich unterhalten. In dem Gespräch ging es um die derzeitige Situation in der Türkei.
Über die Situation in der Türkei nach dem Putschversuch vom 15. Juli hat die südwestpfälzische Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer (CDU ) jetzt mit einem türkischen Oppositionspolitiker gesprochen. Sie traf den Parlamentsabgeordneten Metin Lütfi Baydar von der säkularen Republikanischen Volkspartei (CHP) in ihrer Funktion als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Nato .
Während des Gesprächs verurteilte Baydar den "finsteren" Putschversuch zwar, monierte aber gleichzeitig, dass die AKP-Regierung in der Folge ihre "repressive Politik" verstärkt habe. "In gewisser Weise war dies eine Gelegenheit für Präsident Erdogan, alle Arten von Opposition gegen seine Herrschaft zu unterdrücken. In der gegenwärtigen türkischen politischen Atmosphäre wurden die illegalen Maßnahmen der Regierung als ‚Kampf gegen die Putschisten ' legitimiert", wird der CHP-Politiker in einer Übersetzung des Gesprächs mit Schäfer zitiert.
Zu der Frage, wer nach Meinung der türkischen Öffentlichkeit hinter dem Putsch stecke, sagte Baydar: "Es gibt die starke Meinung in der Türkei, dass die Gülen-Bewegung (die Hizmet-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen , der im US-Exil lebt, Anm. d. Red.) hinter dem Putschversuch stand. Es gibt auch starke Indizien, die diese Meinung unterstützen." Der CHP-Politiker erinnerte gegenüber Schäfer allerdings auch daran, dass die islamisch-konservative Regierungspartei AKP "Hand in Hand" mit der Gülen-Bewegung gearbeitet habe. Baydar sagte laut Gesprächsprotokoll: "Tatsächlich wurden Fethullah Gülen und seine Hizmet-Bewegung von der AKP selbst unterstützt und betrieben. Gülenisten wurden in der staatlichen Bürokratie platziert, auf legalen und/oder illegalen Wegen. Das bedeutete eine offensichtliche Kollaboration zwischen der Gülen-Bewegung und der AKP-Regierung, um die Türkei mit einem politischen Islam zu regieren. Diese Kollaboration bedeutete außerdem, dass Mustafa Kemal Atatürks Vermächtnis einer säkularen und zivilisierten türkischen Republik zugunsten eines neuen Staatsmodells zerstört werden sollte." Um das zu erreichen, habe die AKP-Regierung bewusst gülenistische Personen in staatliche Institutionen von größter Bedeutung gebracht, wie das Militär, die Gerichtsbarkeit, Universitäten, Bürokratie, und auch die Medien. Die Kollaboration habe erst geendet, als die Gülenisten Ende 2013 Maßnahmen gegen Erdogan und sein Kabinett ergriffen hätten, um deren Korruption zu enthüllen. "Heute, nachdem sie jahrelang alle von der Opposition gemachten Bemerkungen und Hinweise ignoriert hat, gibt die AKP endlich zu, dass sie einen Fehler gemacht hat", sagte Baydar zum Kurswechsel der Regierungspartei im Umgang mit der Gülen-Bewegung.
Schäfer fragte Baydar auch nach der Beziehung zwischen den Oppositionsparteien und der Regierung: "Alle im türkischen Parlament vertretenen politischen Parteien haben den Putschversuch in derselben Nacht verurteilt. Allerdings kann dies nicht als Unterstützung für Erdogans Politik betrachtet werden", antwortete der CHP-Politiker. Baydar betonte, dass die türkische Gesellschaft gegen die Putschisten sei. "Allerdings gab es zwei verschiedene Gruppen, die auf Grundlage ihrer politischen Orientierung in Opposition gegen den Putschversuch standen. Die erste Gruppe sind politische Islamisten, die andere Säkularisten, die einen säkularen, demokratischen und verfassungsmäßigen Staat fordern. Die Menschen, die Dinge wie die Todesstrafe fordern, können wohl kaum als Verteidiger der Demokratie definiert werden", sagte er weiter.
Die südwestpfälzische CDU-Abgeordnete erwähnte auch, dass innertürkische Konflikte zwischen Anhängern und Gegnern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan inzwischen auch in Deutschland ausgetragen würden. Dazu sagte Baydar: "Demonstrationen und Kundgebungen gegen den Putschversuch in der Türkei finden auch in Deutschland statt. Der Umgang der deutschen Regierung mit diesen Kundgebungen legt nahe, dass sie diese nicht unbedingt als ausschließlich für Demokratie betrachtet. Leider wird die Türkei gerade zu einem Land, in dem Menschen verlangen, dass die säkulare Demokratie von diesen sogenannten ‚Demokratieverteidigern' unterdrückt wird. Es gibt eine zunehmende Polarisierung zwischen diesen beiden Gruppen." Tatsächlich könne man diese Polarisierung in allen Bereichen sehen, was eine Folge der AKP-Regierung sei, die die Türkei seit 2002 beherrsche.