Radhändler und Corona Ein Lichtblick in der Corona-Zeit

Zweibrücken · Kaum eine Branche erlebt aktuell wohl einen so starken Boom wie die Fahrrad-Branche. Der Merkur hat sich bei Sascha Sieber umgehört, der den einzigen Fahrradladen in Zweibrücken betreibt.

 Das Elektro-Fahrrad ist bei seinen Kunden aktuell sehr beliebt, berichtet Sascha Sieber. Die E-Bikes kosten im Durchschnitt etwa 3000 Euro.

Das Elektro-Fahrrad ist bei seinen Kunden aktuell sehr beliebt, berichtet Sascha Sieber. Die E-Bikes kosten im Durchschnitt etwa 3000 Euro.

Foto: Mathias Schneck

Er geht ans Telefon. Endlich. Mehrere Tage hatte es einfach nicht geklappt. Klappen sollen. Termin hier, Termin da. Ein Telefonat mache aktuell wohl nur am Montag Sinn, schreibt er. An seinem Ruhetag also –  wenngleich er weiß, dass dieser maximal die Ruhe vor dem Sturm sein wird. Morgen geht es ja schließlich weiter. Und am Mittwoch, Donnerstag, Freitag.

Sascha Sieber betreibt den Fahrradladen „Radsport Sieber“ in Zweibrücken – und dieser nimmt aktuell viel Zeit in Anspruch. Sehr viel. So geht sein Arbeitstag meist um 5.30 Uhr mit „Werkstattarbeiten“ los – und endet gegen „20.30, 21 Uhr mit Kundengesprächen“. „Auch, wenn ich es ungern sage: Aber unser Geschäft hat von Corona profitiert“, hält Sieber fest. Glück im Unglück also. Denn „es sind viele Leute dabei, die vor zehn, zwanzig Jahren Fahrrad gefahren sind  – und wegen der Pandemie mehr oder weniger gezwungen wurden, wieder aufs Fahrrad umzusteigen“, sagt der Fachmann.

Profitiert habe die Rad-Branche sicherlich auch vom E-Bike-Boom, weiß Sieber. Denn viele Menschen entscheiden sich heutzutage für jene Fahrräder, in denen ein Akku-Motor eingebaut ist. „Das ist für viele eben das Rad der Zukunft“, stellt Sieber klar. Das Interesse an ihnen sei sogar so groß, „dass sie bei uns jetzt schon zu 70 bis 80 Prozent  ausverkauft sind“. Ende Juni – ein Novum. E-Bikes kosten im Schnitt etwa 3000 Euro.

Doch auch „der Normalbereich, also elektrische Trekkingbikes und gewöhnliche Rennräder“, weckten bei Siebers Kunden nach wie vor das Interesse. „Mitte Juli wird es wohl auch hier zu Engpässen kommen“, vermutet Sieber. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr sei sein Geschäft im August oder September ausverkauft gewesen, also ebenfalls „relativ früh“. Doch in diesem Jahr könnte es womöglich noch einmal schneller gehen. Zumindest deuten die Zahlen darauf hin. So „ist der Anteil 2021 noch einmal ungefähr 20 Prozent stärker als im Vorjahr“. Und das, nachdem er zwischen 2019 und 2020 einen Zuwachs  um rund „40 Prozent“ verzeichnen konnte.

Dass sein Lager nicht bereits jetzt ausverkauft ist, liege daran, „dass ich letztes Jahr den Trend erkannt und deshalb ordentlich Ware vorbestellt habe“. Rund 450 Räder unterschiedlichen Typs stünden bei ihm aktuell noch im Lager – 300 davon zum Verkauf. „Der Rest wurde vorbestellt und ist reserviert.“

Sieber freut sich über „den Riesenzulauf“, der für ihn mittlerweile eine Art Dauerzustand geworden ist. Seit 16 Monaten anhält. Sicherlich kommt ihm hier zugute, dass er in der Rosenstadt das einzige Geschäft besitzt, das Fahrräder verkauft.  

Ins Geschäft gehen, sich beraten lassen, ein Fahrrad kaufen und damit heimradeln – das geht heute häufig nicht mehr. „Die Wartezeit variiert von zwei Wochen bis hin zu zwei Monaten“, schätzt der Experte. Der Grund für die Geduldsprobe: „Die komplette Rahmenmanufaktur kommt aus Taiwan, Fernost. Aus Deutschland oder Europa kommt nichts mehr – und deshalb stockt es zurzeit etwas mit den Lieferungen. Man kennt es ja aber auch schon aus der Baubranche.“

Doch darüber beschweren, will er sich nicht. Sowieso hat er aktuell wenig zu meckern. Auch nicht über die langen Arbeitszeiten – von früh morgens bis spät abends. „Die Rad-Branche ist halt ein Saisongeschäft, geht von März bis Oktober“, stellt Sieber klar und versichert: „Danach warten auf mich normale Acht-Stunden-Tage.“

Womöglich hat er dann auch wieder mehr Zeit für Telefonate…

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