„Es war eine schreckliche Zeit“

Zweibrücken · Zweibrücken ist für zahlreiche Bürger mit Migrationshintergrund eine neue Heimat geworden. In unserer Serie „Angekommen in der Fremde“ stellen wir einige dieser Menschen vor. Heute ist es Diana Kassis aus Syrien.

 Diana Kassis mit einer Fotografie der Zitadelle von Aleppo. Foto: Ruth Reimertshofer

Diana Kassis mit einer Fotografie der Zitadelle von Aleppo. Foto: Ruth Reimertshofer

Foto: Ruth Reimertshofer

Liebevoll steckt Diana Kassis eine Fotografie der Zitadelle von Aleppo in einen Bilderrahmen. Dieses Bild des heute durch den Krieg zerstörten Unesco-Weltkulturerbes und weitere fünfzehn Bilder sollen zukünftig ihre Wohnzimmerwand schmücken. "Ich will mich erinnern können, wie schön meine Heimatstadt vor dem Krieg einmal war". Die 33-jährige Syrerin lebt mit ihrem Mann und Sohn seit einigen Monaten in unserer Stadt. "Jetzt ist alles gut und ich kann endlich wieder durchatmen", sagt sie, und das Glück dem grausamen Bürgerkrieg entkommen zu sein, sieht man ihr an.

Diana Kassis unterrichtete vor dem Bürgerkrieg in einer armenisch-christlichen Privatschule, ihr Mann war Designer für Trikotwaren. Die Familie gehört der christlichen Minderheit in Syrien an. "In Syrien gibt es nur kirchliche Trauungen und niemand heiratet in eine andere Religionsgemeinschaft", erzählt sie. Mit dem Krieg und dem zunehmenden Terror durch das Regime und den islamischen Milizen wurde das Leben in ihrer Stadt unmöglich. Die Christen lebten in bestimmten Stadtvierteln und einigen Dörfern im Umkreis. "Vom Himmel kam ständige Gefahr, es regnete Streu- und Fassbomben, an allen Straßenecken standen bewaffnete Männer , die Schulen waren geschlossen, es gab oft keinen Strom und kein Wasser, es war eine schreckliche Zeit", sagt Diana Kassis mit Tränen in den Augen. Die kleine Familie floh in die nahegelegene Türkei, wo das Leben nicht einfach war: "Wir waren isoliert, hatten keine Freunde. Es herrscht dort eine große Ungleichheit zur Lokalbevölkerung, überteuerte Mieten und halber Lohn, es gibt keinen Rechtsstatus für uns Flüchtlinge und wir sehnten uns nach Legalität!"

Diana Kassis und ihr Mann fassten den Entschluss, ein neues Leben in Sicherheit zu wagen. Doch davor lag ein äußerst unsicherer Weg: In Istanbul war es leicht, Kontakt mit den Schleppern aufzunehmen und für 5000 Euro wurden sie nach gefährlicher Bootsfahrt in der Nacht über das Mittelmeer auf eine kleine Insel in Griechenland gebracht. "Das Gebiet war unbewohnt und nach einem langen Fußmarsch ohne Wasser kamen wir zu einer Polizeistation, die uns jedoch keine Hilfe anbot". Mit der Fähre ging es weiter nach Athen, doch um sicher in das ersehnte Deutschland zu kommen, fehlte noch eine beachtliche Summe, die Dianas Bruder in Dubai ihnen dank eines Kredits für einen Flug nach Frankfurt/Main zukommen ließ. "Die Polizei in Deutschland war sehr freundlich und half uns weiter". Die Familie wurde nach Trier geschickt. "Das Flüchtlingsheim dort war voller Kakerlaken und ich war so erschrocken: War dies unser erträumtes Deutschland? Von Trier ging es nach Ingelheim, wo Diana als Übersetzerin in der Aufnahmestelle aushelfen konnte. Von dort wurden sie Zweibrücken zugewiesen und sind jetzt glücklich angekommen: "Die Stadt ist schön, unser Sohn fühlt sich wohl in der Schule, wir haben eine Wohnung und gute Freunde, besuchen den Sprachkurs und hoffen, bald Arbeit zu finden, damit wir alles zurückgeben können".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort