Einstimmung auf Abstimmung oder: Wer die Wahl hat, hat keine Qual

Liebe Leserinnen, Liebe Leser, es gibt Sätze, die muss man zweimal lesen, um alles rauszuholen, was der andere gedanklich reingelegt hat. Am gestrigen Sonntag bin ich über einen solchen Satz gestolpert, als ich im Internet ein paar Aphorismen oder Sinnsprüche zu dem Thema Wahl gesucht habe.

Das wird Sie nicht sonderlich überraschen, angesichts der Tatsache, dass wir alle am nächsten Sonntag aufgerufen sind, unsere Kreuzchen zu machen. Da kann man in einer montäglichen Kolumne schon mal den Blick nach vorne richten, den Wahlsonntag thematisieren - schließlich sind es nur noch sechs Tage hin, bis am 25. Mai in Stadt und Land die Wahllokale öffnen. Finale furioso wäre rhetorisch ein bisschen dick aufgetragen, aber das Wort vom Endspurt trifft es am heutigen Tage sicherlich. Treffend ist denn auch der Satz, an dem ich hängengeblieben bin. Und der da lautet: Was könnten die Politiker vor der nächsten Wahl noch versprechen, wenn sie gehalten hätten, was sie vor der letzten Wahl versprochen haben. Leider ist an der Stelle im Netz kein Verfasser genannt, dem sich dieser Satz zuordnen ließe. Als Autor steht nur "unbekannt" an der Fundstelle. Und an uns liegt es nun, zu ergründen, ob hinter diesen Worten besser ein Fragezeichen oder ein Ausrufezeichen stehen würde. Denn es ist die vornehme Aufgabe und gleichermaßen auch die Chance, die unsere Demokratie bietet, dass wir uns aktiv einbringen können, dass wir mitgestalten dürfen. Und natürlich auch, dass wir die Politik und die Menschen, die sich dort engagieren, kritisch und offen hinterfragen können. Wir haben noch ein paar Tage lang die Gelegenheit dazu, denn die - übrigens äußerst faire - Wahlschlacht ist so lange noch nicht geschlagen, ehe nicht die letzten Wahlstände zusammengeklappt und ehe nicht die letzten Flugblätter in unseren Briefkästen gelandet sind. Vielleicht lässt sich der eine oder andere ja ermutigen, bis zum kommenden Sonntag noch das Gespräch mit den Kandidaten zu suchen. Vielleicht bietet sich noch die Möglichkeit, mit den Menschen in eine angeregte Diskussion zu kommen, die sich bereit erklärt haben, in den kommenden fünf Jahren in den kommunalen Parlamenten Verantwortung zu übernehmen und nach Kräften mitzuarbeiten - wofür man an dieser Stelle auch mal Danke sagen kann. Und wer weiß: Eventuell führt ja das Austauschen von Argumenten dazu, dass aus Wahlmüden sogar Wahlbegeisterte werden. Leider ist es so - auch wenn ich persönlich dies nicht nachvollziehen kann - dass es immer noch viele gibt, die beharrlich darauf verzichten, am Sonntag ihr(e) Kreuzchen zu machen. Wie viel schöner wäre es dagegen, ließe sich quasi auf den letzten Drücker der eine oder andere aus der viel zu großen Fraktion der Stimmlosen doch noch umstimmen, seine Stimme zu erheben, indem er sie abgibt. Weil jede Stimme, die auf dem Konto einer demokratischen Partei landet, eben nachhaltig zum Funktionieren unserer Demokratie beiträgt. Und ein bisschen auch belegt, dass der beileibe keine Qual hat, der die Wahl hat.

Michael Klein

Chefredakteur

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