Wirbel um Beitragsbescheid Eine Sanierung auf wackeligen Füßen

Zweibrücken · War die rechtliche Grundlage zur Erhebung der Ausbaubeiträge für die Zweibrücker Fußgängerzone gegeben? In einem Fall, der Klarheit hätte bringen können, zog die Stadt ihren Bescheid vor der Verhandlung zurück und zahlte Extrakosten – nachdem das Gericht vorab einen Hinweis gegeben hatte. Viele Fragen bleiben nun offen.

 Die FDP bezweifelte schon 2013 die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses zur Neugestaltung der Fußgängerzone.

Die FDP bezweifelte schon 2013 die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses zur Neugestaltung der Fußgängerzone.

Foto: Lutz Fröhlich

Die Szene hatte in der Stadtratssitzung im Januar 2013 für Wirbel gesorgt: FDP-Fraktionschef Walter Hitschler warnte, der geplante Stadtratsbeschluss für die Fußgängerzonen-Sanierung sei ungültig. Anders als geschehen, hätte die Gewobau laut eines städtebaulichen Vertrags von 2001 die Maßnahme planen müssen. Außerdem werde nicht sauber getrennt zwischen einer Erneuerung von Anschlüssen und einer beitragspflichtigen Straßenausbaumaßnahme der Stadt. Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD) reagierte barsch, die Stadt habe ihre Hausaufgaben gemacht. Der Stadtrat segnete den Plan mehrheitlich ab, der Ausbau ging 2013 über die Bühne.

Über vier Jahre später nimmt man Hitschlers Zweifel ernster denn je – wenngleich sie sich wohl nicht mehr zweifelsfrei beweisen lassen. Ein einziger Gebäudeeigentümer in der Hauptstraße hatte am 21. Dezember 2015 gegen die Ende 2015 erhobenen Ausbaubeiträge (in seinem Fall rund 6500 Euro) Beschwerde eingelegt, die im Mai 2016 im Stadtrechtsausschuss verhandelt und danach dort abgewiesen worden war. Daraufhin war er vors Verwaltungsgericht Neustadt gezogen. Eine Woche vor der Verhandlung Ende September lenkte die Stadt schließlich ein und hob seinen Bescheid auf, was die Verhandlung unnötig machte (wir berichteten). Der Anwalt des Anliegers erklärt, die Stadt muss nun nicht nur den Streitwert zurücküberweisen, sondern auch Säumniszuschläge und Mahngebühren sowie die angefallenen Verfahrenskosten einschließlich der Rechtsanwaltskosten.

Der Anlieger selbst betont, dass die naheliegende Idee der Stadt, den gewünschten Umbau an eine unabdingbare Sanierung von Leitungen zu koppeln, begrüßenswert gewesen sei. So habe die Stadt Geld sparen beziehungsweise das Portemonnaie der Bürger schonen wollen. „Aber die Stadt hat sich, verlockt von der Möglichkeit zu sparen, zu einer Maßnahme hinreißen lassen, deren Konstruktion nicht hinreichend geprüft war. Hauptsache, die Anlieger werden kräftig zu Kasse gebeten“, so der Betroffene. Er habe Ende 2015 kurz vor Weihnachten den Zahlungsbescheid erhalten, dem er binnen vier Wochen habe Folge leisten müssen. Weil er zuvor auswärts gewohnt habe, habe ihn die plötzliche Forderung überrascht. Ihn habe bereits die Form des Bescheids, ohne Anrede, bloß mit einer Kostenaufstellung, geärgert. Das sei zwar der normale Umgang von Behörden gegenüber Bürgern, bei solchen Anlässen. „Aber ist das Normale auch das Richtige oder ist es einfach nur Respektlosigkeit?“, wirft er die Frage nach dem Umgang mit den Betroffenen auf.

Er sei außerdem der Auffassung gewesen, die Stadt habe aus seinem Grundstück schon genügend Geld „herausgepresst“: So waren laut Stadtsprecher Heinz Braun beim Ausbau der Fußgängerzone 1977 je nach Grundstücksgröße und Bebauungsmöglichkeiten des Grundstücks Ausbaubeiträge zwischen 2000 und 24 000 D-Mark erhoben worden. Ab 1977 griff auch die Stellplatzabgabenverordnung. Sie verpflichtete Geschäfte ohne unmittelbare Stellplätze, 10 000 Mark (ab 2001 2613 Euro) in einer Zone eins und 4200 Mark (später 2454 Euro) in Zone zwei zu zahlen.

Außerdem würden heute neben der Straßenreinigungsgebühr genug andere städtische Steuern für Hausbesitzer fällig. Und als Anwohner der Hauptstraße habe er auch nicht eingesehen, dass er für Maßnahmen in der vom Stadtrat erst 2014 zur Fußgängerzone umgewidmeten Mühlstraße zur Kasse gebeten werden sollte. Sein Anwalt habe in den letzten anderthalb Jahren nach mehreren Anträgen sehr umfangreich Akteneinsicht nehmen können und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Stadt trotz aller beigebrachter Unterlagen nicht beweisen konnte, dass sie ein Ausbauprogramm für die Fußgängerzone hatte, das den dafür gültigen rechtlichen Anforderungen entspricht. Insofern habe dem Bescheid die rechtliche Grundlage gefehlt. Sein Fazit: „Man muss nicht alles, was von oben kommt, automatisch und ohne Prüfung schlucken.“

Doch warum lenkte die Stadt ein? Nicht, weil sie kalte Füße ob einer vielleicht fehlenden Rechtmäßigkeit erhobener Beitragsbescheide bekommen hätte, betont Stadtsprecher Heinz Braun. Das Verwaltungsgericht habe ihr vielmehr einen „formalrechtlichen“ Hinweis gegeben, wonach die Einmalbeitrag-Ausbausatzung „möglicherweise im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt im Juni 2016“ nicht mehr in Kraft war.

Im April 2016 wurde die Satzung für die Erhebung wiederkehrender Beiträge beschlossen, die es zum Zeitpunkt des Fußgängerzonen-Ausbaus 2013 noch nicht gab. Die Rechtslage hatte sich zwischen Ausbau und geplantem Gerichtstermin also tatsächlich geändert. Warum das Gericht sich aber für die Rechtslage 2016 interessierte, wo der Ausbau doch drei Jahre zuvor war und der Bescheid vom Dezember 2015 datierte, das kann es auf Nachfrage nicht erläutern. Begründung: Es gebe kein Urteil, und dieser Sachverhalt wäre erst in der Verhandlung geprüft worden. Die gab es ja nicht, weil die Stadt nach dem VG-Hinweis den Bescheid spät zurückzog. Laut Braun hätten die 6500 Euro eingeforderter Ausbaubeitrag und mögliche weitere Gerichtskosten nicht in Relation gestanden – daher die Entscheidung.

Braun schreibt auch, dass das Gericht „zu keinem Zeitpunkt Zweifel geäußert hat, dass die Stadt ein wirksames Ausbauprogramm beschlossen hat“. Wenig überraschend, hätte es auch für solche Zweifel den Fall erst inhaltlich prüfen und verhandeln müssen. Sämtliche anderen Beitragsbescheide seien indes bestandskräftig, betont Braun, dass von diesem Fall keine anderen Fußgängerzonen-Anlieger betroffen sind. Der Stadtsprecher: „Die Stadt könnte ausnahmsweise einen bestandskräftigen Bescheid dann zurücknehmen, wenn ein Festhalten an solchen Bescheiden ‚schlechterdings unerträglich‘ wäre, wie das ein Gericht formuliert hat.“ Das wäre laut Braun etwa dann der Fall, wenn die Kommune bewusst oder grob fahrlässig zu hohe Aufwendungen abgerechnet habe. Das sei im Fall des Ausbaus der Fußgängerzone nicht der Fall. Bei einer Rücknahme und einem erneuten Erlass ändere sich die Höhe der Beitragsschuld indes nicht.

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