„Ein Schlag ins Gesicht der Region“

Zweibrücken · Dass die EU gegen den Flughafen Zweibrücken entscheidet, hat gestern zwar nicht mehr überrascht. Die Begründung aber sorgte in der Pfalz für Entsetzen. Europaparlamentarierin Jutta Steinruck forderte Bundeskanzlerin Merkel zur Klage auf.

Fassungslos hat Südwestpfalz-Landrat Hans Jörg Duppré hat gestern auf den Beschluss der EU-Kommission reagiert, 49 Millionen Euro Beihilfen am Flughafen Zweibrücken für illegal zu erklären. Duppré (auch stellvertretender Aufsichtsratschef des Airports)erklärte: "Die Entscheidung war in dieser Form zu erwarten gewesen. Die Begründung der Kommission empfinde ich allerdings als ein Schlag ins Gesicht der Region. Das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist mit Blick auf das sonstige Gehabe der Kommission unglaublich. Wenn die Kommission kurzfristig die Flughafen-Leitlinien ändert, kann sie diese nicht rückwirkend anwenden."

Die vollständige Begründung der EU-Kommision ist zwar noch nicht bekannt. In ihrer Pressemitteilung schreibt sie aber: "Die Beschlüsse beruhen auf den neuen Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, die im Februar 2014 (…) verabschiedet wurden." Flughafen-Geschäftsführer Werner Boßlet sieht darin "einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot" und rät zur Klage. Boßlet kritisierte, dass die Kommission vor allem deshalb gegen Zweibrücken entschied, weil es in Saarbrücken schon vorher zivilen Flugbetrieb gab: "Die EU wird immer bizarrer. Was hat das mit Recht zu tun, wer früher angefangen hat?" Zumal in Zweibrücken keine neue Landebahn gebaut worden sei, sondern diese weiter genutzt wurde nach dem Militär-Abzug. Die EU habe weder das sinkende Zweibrücker Defizit berücksichtigt noch dem Flughafen eine Chance gelassen, sein Konzept für das Senken des Defizits innerhalb von zehn Jahren auf null umzusetzen, bedauerte Boßlet. Fehler der Geschäftsführung in den vergangenen Jahren im Umgang mit EU-Recht sehe er nicht: "Die Landebahn-Sanierung zum Beispiel war eine Sicherheitsmaßnahme."

Die pfälzische EU-Parlamentarierin Jutta Steinruck (SPD ) forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) auf, Klage gegen die Brüsseler Entscheidung einzureichen: "Wir müssen alle Wege einschlagen, um die Entscheidung der Kommission anzufechten." Es sei "ein harter Schlag für eine ganze Region, dass die EU-Kommission mit ihren starren Wettbewerbsregeln die Bedeutung öffentlicher Infrastruktur und notwendiger regionaler Investitionen vollkommen ignoriert".

Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner will die Frage einer eigenen Klage prüfen, wenn der EU-Bescheid vorliegt, sagte sein Sprecher Sebastian Brunner. Plathner wurde gestern vom Amtsgericht Zweibrücken offiziell als Insolvenzverwalter bestellt. Brunner bestätigte, dass die Gehälter und der Flugbetrieb bis einschließlich 7. November gesichert sind. Bis Mitte Oktober erwarte man "erste unverbindliche Angebote" von den potenziellen Interessenten "Auf dieser Basis und natürlich in Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss wird man sehen, ob und wie es danach weitergeht." Wichtig wäre auch eine finanzielle Beteiligung von Kunden. Plathner treffe nun alle Entscheidungen am Flughafen, arbeite dabei aber weiter mit den beiden Geschäftsführern zusammen.

Ähnlich wie Brunner erklärte auch der rheinland-pfälzische Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD ), bei aller Enttäuschung über den EU-Beschluss gelte es, "zunächst die verbleibenden Chancen für einen Fortbestand des Flughafens zu wahren". Daher werde man alle Anstrengungen gegenüber der Kommission darauf konzentrieren, gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter eine Lösung zu erreichen, die einen Investor von den Millionen-Rückforderungen freistellt.

Der Zweibrücker Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD ) nannte die EU-Entscheidung "erwartet, aber nicht nachvollziehbar". Dennoch sehe er "das als Chance, jetzt neu zu starten". Voraussetzung sei aber ein schnelles Signal der EU, dass ein Flughafen-Investor nicht mit den 47 Millionen Euro belastet wird - niemand werde ein unkalkulierbares Risiko kaufen. Gefährlich findet Pirmann, dass aufgrund der EU-Vorgaben der Flughafen so ausgeschrieben wurde, dass er auch für andere Nutzungen als Flugbetrieb gekauft werden kann: "Das ignoriert, dass laut Flächennutzungsplan dort nur fliegerische Nutzung möglich ist. Kein Investor kauft etwas und wartet dann mehrere Jahre, bis die planungsrechtlichen Voraussetzungen geändert sind. Damit droht uns dort oben ein Loch!" Ein teures: Liege das Gelände brach, koste es immer noch Unterhaltung und "allein circa 100 000 Euro jährlich für die Oberflächenentwässerung".

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