Ein Portier hat viel zu erzählen

Er gehört zu den ersten, den die Gäste zu Gesicht bekommen, wenn sie aus dem Taxi steigen. Sein Lächeln ist ehrlich und warmherzig und man möchte den Mann in seiner braunen Uniform gerne umarmen und sich dafür bedanken, dass man endlich angekommen ist und da jemand steht, der einem das Gefühl vermittelt, als wäre man sich vorher schon einmal begegnet.

 Chef-Portier Sabino. Foto: gab

Chef-Portier Sabino. Foto: gab

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Sabino heißt der ältere Herr, so steht es auf seinem golden in der Sonne glänzenden Schild und seine Berufsbezeichnung Capitao Porteiro, Chef-Portier. Seit 48 Jahren arbeitet er in der Hotelbranche, seit 21 Jahren ist er zusammen mit immer wieder wechselnden jüngeren Kollegen das Aushängeschild des Windsor Hotels . Das 3-Sterne-Hotel ist bereits Monate vorher für die Zeit der Weltmeisterschaft komplett ausgebucht und der 71-Jährige freut sich wie immer auf die vielen Touristen . Ob sich denn die deutschen Gäste benehmen können, frage ich ihn. Er lächelt verschmitzt und sagt, er möge die Deutschen sehr. Sie seien sehr höflich und organisiert, aber ein bisschen zu verschlossen. Und sie seien manchmal ein bisschen zu abenteuerlustig. Einmal sei einer bei Nacht alleine nach Santa Teresa gegangen, einem auf einem Hügel gelegenen pittoresken Stadtteil Rios mit wunderschönen Aussichten und wunderschönen alten Villen, aber eben auch verlassenen Straßen. Am Morgen habe ihn Sabino vor dem Hotel empfangen, er sei etwas verstört gewesen und hätte außer Shorts nichts mehr bei sich gehabt.

Früher als alles noch nicht so strikt geregelt war, habe er Gästen auch Touren angeboten und ihnen, um sein Gehalt aufzubessern, die Stadt gezeigt. Heute sei das den Portiers nicht mehr erlaubt, dafür gebe es jetzt Agenturen, das sei alles streng geregelt. Dafür sei es auch öfter mal vorgekommen, dass Gäste ohne Bezahlung aus dem Hotel entwischen konnten. Das sei heute in Zeiten von Kreditkartenanzahlungen auch anders. Einmal sei er einem Brasilianer nachgerannt, der seine Rechnung nicht beglichen hatte. Als sie ihn zurück im Hotel baten, seinen Koffer aufzumachen, sei dieser voller Chu Chu gewesen, einem hier in Brasilien weit verbreiteten grünen Gemüse, das man in Suppen oder Salaten verwendet.

Sabino wird nicht müde, solche Geschichten zu erzählen. Manchmal mischt er auch ein paar englische Wörter unter, die er sich über die Jahre im Umgang mit den Touristen selbst beigebracht hat. Der Mann scheint eine ungeheuere Energie zu besitzen. Um auf seine Arbeit zu kommen, muss er täglich um 3.40 Uhr aufstehen, zwei verschiedene Busse nehmen, was ihn auf dem Hinweg anderthalb Stunden, auf dem Rückweg bis zu drei Stunden täglich kostet. Seine Schicht dauert von 6 Uhr früh bis 5 Uhr am Nachmittag, sechs Tage die Woche. Sabino ist eines von 18 Geschwistern. Er und ein Bruder leben in Rio, zwei andere Brüder in Sao Paulo. Der Rest der Familie lebt in Alagoas im Nordosten von Brasilien. Mit sechs habe er seinen ersten Job gehabt. Kühe hüten auf einer ein Kilometer entfernten Weide. Wahrscheinlich ist dieses Weltmeisterschaftsjahr sein letztes Jahr im Dienste des Windsor Hotels und der Touristen aus aller Welt. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass der Chef-Portier dann in einem Vorort Rios vielleicht vor seinem Haus sitzt. Anderthalb bis drei Stunden weg von den Touristen .

Sabrina Gab, 35, geboren und aufgewachsen in Zweibrücken, reiste ein Jahr um die Welt, bevor sie Rio de Janeiro als neues Zuhause wählte. Dort lebt und arbeitet die ausgebildete Journalistin und Yogalehrerin seit zwei Jahren mit ihrem Partner und dem gemeinsamen Sohn Noah.

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