Die Welt, die Stadt und das GeldBundeswehr-Reform: Umsetzung wohl nicht vor 2014stimmen

Zweibrücken. Wie so oft Visionen für Zweibrücken? Oder ein umfassender Rückblick auf seine Amtszeit? Wer mit dieser Erwartung gestern Abend Helmut Reichlings letzter Neujahrsempfangsrede lauschte, wurde enttäuscht. Reichling schien sich vielmehr schon für seine künftige Aufgabe als Professor warmzureden - und hielt eine volkswirtschaftliche Vorlesung

 Nicht ganz so dicht gefüllt wie sonst beim Zweibrücker Neujahrsempfang war der Heinrich-Gauf-Saal der Festhalle. Fotos: Jörg Jacobi

Nicht ganz so dicht gefüllt wie sonst beim Zweibrücker Neujahrsempfang war der Heinrich-Gauf-Saal der Festhalle. Fotos: Jörg Jacobi

Zweibrücken. Wie so oft Visionen für Zweibrücken? Oder ein umfassender Rückblick auf seine Amtszeit? Wer mit dieser Erwartung gestern Abend Helmut Reichlings letzter Neujahrsempfangsrede lauschte, wurde enttäuscht. Reichling schien sich vielmehr schon für seine künftige Aufgabe als Professor warmzureden - und hielt eine volkswirtschaftliche Vorlesung."Aus der Wirtschaftsgeschichte wissen wir, dass die Staatsverschuldung auf friedlichem Weg durch kein anderes Mittel gebremst werden kann als durch eine Geldentwertung, im Extremfall durch eine galoppierende Inflation mit anschließender Währungsreform", legte Professor Reichling los und sorgte für bange Gesichter in der Festhalle. "Heute rast fast jeden Tag eine Geldmenge rund um den Globus, die ein Mehrfaches des Wertes an Waren- und Dienstleistungen darstellt, der insgesamt auf der Erde erwirtschaftet wird." Doch Reichling beruhigte unter Verweis auf die negativen Zinsen, die Anleger in Kauf nehmen, um ihr Geld sicher in deutschen Anleihen anzulegen: "Die Bundesrepublik Deutschland ist noch eine gute Adresse, die Stadt Zweibrücken auch. Noch immer übersteigt in Zweibrücken das Vermögen der Stadt unsere Schulden."

Womit Reichling zum Zweibrücker Haushalt kam. Die Stadt könne gar nicht anders, als Schulden anzuhäufen - wegen der politischen Vorgaben von Bund und Land sowie der Gemeindefinanzpolitik. 31,6 Millionen Euro Verlust weise der Haushaltsentwurf 2012 aus. Zehn Millionen fehlten allein durch die vom Land vorgeschriebene doppelte Buchführung, weil diese Abschreibungen früher gar nicht im Haushalt erschienen seien. 36 Millionen Euro müsse Zweibrücken allein für Soziales ausgeben - solche gesetzlichen Ausgaben seien bis 2004 vom Land ausgeglichen worden. Und selbst eine Streichung sämtlicher freiwilliger Leistungen (wie Kultur und Bildung) brächten nur fünf Millionen Euro Einsparung - aber Zweibrücken "auf dem direkten Wege in die Verdorfung". Allerdings nutze man "alle Einsparmöglichkeiten im laufenden Betrieb", 2011 etwa drei Millionen.

Am Ende seiner Rede führte Reichling die Stränge Weltfinanz- und Stadtpolitik wieder zusammen - mit zwei Forderungen, deren Erfüllung "Vieles im Großen wie im Kleinen zum Guten wenden" würde. Erstens: "Die Finanztransaktionssteuer muss kommen!" Denn: "Märkte können und müssen kontrolliert werden. Wenn ich ein Brot kaufe, fällt dafür Umsatzsteuer in Form der Mehrwertsteuer an. Es gibt für mich absolut keinen Grund, auf Umsatzsteuer für eine Finanztransaktion im mehrstelligen Milliardenbereich zu verzichten." Zweitens: "Die Gemeinde-Finanzreform ist ein Gebot der Stunde." Bund und Land dürften sich nicht weiter auf Kosten der Kommunen entlasten: "Wer die Gesetze macht, wer die Aufwendungen beschließt, der soll sie auch bezahlen."

Reichling brach auch eine Lanze für die Beschäftigten der Stadtverwaltung, von denen viele übrigens nicht im Rathaus, sondern etwa in Schulen oder Kitas arbeiteten: "Der typische Beamte aus dem Witzblatt, der mit Ärmelschonern sein Butterbrot verzehrt, den fetten Gummibaum pflegt, sich hinter einem Drehkreuz wichtiger Stempel und Stapeln unwichtiger Formulare verschanzt und den Bürgern das Gefühl der selbstgefälligen Obrigkeit zu vermitteln trachtet, ist in Zweibrücken ausgestorben. Falls es ihn tatsächlich einmal gegeben haben sollte!" Reichling ist "stolz darauf", dass in dem anonymen Kasten im Rathaus-Foyer "in den letzten Jahren zunehmend das Lob für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei weitem die kritischen Anmerkungen übertrifft". Und dann blickte der OB doch noch kurz auf seine Amtszeit zurück: "In den letzten acht Jahren haben wir einen Stamm von gut ausgebildeten, hoch motivierten jungen Kolleginnen und Kollegen, herangezogen, die nach Qualifikation und Befähigung ausgewählt und verwendet werden." > Seite 16: Verdiente Bürger geehrt

Zweibrücken. 2012 ist für die Zweibrücker Soldaten "Stand heute" doch kein Einsatz in Afghanistan geplant, sagte Kommandeur Eiko Zuckschwerdt bei dem traditionell gemeinsam von Stadt und Niederauerbachkaserne ausgerichteten Neujahrsempfang in der Festhalle. Allerdings seien "permanent sogenannte Einzelabstellungen", das heißt ein bis zwanzig Zweibrücker Fallschirmjäger, in Afghanistan.

Das Bataillon konzentriere sich dieses Jahr wieder auf seinen ursprünglichen Kernauftrag, die Evakuierung deutscher Bürger im Ausland.

Außerdem gebe es dieses Jahr Grund zum Feiern: "Das Fallschirmjägerbataillon 263 hat sein 30-jähriges Bestehen. Wir planen dieses Ereignis mit einem feierlichen Appell in Zweibrücken und einem anschließenden Tag der offenen Tür in der Niederauerbachkaserne."

Die im Oktober vom Verteidigungsminister verkündete Bundeswehrreform sei "aus meiner Sicht sehr gut für den Standort Zweibrücken als Ganzes ausgegangen", sagte Zuckschwerdt. Zwar würden einzelne Einheiten aufgelöst, dafür aber das Bataillon zum Regiment wachsen. "Dies alles wird aber nach meinem Kenntnisstand nicht vor dem Jahr 2014 erfolgen." Auch über die künftige genaue Struktur des Regiments sowie dessen Name ("Fallschirmjägerregiment 263" ist nicht mehr aktuell") sei noch nicht abschließend entschieden.

Im Rückblick auf 2011 hob der Oberstleutnant den langen Einsatz in Afghanistan (Januar bis in den Herbst) hervor. Den Auftrag, "im Kampf gewonnene Räume zu halten und den Einflussbereich weiter auszudehnen, konnten wir erfolgreich durchführen".

Zuckschwerdt dankte den Besuchern des Adventskonzerts in der Alexanderskirche für die Spenden von 374 Euro für das Soldatenhilfswerk. lf

"Vieles in Reichlings Rede war richtig. Aber es wird nicht reichen, zu erklären, warum Zweibrücken nicht sparen kann."

Michael Wöhler, CDU

"Reichlings Rede war total anders als sonst. Er hat die finanzielle Situation erklärt, das fand ich gut."

Hedi Danner, SPD

"Dass zehn Millionen Euro im Stadtetat fehlen, weil das Land die Haushaltsregeln geändert hat, war eine interessante Information."

 Professoral: Reichlings letzte Neujahrsrede als OB.

Professoral: Reichlings letzte Neujahrsrede als OB.

 Die Bundeswehr richtet den Zweibrücker Neujahrsempfang gemeinsam mit der Stadt aus. Die Soldaten hatten diesmal Gäste aus Frankreich mitgebracht, die in der Kaserne einen Sprachlehrgang machen.

Die Bundeswehr richtet den Zweibrücker Neujahrsempfang gemeinsam mit der Stadt aus. Die Soldaten hatten diesmal Gäste aus Frankreich mitgebracht, die in der Kaserne einen Sprachlehrgang machen.

Klaus Garve, Zweibrücker Tafel

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