Die Hochschule der Zukunft

Zweibrücken · Die Zeit der klassischen Vorlesung ist vorbei, meinen Vorreiter der digitalen Lehre wie der Marburger Professor Jürgen Handke. Die Studenten könnten sich die Grundlagen online erschließen. An der Hochschule wird dann vertieft, nachgefragt, diskutiert.

So könnte sie aussehen, die Hochschule der Zukunft: In einem kleinen Professorenzimmer in Marburg stellt sich Jürgen Handke vor die grüne Leinwand. Kamera an, Teleprompter läuft. "Hello again", begrüßt er seine Studenten . Die Vorlesung beginnt. Der Anglistik-Professor gilt als einer der Vorreiter der digitalen Lehre. Dafür haben ihn der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Hochschulrektorenkonferenz jüngst mit dem hoch dotierten "Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre 2015" ausgezeichnet.

Handke hält keine klassische Vorlesung mehr, in der ein Professor vorne steht und den Studenten jedes Jahr wieder eine Einführung in die Physik, die Grundlagen der Mathematik oder die Deutsche Geschichte im Spätmittelalter gibt. "Ausgang war die Erkenntnis, dass ich nicht den gleichen Kram immer wieder erzählen wollte", sagt Handke.

Seine Studenten bereiten sich zu Hause mit didaktisch aufwendig produzierten Lehrvideos und ergänzenden Materialien vor. In der späteren "Präsenzphase" an der Hochschule diskutieren sie, vertiefen die Aufgaben, fragen nach, machen Übungen. Handke lehnt sich an die Unterrichtsmethode des "Inverted Classroom" an, des "umgekehrten Klassenzimmers". Sie entstand um das Jahr 2000 in den USA. Der bisherige Unterricht wird einfach umgedreht: Die Schüler erschließen sich den Inhalt vor dem Unterricht online. Die früheren Hausaufgaben - also das Üben, Vertiefen, die Problemlösung - werden in die Präsenzphase verlagert.

"Ich mag, dass ich mir die Arbeit selber einteilen kann", sagt die Studentin Katharina Weber, die bei Handke den Master-Studiengang "Linguistics and Web Technology" belegt. Das schaffe Freiraum, allerdings sei der Zeitaufwand sehr hoch. "Man beschäftigt sich intensiv mit dem Stoff."

Handkes Studenten müssen noch disziplinierter, noch selbstständiger arbeiten als andere. Man könne die Lehrvideos nicht wie eine Facebook-Seite nebenher laufen lassen, erklärt die Studentin Anja Penßler. Das unterschätzten viele.

Viele Unis tun sich schwer mit der Digitalisierung . "E-Learning steht zwar seit langem bei den Hochschulen auf der Agenda", sagt Oliver Janoschka, Programmleiter beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und zuständig für das "Hochschulforum Digitalisierung ". Es gebe allerdings "verschiedene Geschwindigkeiten".

Die meisten Professoren hielten klassische Vorlesungen . Wenn die Hochschulen jetzt nicht handelten, wirke vielleicht bald nicht mehr zeitgemäß, was sie zu bieten hätten. Denn denkbar sei: Bald bereiten sich Studenten im Netz vor und kommen nur noch zu den Prüfungen an die Uni - Hochschulen würden dann zu reinen Prüf- und Forschungsinstituten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort