Ausstellung im Stadtmuseum Ein halbes Jahrtausend Zweibrücker Druckkunst
Zweibrücken · Am Sonntag ist die neue Sonderausstellung „despalles édition [mainz & paris]“ mit einer Vernissage im Stadtmuseum gestartet.
An den Wänden reihen sich hell erleuchtete Plakate, die kunstvoll arrangierte Texte zeigen. Jedes lässt sich auf seine eigene, besondere Art betrachten. Manche sind wie Fenster in eine Traumwelt. Andere verstecken rätselhafte Details zwischen bunten Farben. Wieder andere sind herausfordernd zu lesen. Ungeachtet jeglicher Regeln der Groß- und Kleinschreibung sowie der Zeichensetzung wird schnell klar, dass hier Text und Kunst nicht in Abgrenzung zueinander stehen, sondern eine gemeinsame Aussage untermauern.
Buchstaben fallen herab, schweben, verblassen oder explodieren. In verschiedenen Farben und Formen, mit Schnörkeln, kursiv und hervorgehoben, wirken sie wie Gefangene zwischen Chaos und Ordnung. Doch sie sind mehr als das. Sie sind wie Brücken. Sie verbinden Worte, mal zu politischen Statements, mal zu Poesie und verleihen Texten einen künstlerischen Mantel.
Die Schaffer, die dahinter stehen, sind das Künstlerpaar Johannes Strugalla und Françoise Despalles aus Paris, die heute gemeinsam in Mainz leben. Die Wurzeln ihrer Kunst liegen in den frühen 1980er Jahren. Eine Zeit, die einigem Wandel unterlegen war. Ein Wandel doch, der der Gründung Edition Despalles 1982 positiv zuspielte. Denn mit der voranschreitenden Technik unserer Zeit musste in Druckereien Platz für modernere Fotosatzgeräte geschaffen werden. Die alten, herkömmlichen Holz- und Bleischriften fanden hier keine Verwendung mehr. Strugalla, der an der Pariser Kunsthochschule Druckgraphik studiert hatte, sah darin eine Chance. Er kaufte die traditionellen Geräte auf und schenkte so dem ersten Plakatgedicht der Edition Despalles Leben.
„Wir können sagen, 40 Jahre zu feiern“, so berichtet Despalles lächelnd.Denn ihr erstes Kunstwerk wurde 1983 auf der Frankfurter Buchmesse ausgestellt. Damals waren ihre künstlerischen Plakate vorrangig politisch motiviert. Die Entstehung der Edition fiel mit den 80er Jahren in eine gesellschaftliche Zeitenwende, die von Friedensbewegungen und Engagement für eine bessere Zukunft geprägt war.
Aus dieser Wiege entwickelten sich mit den Jahren Plakatgedichte und später auch Künstlerbücher, wobei die künstlerische Darbietung von Literatur im Vordergrund steht. Diese Kooperation zwischen Bildkunst und Poesie brachte Strugalla und Despalles viele Kontakte zu deutschen wie auch französischen Künstlern und Schriftstellern. So ist beispielsweise aus der Zusammenarbeit mit dem Lyriker Erich Fried eine Freundschaft entstanden. Viele seiner Texte finden insbesondere in der Reihe „malgré tout“ (trotz allem) künstlerischen Anklang, die in der Ausstellung zu sehen sind.
In der Reihe „Mainzer Plakatgedichte“ finden sich weitere bekannte Namen. Dort ist unter anderen der saarländische Schriftsteller Ludwig Harig (Autor von „Wehe dem, der aus der Reihe tanzt“) mit dem Plakatgedicht „Ein schwarzer Gutenberg“ vertreten. Kulturdezernentin Christina Rauch betonte bei der Eröffnung wie auch anschließend Museumsleiterin Charlotte Glück die Dringlichkeit dieser Veranstaltung im Hinblick auf die Zweibrücker Druckgeschichte. Johannes Gutenberg entwarf 1450 das Drucken mit beweglichen Lettern, was in Zweibrücken seit 1488 belegt ist. Somit ist Zweibrücken neben der Stadt Speyer die einzige rheinland-pfälzische Heimatstätte des Inkunabeldrucks, was den Wiegendruck vor dem 16. Jahrhundert beschreibt.
Folglich wurden viele bedeutsame Druckereien in Zweibrücken ansässig. „Das 15. Jahrhundert läutete eine Zeitenwende ein“, so Charlotte Glück. „Der Druck revolutionierte unsere Gesellschaft, auch im Hinblick auf die Demokratie.“ Denn durch Buch- und Zeitungsdruck konnte die Kommunikation maßgeblich verbessert werden. Informationen konnten erstmals schneller verbreitet werden und die Bürger konnten sich durch Lesen und Vorlesen selbst weiterbilden. Darüber hinaus stehe die Ausstellung im Zeichen der Friedenspolitik, die auch heute noch von großer Bedeutung ist. Denn „Frieden schaffen ohne Waffen, durch Reden und Kommunikation“, so Glück, sei der beste Weg.
Sie ist ein Erbe der Druckgeschichte Zweibrückens und enorm wertvoll, wie auch Kunsthistoriker und Museumsleiter Dr. Stefan Soltek aus Offenbach in seiner Rede betonte. Er begann seine Einführung, indem er Strugalla und Despalles dankte. Durch sie habe er erfahren dürfen, wie es ist, bei etwas „Großartigem“ dabei sein zu können. Die Frankfurter Buchmesse sei ein besonderer Treffpunkt, um mit Buchkunst in Kontakt zu kommen. So besteht zwischen Soltek und den beiden Künstlern eine langjährige Freundschaft. Despalles und Strugalla verstünden es, „Kunst lebendig zu erleben und zu vermitteln“, da sie Bücher als „etwas atmendes“ begreifen.
Soltek machte mit seiner Rede auf die Form und Bewegung der Buchstaben aufmerksam, denen eine gewisse Melodie innewohne. Mit einem Zitat aus Schillers „Der Spaziergang“ verglich er die Zeilen eines Textes mit den Linien der Felder auf dem Ackerbau. Geordnet, als habe man somit einen Anspruch auf die Rechte des Feldes, sei ein Sturm über die Textzeilen der Künstlerbücher und Plakatgedichte gefegt. Ein Sturm, der als Künstler die etablierten Rechte und Regeln in Frage zu stellen wagt. Es gehe um die „Koinzidenz des Gegensätzlichen“, so betont Soltek. Denn „ein Text erfährt seinen Gehalt durch seinen Inhalt und dessen Darstellungsform.“
Soltek vergleicht die Kunstwerke dieser außergewöhnlichen Ausstellung mit zwei Seiten eines Buches, die sich gegenüber stehen und betont so die Zeit des Gegenstänlichen. Früher wie heute. So stehen sich die Sprachen Deutsch und Französisch gegenüber, wie das Gemalte und das Geschriebene. Das Getextete und das Beschriebene. Der Autor und der Künstler. Und dazwischen finden sich Brücken, die aus dem Gegensätzlichen das sich Ergänzende bewirken.
Musikalisch wurde die Eröffnung der Sonderausstellung von Strugallas Bruder Andreas Strugalla mit der Oboe begleitet. Mit Stücken wie „Élégie“ von Francis Poulenc und „Monodie“ von Charles Kotlin untermalte er diese Gegensätzlichkeit, die in Verbindung erst zu einem greifbaren Ganzen werden. Tiefe und hohe, dominante und zarte Töne zauberten in wechselnden Melodien Dialoge, wie die kunstvollen Seiten der Edition Despalles.
Plakatgedichte und Künstlerbücher sind gerade heute mit Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung eine Rarität. Um so bedeutsamer, dass man ihr Achtung schenkt. Denn, wie Christina Rauch sagt, kann man „in die Zukunft nur gehen, wenn man sich der Gegenwart bewusst wird, und der Vergangenheit entgegenblickt“.
Die Ausstellung läuft bis zum 28. Januar 2024 Öffnungszeiten Di 10-18 Uhr, Mi - So / Feiertage 14-18 Uhr Eintritt: 5 Euro (Ermäßigung 2,50 Euro), Schulklassen pro Schüler 1,50 Euro.