Des einen Freud, des anderen Leid

Zweibrücken · Immer wieder werden in Zweibrücken Rufe laut, die zu Hunderten in der Schwarzbach-Allee nistenden Saatkrähen zu vertreiben. Auf ein paar Dutzend Metern entlang des Rosengartens ist dies passiert. Dafür nisten nun in einem Wohngebiet mehr Krähen, Anwohner sind stark beeinträchtigt. Ein Gutachter prüft zurzeit mögliche weitere Vergrämungs-Maßnahmen. Bald steht der Stadtrat vor einer schwierigen Entscheidung.

 Nur entlang des Rosengartens wurden die Platanen so stark gestutzt, dass die Krähen geflüchtet sind. Die Bäume daneben sind seit einigen Wochen wieder voller bebrüteter Nester. Fotos: Lutz Fröhlich

Nur entlang des Rosengartens wurden die Platanen so stark gestutzt, dass die Krähen geflüchtet sind. Die Bäume daneben sind seit einigen Wochen wieder voller bebrüteter Nester. Fotos: Lutz Fröhlich

Wenn an Ostersonntag und -montag die Zweibrücker Rosengarten-Saison eröffnet, lockt der Park nicht nur mit freiem Eintritt: Die Besucher werden einen noch romantischeren Rosengarten erleben als im Vorjahr - denn da verdarben Krähen-Kot und lautstarkes Massengekrächze manchem Besucher die Idylle.

Die Stadtverwaltung und der für die Zweibrücker Grünflächen einschließlich Rosengarten verantwortliche UBZ (Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken ) hatten deshalb vergangenen Herbst die gegenüber dem Rosengarten stehenden Bäume in der Schwarzbach-Allee drastisch zurückgeschnitten und dabei die leeren alten Nester entfernt (wir berichteten).

Diese "Vergrämung" hat sich bewährt, berichtet UBZ-Chef Werner Boßlet auf Merkur-Nachfrage: "In diesen Bäumen sind zurzeit keine Nester." Im Rosengarten sei es dadurch deutlich ruhiger geworden. Zurückgeschnitten habe man aber nicht nur wegen Krach und Kot: "Rosengarten-Bäume waren dadurch geschädigt, dass die Krähen sich dort für den Nestbau von gesunden Bäumen viele Ästchen geholt haben."

Im Rest der Schwarzbach-Allee herrscht dagegen seit einigen Wochen das gewohnte Frühjahrs-Bild mit hunderten Saatkrähen-Nestern und markerschütterndem Gekrächze. Denn der radikale Rückschnitt gegenüber dem Rosengarten war nur mit einer Ausnahmegenehmigung durch die SGD Süd (Struktur- und Genehmigungsdirektion in Neustadt) möglich.

Saatkrähen sind nämlich - obwohl die Zweibrücker das seit Jahren ganz anders erleben - in Deutschland sehr selten und stehen deshalb unter strengem Naturschutz. Sie dürfen nur vergrämt werden, wenn es in der Nähe alternative geeignete Nistgelegenheiten gibt.

Eine dieser Nistgelegenheiten, die sich Krähen nun selbst ausgesucht haben, ist die Allee in der Dr.-Ehrensberger-Straße, gut 200 Meter Fluglinie entfernt auf der anderen Schwarzbachtalseite. Sehr zum Leidwesen vieler Anwohner dort. Klaus Spies erzählt: "Um punkt sieben Uhr dürfen Sie aufstehen, dann geht das Gekrächze los."

Ruhig werde es erst wieder mit Einbruch der Dämmerung. Wo in den letzten drei Jahren ein einsames Saatkrähen-Pärchen genistet habe, sind seit drei Wochen Dutzende Nester gebaut. "Und das in einer Gegend, wo immer viele Kinder draußen spielen", ärgert sich Spies darüber, dass man zwar nun wieder in Ruhe im Rosengarten spazieren hat, eine Siedlung mit vielen Familien mit Kindern aber das Nachsehen hat. Aus Furcht vor fallendem Vogelkot liefen viele Fußgänger schon über die Wiese der Wohnblocks statt auf dem Bürgersteig direkt unter den Bäumen. Die Stadt hat (wie in der Schwarzbach-Allee) Schilder aufgestellt, auf denen vor "herabfallenden kleinen Ästen und Kot" gewarnt wird.

Die Dr.-Ehrensberger-Straße ist allerdings nicht zum ersten Mal Massen-Brutstätte von Saatkrähen. Spies: "Als wir vor sechs Jahren hierhin gezogen sind, war es auch schlimm. Nach einem Rückschnitt waren die Krähen dann aber bis auf das eine Paar jahrelang weg."

UBZ-Chef Boßlet hat zwar Verständnis für jeden Krähengeplagten - zumal die Brutzeit bis in den Juli hinein dauern könne. Aufgrund des Naturschutzes lasse sich aber nicht verhindern, dass die Vögel auch im Stadtgebiet leben. Klar sei, dass der Rosengarten geschützt werden müsse - als die mit Abstand wichtigste touristische Attraktion im Zweibrücker Stadtgebiet und geschätzte grüne Oase auch für viele Einheimische. Seit vielen Jahren fordern viele Bürger aber auch Maßnahmen gegen die Saatkrähen in der gesamten Schwarzbach-Allee, ist diese doch der beliebteste Spazier- und Jogging-Weg in der Stadt, Probleme hat auch die direkt angrenzende Kindertagesstätte Heilig Kreuz (wir berichteten). Der Stadtrat hatte deshalb Ende 2015 einen Gutachter beauftragt, um zu prüfen, wie die Saatkrähen aus der Allee vergrämt werden können, ohne gegen das Bundesnaturschutzgesetz zu verstoßen. "Der Gutachter schaut sich die Situation in Zweibrücken zurzeit an", berichtet Boßlet, die Ergebnisse würden dann Ende April oder im Mai im Stadtrat vorgestellt.

Die Ratsmitglieder stünden danach vor einer schweren politischen Entscheidung, um die sie Boßlet nicht beneidet. Denn angesichts der massiven Probleme vom Winter-Ende bis zum Frühsommer in der Schwarzbach-Allee verhehlt Boßlet zwar nicht seine Sympathie für Vergrämungs-Maßnahmen dort. Boßlet erinnert aber daran, dass er und sein UBZ-Kollege Heiko Wunderberg schon im November im Stadtrat darauf hingewiesen hatten, dass eine Vergrämung in der Allee nicht nur bedeute, dass sich die Saatkrähen andernorts in oder um Zweibrücken Nistgelegenheiten suchen - sondern das Vertreiben einer Kolonie in anderen Städten dazu geführt habe, dass durch sinkenden Konkurrenzkampf die Krähen-Gesamtzahl sich deutlich erhöhe.

Erhöht hat sich die Saatkrähen-Zahl in Zweibrücken ohnehin bereits, auch dieses Jahr seien es deutlich wieder mehr als im Vorjahr, berichtet Boßlet. Letztes Jahren wurden in Zweibrücken 499 Nester allein in der Schwarzbach-Allee gezählt. Die genauen Zahlen für dieses Jahr liegen Boßlet noch nicht vor; er schätzt aber, dass es in der Allee nun über 600 Nester sind. Insgesamt lebten vergangenes Jahr in Rheinland-Pfalz nur etwa 2500 Saatkrähen, davon mit rund 700 fast jede Dritte in Zweibrücken .

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