Der Schock sitzt tief

Zweibrücken · Angst, Sorgen, Trauer und Wut: Die Mitarbeiter des Evangelischen mussten gestern den Schock des Aus' verdauen. Einige Patienten hingegen hätten rasch die Initiative ergriffen – und geplante OP's storniert, erklären die Mitarbeiter-Vertreter.

 Ein Herz hängt im Foyer. Die Mitarbeiter des Evangelischen Krankenhauses hängen an ihrem Haus, deswegen ist der Schock bei ihnen auch so groß, dass die Klinik geschlossen wird. Fotos: Bröcker

Ein Herz hängt im Foyer. Die Mitarbeiter des Evangelischen Krankenhauses hängen an ihrem Haus, deswegen ist der Schock bei ihnen auch so groß, dass die Klinik geschlossen wird. Fotos: Bröcker

Am Tag danach herrscht Unruhe am Evangelischen Krankenhaus. Montags wurde den Mitarbeitern verkündet, dass das Haus am 30. September geschlossen wird. Jetzt, rund 24 Stunden später, stehen die Mitarbeiter auf Fluren oder am Aufzug, tuscheln, es werden ratlose Blicke ausgetauscht. Immer wieder schweben Worte wie "Kündigung", oder "so schnell" durch den Raum, einige nehmen sich in den Arm. Viele nutzen die Möglichkeit, sich mit der Beraterin von Verdi zu treffen, die ins Haus gekommen und deren Terminkalender zum Bersten voll ist.

Viele schütteln nur den Kopf

Auf Merkur-Nachfrage, wie es denn weitergeht, schütteln die meisten nur traurig den Kopf - sie wollen nicht antworten, sie können nicht. Nur wenige finden Worte für die Schließung und den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Maike Schwarz, die am Empfang arbeitet, hätte das Schild, das im Foyer die Botschaft "Wir sind auch weiterhin für Sie da" verkündet, am liebsten herausgenommen.

Irgendjemand hat es herumgedreht, so dass die Botschaft nicht mehr zu lesen ist. "Aber wir sind ja immer noch für die Leute da", sagt sie. Wie es für sie persönlich weitergeht, weiß sie nicht. Als gelernte Bürokauffrau zieht sie gleich mehrere Möglichkeiten in Betracht. Noch hat sie etwas Zeit, darüber nachzudenken. Anders sieht es da in der Geburtenabteilung aus. Die schließt nämlich bereits in weniger als vier Wochen.

"Hat uns sehr hart getroffen"

"Uns hat das sehr hart getroffen", erzählt eine Mitarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden möchte, während eine Mutter mit ihrem Neugeborenen über den Flur schlendert. Eines der letzten in Zweibrücken geborenen Kinder vermutlich. Obwohl die Geburtenabteilung in wenigen Wochen schließt, wissen die Angestellten dieser Abteilung nicht mehr als am Vortag. Und obwohl das Kreissaalteam noch vollzählig ist, hängt es ausgerechnet an zwei Anästhesisten , die bereits mit einem Aufhebungsvertrag ausgeschieden sind, wie Thomas Stauder von der Mitarbeitervertretung erklärt. Die ersten werdenden Eltern wurden bereits beim Besuch des Kreißsaales darüber informiert, dass sie ihr Kind nun doch nicht in Zweibrücken zur Welt bringen können, erzählt Dr. Al-Alime, der an diesem Tag von einem Termin zum Nächsten eilt.

Kreißsaalführungen eingestellt

Die Kreißsaalführungen, die jeden Dienstag stattfinden, wurden mit sofortiger Wirkung eingestellt. Auch für Al-Alime, der selbst vor noch nicht allzu langer Zeit die gynäkologische Leitung übernommen hatte, ist der Weg hier zu Ende.

"Ich habe noch keine Pläne, ich stehe zu meinem Team bis zum Ende. Es ist schade, ich war sehr positiv eingestellt", sagt Al-Alime, gerade weil er die Vorgabe, bessere Zahlen als im Jahr 2012 zu schreiben, erreicht hat. Tatsächlich erzielte diese Abteilung zuletzt sogar Gewinn.

Warum sie nicht ebenfalls vom Nardini-Krankenhaus übernommen wurde, können auch die beiden Mitarbeitervertreter Thomas Stauder und Silvia Betzold nicht verstehen. Sie fühlen sich vom Landesverein hingehalten. Beide gehen davon aus, dass der Landesverein überhaupt nicht vorhatte, das Evangelische zu erhalten.

"Zwei Jahre hingehalten"

"Dass sie uns zwei Jahre damit hingehalten haben, das ist das Schlimme" sagt Betzold. Die beiden haben an diesem Tag alle Hände voll zu tun. "Heute steht mein Telefon nicht still", sagt Stauder. Für die Mitarbeiter sind sie die ersten Ansprechpartner und Fragen gibt es viele. "Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, das Beste für unsere Mitarbeiter rauszuholen, zusammen mit Verdi und dem Anwalt", erklärt Silvia Betzold. Thomas Stauder wartet an diesem Mittag auch auf eine Liste vom Vorstand.

Namensliste bestimmt Zukunft

Ein Stück Papier, das über Arbeit oder Arbeitslosigkeit entscheiden soll, denn es enthält die Namen derer, die ans Nardini-Krankenhaus wechseln sollen. Nach welchen Kriterien die Liste erstellt wird, weiß er nicht, außer, dass es sich um 95 Personen handelt.

Auf die Frage, was passiere, wenn beispielsweise 30 nicht wechseln wollen, erhielt er die Antwort, dass dann statt 95 eben nur 65 wechseln würden.

Aussage macht fassungslos

Eine Aussage, die ihn fassungslos macht. Stauder fordert stattdessen eine Aufnahme aller Mitarbeiter mit anschließender Sozialauswahl.

Ob alle Mitarbeiter bis zum Schluss bleiben, glauben die beiden eher nicht, auch Krankmeldungen können sie sich vorstellen. "Aber weil sie einfach auch krank sind", ergänzt Betzold und meint psychischer Art. Die Patienten haben schon jetzt ihre Konsequenzen gezogen, weiß Stauder. Direkt nach der Verkündung riefen bereits die ersten Patienten an und sagten OP-Termine für die kommende Woche ab, bilanziert Stauder.

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