Der Kaltwasserdoktor und das Zweibrücker Ärzteviertel

Zweibrücken · Fährt oder läuft man die Steinhauser Straße in Richtung Flugplatzgelände, kommt man nicht umhin, sich in medizinische Versorgung zu begeben.

 Der Prießnitzweg. Foto: Baumann

Der Prießnitzweg. Foto: Baumann

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Nicht durch einen Arztbesuch, sondern beim Passieren der Straßen, Wege und Plätze links und rechts, die berühmten Medizinern gewidmet sind. Zur Röntgenstraße, Virchowstraße, Kneippstraße, Sauerbruchstraße, Billrothstraße, Von-Behring-Straße, Robert-Koch-Straße, Pasteurstraße, Helmholtzstraße, Paracelsiusstraße, Liebigstraße, Ehrlichstraße, Semmelweisweg, Dunantstraße und Dunantweg gesellen sich auch Prießnitzweg (128 Meter lang) und Prießnitzplatz. Vincenz Prießnitz, geboren am 4. Oktober 1799 in Gräfenberg bei Freiwaldau und gestorben 1851 ebenfalls in Gräfenberg, war Landwirt und autodidaktischer Naturheiler aus Österreichisch-Schlesien. Er gilt als Erneuerer und überzeugter Anwender der Kaltwasserkuren. Mit siebzehn Jahren soll er auf dem Feld von einem Pferdeanhänger überrollt worden sein und sich dabei zwei Rippen gebrochen haben. Ohne Fixierung hätte dies zu einer lebensgefährlichen Verletzung innerer Organe führen können. Mit einem in kaltes Wasser getauchten Umschlag mit mehreren Tüchern fixierte er die Verletzung, was die Geburtsstunde des Prießnitz-Umschlages, auch "Prießnitz-Wickel" genannt, war. Die Rippen verheilten und sehr schnell hatte der junge Mann im weiten Umkreis den Ruf, ein "Wasserdoktor" zu sein. 1830 bekam er die Genehmigung der österreichischen Regierung zur Errichtung und Führung einer Kaltwasser-Heilanstalt mit Brunnen, Badehaus und Becken, in dem die Patienten auch schwimmen konnten. Bereits 1832 wurde ein zweites Anstaltsgebäude gebaut mit 18 Zimmern und einem Saal. Insgesamt konnten in der Heilanstalt gleichzeitig etwa 100 Kranke untergebracht werden. Bis zu seinem Tod behandelte Prießnitz dort etwa 36 000 Patienten. Bis heute existiert die von ihm gegründete Kuranstalt in Bad Gräfenberg. Prießnitz entwickelte keine neue medizinische Theorie, machte aber mit seinen Wasserkuren und Luftbädern die Hydrotherapie populär. Innere Krankheiten entstanden für ihn durch "schlechte Säfte", die man aus dem Körper entfernen musste. Er wandte kaltes Wasser und kalte Kompressen bei den verschiedensten Krankheiten an, verordnete aber auch Bewegung und Diät mit Wasser, Milch und kalten, ungewürzten Speisen. Außerdem setzte er auf Abhärtung, vorzugsweise durch eiskaltes Duschen, wobei sich das Wasser aus einer Höhe von mehreren Metern auf die Patienten ergoss. Weitere Behandlungsmethoden waren Trinkkuren, Klistiere, Bäder und Schwitzkuren. Von ihm existieren keine Veröffentlichungen, außer das 1847 seiner Tochter Hedwig diktierte Vinzenz Prießnitz'sche Familien Wasserbuch, das bis heute im Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien aufbewahrt wird.

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